Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Als hatten die Gurnen die lizenz zum Gelddrucken
Zum Tag der Arbeit übt der Arbeitgeberpräsident massive Kritik am Wahlprogramm der Grünen. Den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet lobt er als guten Vermittler. Auch ans Renteneintrittsalter will er ran.
Herr Dulger, an diesem Samstag ist der Tag der Arbeit. Die Gewerkschaften fordern Reformen am Arbeitsmarkt, um die Folgen der Krise zu lindern – etwa eine Verlängerung der Bezugszeit des Arbeitslosengeldes. Wie sehen Sie das?
Der Tag der Arbeit ist ein Tag, auf den die Gewerkschaften zu Recht stolz sein können. Arbeit entsteht aber vor allem in den Unternehmen durch die verantwortliche Übernahme von Risiko, Innovationen und Dienstleistungen. Arbeit geht uns also alle an, und Arbeit beschäftigt uns. Wir bewältigen gerade die größte Wirtschaftskrise aller Zeiten. Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass die Wirtschaft schnell wieder in Gang kommt, denn das ist die Grundvoraussetzung für Wachstum und Beschäftigung. Unsere sozialen Sicherungssysteme haben in der Pandemie gut funktioniert und viele Krisenfolgen abgefedert. Aber nun sind die Kassen leer – da können wir uns keine zusätzliche Belastung der Sozialsysteme leisten.
Sollten wir die Bundes-Notbremse früher als Ende Juni beenden?
Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten drei bis vier Wochen so viel Impfstoff bekommen, dass wir endlich Licht am Ende des Tunnels sehen werden. Zumindest ist es durch die Bundes-Notbremse regulatorischer Unsinn, wenn Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren auf einer Insel in der Nord- oder Ostsee gelten – obwohl es laut Gesundheitsamt dort aktuell gar keine bekannten Infektionsfälle gibt und die Inzidenz bei null liegt.
Unternehmen mussten monatelang auf Hilfe warten, viele haben die Dezemberhilfe erst im Frühjahr erhalten. Wie sieht es jetzt aus?
Bis zum Februar lief es gar nicht rund, das ist wahr. Seit März läuft es besser. Doch klar ist: Die finanziellen Reserven sind bei vielen Firmen aufgebraucht. Der Staat muss die Unternehmen unbürokratisch und zuverlässig weiter unterstützen.
Ein besonderes Problem haben Solo-Selbstständige. Der Staat verweist sie auf Hartz IV. Ist das eine Alternative für Unternehmer?
Wenn Sie einen Handwerksmeister danach fragen, wird der Ihnen sagen, dass es mit seinem Stolz nicht zu vereinbaren ist, den Staat um Hilfe zu bitten. Wenn sie jahrelang für ihre Selbstständigkeit Tag und Nacht geackert haben, dann fällt ihnen dieser Schritt einfach schwer. Und wenn die aktuelle fixkostenorientierte Hilfe dazu führt, dass bei Solo-Selbständigen keine Hilfe ankommt, müssen wir die Hilfssysteme für die nächste Krise so anpassen, dass das nicht mehr passieren kann.
Viele Parteien treten zur Bundestagswahl mit Programmen an, die Mehrbelastungen für die Wirtschaft bedeuten. Fehlt den Parteien das Verständnis für die Wirtschaft?
In Deutschland wird zu viel darüber diskutiert, wie wir Geld verteilen, und zu wenig, wo es herkommt. Das spiegelt sich leider in vielen Parteiprogrammen wider. Aber es geht doch eigentlich zuerst um die Frage, wovon wir in Zukunft leben wollen, und nicht, wie.
Grüne, SPD und Linke fordern eine Vermögensteuer und eine höhere Einkommensteuer für Gutverdiener. Was halten Sie davon?
Wir müssen eine historische Wirtschaftskrise bewältigen, jetzt ist mit Sicherheit nicht der richtige Zeitpunkt für Steuererhöhungen.
Die Grünen zum Beispiel wollen aber auch die Erbschaftsteuer erhöhen. Könnten Sie mit einer Bundeskanzlerin Baerbock leben?
