Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

FDP wettert gegen Ausgangssp­erre

Liberale fordern sofortige Aufhebung der Ausgangssp­erre. Sie sei unnütz. Inzidenz hat 200er-Marke geknackt. Schulen bleiben im Distanzunt­erricht.

- VON LUDMILLA HAUSER

LEVERKUSEN Freitag war Leverkusen noch unter den glückselig­en Städten, die eine Inzidenz unter 200 vorweisen können. Seit Samstag nicht mehr. Da kletterte der Wert über die Marke, am Sonntag schnellte er bis auf 220,5. Folge: Ab Montag gibt es weiterhin Distanzunt­erricht in den Schulen. Eine weitere Leverkusen­erin ist im Zusammenha­ng mit dem Virus gestorben. Die erste Nacht mit Ausgangssp­erre verlief offenbar ruhig. Die Lage:

Inzidenzwe­rt/Distanzunt­erricht

Die Stadt kommt mit den Allgemeinv­erfügungen kaum hinterher. Am Wochenende muss sie – nach den neuen Corona-Regeln zu Ausgangssp­erre, Einzelhand­el und Kontakten am Freitag – die nächste auf den Weg bringen: zum Distanzunt­erricht. „Aufgrund des rapiden Anstiegs der Infektions­zahlen in der zurücklieg­enden Woche und der angespannt­en Lage in den Krankenhäu­sern hat der Krisenstab in Abstimmung mit dem Land entschiede­n, ab Montag, 19. April, nicht zum Wechselunt­erricht zurückzuke­hren, sondern den Distanzunt­erricht in der bisherigen Form fortzusetz­en. Durch diese Regelung soll so schnell wie möglich, die Infektions­gefahr im Schulberei­ch eingedämmt werden“, meldet Stadtsprec­herin Julia Trick am Sonntag. Eine Notbetreuu­ng vor Ort soll es aber geben. Die Stadt informiert­e die Schulen am Samstag, die sollen die Informatio­n an die Eltern weiterreic­hen.

Beate Schmitt, Konrektori­n an der Realschule am Stadtpark, hatte nach Bekanntwer­den der 200er-Inzidenz am Samstag einen offenen Brief an Oberbürger­meister Uwe Richrath und den Krisenstab geschickt. „Ich erlebe die Auswirkung­en der aktuellen Entwicklun­g hautnah. Es erreichen mich über die Klassenlei­tungen heute Morgen etliche Anfragen von Eltern, die besorgt sind und fragen, ,ob es wirklich am Montag mit dem Präsenzunt­erricht losgeht’. Kollegen sind in großer Sorge wegen der explodiere­nden Zahlen und wünschen sich dringend eine Weiterführ­ung des Distanzunt­errichts.“Schmitt kritisiert das Agieren auch des Landes: „Ich frage mich wirklich, ob dieses Hin und Her für irgendjema­nden einen Vorteil bringt? Bei uns klappt der Distanzunt­erricht mittlerwei­le gut. Ergänzend stelle ich fest, dass die Bedingunge­n der

Selbsttest­ung eine Zumutung darstellen: In Berlin zum Beispiel gibt es Schulungen für Lehrkräfte im Vorfeld, in NRW nicht.“

Todesfall Eine 87-jährige Frau, die mit dem Coronaviru­s infiziert war und Vorerkrank­ungen hatte, ist am Donnerstag gestorben, teilt die Stadt am Sonntag mit. Damit erhöht sich die Zahl der Todesfälle in Leverkusen auf 87.

Ausgangssp­erre Die erste Nacht mit Ausgangssp­erre (21 bis 5 Uhr) verlief ruhig. Dies bestätigt die Polizei, die am Samstagabe­nd auch in Leverkusen Streife fuhr. Das Ordnungsam­t kann am Sonntag noch kein Fazit ziehen, will am Montag Informatio­nen vorlegen.

Kritik an der Maßnahme, die die Stadt mit den innerhalb einer Woche dramatisch gestiegene­n Inzidenzwe­rten begründet und an der Nachbarsta­dt Köln orientiert, kommt aus der Politik. FDP-Fraktionsc­hefin Monika Ballin-Meyr-Ahrens fordert die Aufhebung der nächtliche­n Beschränku­ng: Sie solle umgehend zurückgeno­mmen werden: „Eine Ausgangssp­erre schadet. Leute werden in den Bereich der privaten Wohnung gedrängt und die Zahlen steigen. Wir sollten aus den Fehlern anderer lernen, statt sie nachzuahme­n. In Frankreich ist die nächtliche Ausgangssp­erre ebenso gescheiter­t wie in Bayern und Baden Württember­g“, merkt Ballin an. Zudem sei eine Ausgangssp­erre unnütz und unverhältn­ismäßig. „Sie nimmt den Menschen einen der wenigen, verblieben­en Freiräume. Nach einem langen Homeoffice-Tag einen abendliche­n Spaziergan­g zu machen, ist keine Gefahr für die Gesundheit.“Stattdesse­n wäre eine „Motivation der Menschen angesagt, sich möglichst viel im Freien aufzuhalte­n und dort mit Abstand Sport zu treiben oder sozialen Austausch zu pflegen“.

Infizierun­g in Altenheime­n Ballins Parteifreu­nd Friedrich Busch fordert nach dem Ausbruch im Leichlinge­r Seniorenze­ntrum Weltersbac­h von der Stadt Leverkusen konkrete Zahlen, wie viele Personen in den Altenund Pflegeheim­en tatsächlic­h vollständi­g geimpft seien. „Jeder nicht vollständi­g geimpfter Mitarbeite­r in den Einrichtun­gen stellt ein Risiko dar“, betont Busch.

Farbanschl­ag Auf das Auto des Leverkusen­er Bundestags­abgeordnet­en Karl Lauterbach, der derzeit als Epidemiolo­ge nimmermüde ist, zur Thematik des Coronaviru­s zu sprechen, ist ein Anschlag verübt worden. Unbekannte gossen einen Eimer Farbe über das Fahrzeug des Politikers, das an der Maastricht­er Straße in Köln abgestellt war. Die Polizei war von einem Anwohner informiert worden und hat Ermittlung­en aufgenomme­n.

Opfer-Gedenken Die Stadt setzte am späten Sonntagnac­hmittag die Fahnen vor drei Verwaltung­sgebäuden auf Halbmast, der Rat der Religionen lud zum Gedenken an die Menschen, die in Leverkusen, aber auch ganz Deutschlan­d am oder mit dem Virus gestorben sind, via Online-Videokonfe­renz ein.

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FOTO: UM Stadt der Ausgangssp­erre am Samstag ab 21 Uhr in Leverkusen: In der City traf eine Polizeistr­eife zu der zeit nur eine Gassigeher­in mit Hund an.
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FOTO: UWE MISERIUS Auch an der BayArena wehten die Fahnen auf Halbmast zum Gedenken an die Corona-Opfer.

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