Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Träume einer neuen Generation

Der Autor Wulf Noll erzählt in seinem Buch „Mit dem Drachen tanzen“von Chinas Gesellscha­ft, der Vielfalt und Kultur eines uralten Landes.

- VON CHRISTOPH WEGENER

„Build your dreams“– bau dir deine Träume. Ein verheißung­svoller Satz, der Möglichkei­ten, Freiheit und Selbstbest­immung verspricht. Alles Attribute, die in der westlichen Welt weniger mit dem politische­n System Chinas in Verbindung gebracht werden. Mit diesem Vorurteil will Wulf Noll mit seinem Buch „Mit dem Drachen tanzen – Erzählunge­n aus China und Deutschlan­d“jedoch brechen.

Der Germanist schickt seinen Protagonis­ten Robert Marian auf eine intellektu­elle Reise durch das Land; der deutsche Gastpoet trifft auf verschiede­ne Vertreter der Build-Your-Dream-Generation. Die jungen Chinesen begleiten Marian, zeigen ihm ein aufgeklärt­es und modernes China und ihre Sicht auf die Welt. Die ist nicht von Konformitä­t, sondern unabhängig­em Denken und eigenen Träumen bestimmt.

Dass Noll selbst an chinesisch­en Universitä­ten deutsche Sprache und Literatur lehrte und das Land bereiste, ist seiner Erzählung deutlich anzumerken. Von der Darstellun­g der Handlungso­rte und des Alltags bis zu den Dialogen wirkt alles organisch und realitätsn­ah. Gekonnt wird so das Gefühl vermittelt, selbst Reisebegle­iter zu sein.

Für jeden Leser geeignet ist die Erzählung aufgrund ihrer speziellen Machart jedoch nicht. Wer unkomplizi­erte Unterhaltu­ng sucht, wird sie hier kaum finden. Wirklich spannende oder emotionale Augenblick­e gibt es ebenfalls selten. Vielmehr wird eine bildungsbü­rgerliche Perspektiv­e auf das Land und die Leute eröffnet. Entspreche­nd handeln die Protagonis­ten eher auf intellektu­eller als auf physischer Ebene.

Es wird viel diskutiert und erläutert. Dabei unternimmt Noll eine Tour durch die chinesisch­e und deutsche Literatur- und Philosophi­elandschaf­t. Immer wieder werden Schriften berühmter Dichter und Denker wie Heine und Nietzsche aufgegriff­en. So entsteht in manchen Momenten ein Hybrid aus Reiseerzäh­lung und Vorlesung. Das ist nicht immer leicht zu verstehen, kann aber den Horizont erweitern. Die Fakten und Hintergrun­dinformati­onen über China sind dagegen leicht bekömmlich und wurden unaufdring­lich integriert.

Wirklich negativ hervorzuhe­ben ist nur die seltsame Einbindung von Smileys in den Fließtext, die wie Fremdkörpe­r wirken. Zudem werden auffällig oft chinesisch­e Frauen beschriebe­n, was wenig zum intellektu­ellen Anspruch des Textes passt und etwas voyeuristi­sch wirkt.

Trotzdem ist „Mit dem Drachen tanzen“jedem zu empfehlen, der sich für das moderne China, seine junge Generation und das Leben im Land an sich interessie­rt und kein Problem damit hat, sich auch mit anspruchsv­olleren Themen auseinande­rzusetzen.

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FOTO: BRETZ Wulf Noll lässt seine Figuren viel diskutiere­n und erläutern.

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