Es gab in der Vergangenheit einige Parteien, wo das Programm nicht zum Kandidaten passte. Wir bewerten ein Regierungsprogramm ganz sicher nicht über den Eindruck von einem Kandidaten oder einer Kandidatin, sondern über dessen Inhalt. Hier lässt sich beobachten, dass die Grünen gerade von allen einen Persilschein ausgestellt bekommen, den wir noch teuer bezahlen werden, wenn wir nicht aufpassen. Das 134 Seiten starke Programm liest sich, als hätten die Grünen eine Lizenz zum Gelddrucken.
… deshalb sind ja die Steuererhöhungen im Programm.
Noch mal: Das grüne Wahlprogramm ist alles andere als beschäftigungsfreundlich – ein Programm für wirtschaftliches Wachstum sieht anders aus. Neben einer ökologischen Nachhaltigkeit gibt es auch eine ökonomische: Wir müssen die Wirtschaftsstärke des Landes erhalten, denn nur so können wir den Wohlstand bewahren. Wer die Wirtschaft noch stärker belastet, als sie es ohnehin schon ist, der vernichtet Wohlstand.
Die Grünen sind in Umfragen aber derzeit die stärkste Partei. Würde Sie Grün-Schwarz abschrecken?
Umfragen sind Momentaufnahmen. Zudem liegen zwischen Wahlprogrammen und praktischem Regierungshandeln oft Welten. Ich lebe ja in Baden-Württemberg und bin mit der grün-schwarzen Regierung hier durchaus zufrieden. Anders als bei den Bundesgrünen ist hier aber auch keine Ideologie zu spüren: Die Grünen in Baden-Württemberg stärken die Autoindustrie, bauen Autobahnen und fällen auch mal einen Baum.
Die Union hat noch gar kein Wahlprogramm. Stattdessen gab es zunächst ein Chaos bei den
Wirtschaftshilfen, dann die Homeofficeund die Testpflicht für Betriebe – sind Sie von Peter Altmaier und der Union enttäuscht?
Weder Peter Altmaier noch die Union haben diese Bürokratisierungen der Hilfen durchgefochten, sondern die SPD. Wenn wir von einer Partei enttäuscht sind, dann von der SPD. Aber blicken wir in die Zukunft: CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist ein Mann, der das Gespräch mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften sucht. Er vermittelt mir den klaren Eindruck, dass wir mit ihm die Herausforderungen, vor die uns die Corona-Krise in Deutschland stellt, gemeinsam meistern können.
Ihr Urteil darüber werden die Wähler im September fällen. Kommen wir zurück zur Politik im Hier und Jetzt: Bei der Rentenversicherung drohen nach der Krise schnellere Beitragsanstiege. Was sollte getan werden, um das zu verhindern?
Wir brauchen die Deckelung der Sozialabgabenquote bei 40 Prozent. Die Deckelung muss in Form eines Gesetzes von Verfassungsrang verankert werden, denn nur so bleiben wir zukunftsfähig. Deshalb brauchen wir in der nächsten
Legislaturperiode dringend die Sanierung der Altersvorsorge. Unser Generationenvertrag ist eine Zeitbombe. Nur mit kosmetischen Maßnahmen werden wir sie nicht entschärfen können. Wir müssen uns endlich ehrlich machen und ganz klar sagen: Wir werden alle länger arbeiten müssen, damit die Sozialsysteme weiter funktionieren und auch meine Kinder noch eine Chance auf eine auskömmliche Rente haben.
Was heißt das konkret? Ein höheres Rentenalter über 67 Jahre hinaus?
Das Rentenalter muss an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden. Natürlich sollten wir hier aber differenzieren: Ein Dachdecker kann mit 67 Jahren nicht mehr auf dem Dach stehen, dazu wäre er körperlich nicht mehr in der Lage. Aber er kann dafür vielleicht im Betrieb andere Aufgaben übernehmen. Wir brauchen auch mehr Anreize für die private und betriebliche Altersvorsorge. So müssen die steuerlichen Freibeträge zur Altersvorsorge deutlich erhöht werden und in den kommenden Jahren schneller ansteigen.