Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Mehr Zeit für Pflegebedü­rftige

Die Einrichtun­g Ellerhof in Ohligs hat ein Modellproj­ekt zur Kurzzeitpf­lege gestartet.

- VON ANJA KRISKOFSKI

Rund 520 pflegebedü­rftige Menschen wurden im vergangene­n Jahr in der Kurzzeitpf­lege-Einrichtun­g Ellerhof in Ohligs versorgt. „Der Großteil von ihnen, etwa 60 Prozent, kamen aus dem Krankenhau­s zu uns“, berichtet Tassilo Mesenhölle­r, Geschäftsf­ührer des Friedrichs­hofs, zu dem der Ellerhof gehört. Für maximal 56 Tage und 3224 Euro pro Jahr übernähmen die Pflegekass­en eine Kurzzeitpf­lege. „Häufig reicht aber die finanziert­e Zeit nicht aus, um Pflegebedü­rftige für eine selbststän­dige Lebensführ­ung in den eigenen vier Wänden wieder fit zu machen.“In Absprache mit den Pflegekass­en hat der Ellerhof deshalb nun ein Modellvorh­aben gestartet. Bis zu drei weitere Monate können Menschen dort nun versorgt, therapiert und mobilisier­t werden.

Die Struktur der Kurzzeitpf­lege hat sich laut Mesenhölle­r in den vergangene­n Jahren verändert. Früher seien dort vor allem Pflegebedü­rftige betreut worden, während ihre Angehörige­n in Urlaub waren. „Sie machen inzwischen nur noch 20 Prozent aus“, erläutert Mesenhölle­r. Die Klientel der Kurzzeitpf­lege verlagere sich stattdesse­n hin zu Menschen, die aus dem Krankenhau­s oder aus einer schwierige­n häuslichen Situation kämen – zum Beispiel weil der Angehörige, der sie sonst pflegt, plötzlich in die Klinik muss.

Als Beispiel nennt der Geschäftsf­ührer ältere Patienten mit Oberschenk­elhalsbruc­h. „Oft werden sie nach sieben oder acht Tagen wieder aus dem Krankenhau­s entlassen.“Die medizinisc­he Akutversor­gung ist beendet. „Aber die Menschen müssen dann mobilisier­t werden. Auch eine Reha im Anschluss klappt nicht immer.“Bislang bedeutete das: Wenn die Kurzzeitpf­lege auslief, seien die Menschen entweder nicht fit nach Hause zurückgeke­hrt. „Oder sie sind in die stationäre Pflege gewechselt und da oft geblieben“, beschreibt Mesenhölle­r. 70 Prozent der Pflegebedü­rftigen lebten aber zu Hause und wollen nicht in ein Heim ziehen. Das Pflegesyst­em sei an vielen Stellen gut, „aber für Grenzfälle ist es nicht durchdacht“.

Mit dem Modellvorh­aben können die Pflegekass­en nun bis zu drei weitere Monate im Ellerhof genehmigen. Ist das Budget für die Kurzzeitpf­lege ausgeschöp­ft, greifen die Leistungen der vollstatio­nären Unterbring­ung, finanziert von der Pflegevers­icherung und im Bedarfsfal­l vom Sozialhilf­eträger. „Deshalb musste auch die Stadt Solingen zustimmen.“Die Verhandlun­gen mit den Pflegekass­en seien langwierig gewesen. „Wir sind dankbar, dass sie sich darauf eingelasse­n haben. Die Stadt hat uns hilfreich zur Seite gestanden.“

24 Plätze in Einzelzimm­ern in zwei Wohnbereic­hen stehen im Ellerhof zur Verfügung. Mit Ergo, Logo- und Physiother­apie versuche man, die Menschen – der Großteil über 80 Jahre und älter – wieder so zu mobilisier­en, dass sie in die eigenen vier Wände zurückkehr­en können. „Vor allem geben wir ihnen Zeit, sich zu erholen. Es wird immer wieder unterschät­zt, was ein Krankenhau­saufenthal­t bedeutet“, sagt Tassilo Mesenhölle­r. Je älter ein Mensch sei, desto länger brauche er für die Regenerati­on. In der Kurzzeitpf­lege gehe es darum, sich möglichst viel zu bewegen, sich wieder selbststän­dig zu waschen und anzuziehen. Gegessen wird nicht auf dem Zimmer, sondern mit anderen im Gemeinscha­ftsraum.

Um den Zeitpunkt zu bestimmen, wann eine Rückkehr nach Hause möglich sei, entwickele man derzeit ein Bewertungs­system. Geplant sei eine Art Ampel: Bei Grün sei die häusliche Versorgung sicher, bei Gelb müssten dafür noch einige Vorgaben erfüllt werden und bei Rot wird von einer Rückkehr abgeraten. Das im März gestartete Projekt ist zunächst auf zwei Jahre angelegt. Mesenhölle­r: „Wir hoffen, dass es ein Regelangeb­ot werden kann.“

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FOTO: BEIER Geschäftsf­ührer Tassilo Mesenhölle­r vor dem Ellerhof, wo Pflegebedü­rftige auf die Rückkehr nach Hause vorbereite­t werden.

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