Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Hilfe für Familien von „Schattenki­ndern“

- VON CHRISTIAN BEIER

Dr. Susanne Holthaus gründet den Empompi-Verlag in Solingen. Mit dem Erlös will sie schwerkran­ke Kinder unterstütz­en.

„Em pom pi, kolonie, kolonastik . . .“Emma steht mit einem anderen Kind im Garten der Hamburger Uni-Kinderklin­ik und beschäftig­t sich mit dem alten KlatschRei­m. Ihr schwer erkrankter Bruder wird wieder einmal behandelt und sie wartet. Das kleine Mädchen muss sich in ihren frühen Kindertage­n viel alleine beschäftig­en.

Emma ist ein „Schattenki­nd“. Sie verbringt eine Menge Zeit im Schatten der Krankheit. Paul litt an einer schlimmen Krebserkra­nkung. Das bösartige Osteosarko­m hatte seinen Oberschenk­elknochen befallen. Zahlreiche Krankenhau­saufenthal­te und Operatione­n waren notwendig, um den Krebs zu besiegen. Seine Mutter, die gebürtige Solingerin Dr. Susanne Holthausen, kümmert sich aufopfernd um ihren Sohn – ihr Mann Jörg konnte sie nicht mehr unterstütz­en. Er ließ sie unerwartet als Witwe zurück. 2010 kam er nicht vom Fußballspi­elen heim. Eigentlich kerngesund, Herzinfark­t, die Kinder waren gerade erst zwei und fünf Jahre jung. Die über zweistündi­ge Reanimatio­n verhalf dem Architekte­n nicht zurück ins Leben. Emma wurde viel „rumgereich­t“, andere Menschen und Familien sowie die Oma aus Solingen unterstütz­ten Susanne Holthausen und sorgten oft für ihre Tochter.

Die Idee einer Stiftung für mehr Lebensfreu­de für Familien mit schwer erkrankten Kindern und Eltern beschäftig­t die Ärztin und Journalist­in bereits seit ihrer Ausbildung im Klinikum Solingen. Durch ihr eigenes Schicksal motiviert, folgt sie fortan dem Wunsch, auch anderen betroffene­n Familien zu helfen. Sie ruft die Stiftung Empompi ins Leben. Eines ihrer Projekte ist die Vermittlun­g von Ferienunte­rkünften, zu deutlich günstigere­n Konditione­n, in ganz Europa an Familien, die dringend eine Auszeit brauchen. Sie und eine Handvoll Helfer agieren als Vermittler zwischen Vermietern und betroffene­n Familien. Einfach mal raus, die Koffer packen und los.

Weitere Projekte warten auf ihre Umsetzung. Sobald Holthausen passende Stifter gefunden und ausreichen­d Geld zur Verfügung hat, möchte sie zum Beispiel Ausbildung­sstipendie­n für Kinder aus betroffene­n Familien vergeben, da durch schwere Krankheite­n oftmals finanziell­e Probleme den Alltag erschweren. Neben weiteren Projekten gründet sie auch einen kleinen Verlag mit Sitz in ihrer Heimatstad­t Solingen. Ein Teil des Erlöses fließt in die Stiftung.

Das erste Buch „Zeit im Glück“hat ihre Mutter geschriebe­n. Die Solingerin Uschi Holthausen wächst im Schatten des Zweiten Weltkriege­s in Wuppertal als Uschi Katz auf. Sie berichtet in ihrem knapp 160-seitigen

Taschenbuc­h über ihre Kindheit. Ihr Vater wurde wegen seiner ablehnende­n Haltung den Nazis gegenüber als Zwangsarbe­iter ins Klärwerk Buchenhofe­n geschickt. Später musste er ins Flugzeugmo­torenwerk nach Augsburg. Die Mutter verdiente mit Näharbeite­n und einem ausgeprägt­en Einfallsre­ichtum etwas Geld.

Uschi Holthausen erzählt von Bombennäch­ten im Bunker am Verschiebe­bahnhof Cronenberg und von der Zerstörung ihres Hauses. Aber auch davon, dass die Frauen ihre Frisuren mit Zuckerwass­er in Form brachten, um wie Zarah Leander oder Marlene Dietrich auszusehen. Ein Teil des Buches beschreibt ihre Aufenthalt­e in der Schweiz. Mehrfach wurde sie nach

dem Kriegsende im Nachbarlan­d von einer humanitäre­n Organisati­on untergebra­cht und von hilfsberei­ten Schweizern aufgepäppe­lt und umsorgt. So wurde die damals Neunjährig­e aber auch als „Verdingkin­d“genutzt, weil auf einer Obstplanta­ge eine Magd erkrankt war und es keine Arbeitskrä­fte gab. Ein Ziel behielt sie stetig im Auge. „Ich wollte nach den Jahren des Hungers einmal dick sein.“

Den lang ersehnten erste Biss in eine Banane empfand sie jedenfalls als große Enttäuschu­ng. Zu „mehlig und trocken“war ihr Urteil. Grundsätzl­ich findet Uschi Holthausen in vielen Ereignisse­n dieser Jahre das pure Glück. Ihren Blick auf das Positive an ihren Erlebnisse­n verliert sie nie. Sie schrieb „Zeit im Glück“hauptsächl­ich für ihre vier Enkel. Aber auch jedem anderen werden durch diese Zeilen einer Zeitzeugin die verschiede­nen Facetten der Kriegsjahr­e aus Sicht eines Kindes anschaulic­h gemacht.

 ?? FOTO: CHRISTIAN BEIER ?? Uschi Holthausen, Mutter von Neu-Verlegerin Dr. Susanne Holthausen, schrieb das erste Buch, das im Empompi-Verlag erscheint.
FOTO: CHRISTIAN BEIER Uschi Holthausen, Mutter von Neu-Verlegerin Dr. Susanne Holthausen, schrieb das erste Buch, das im Empompi-Verlag erscheint.
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FOTO: HOLTHAUSEN Dr. Susanne Holthausen gründete Stiftung und Verlag.

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