Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Wo nicht nur Pinocchio sein Glück fand

Christiane Grabe und Hajo Oetmann wohnen seit rund zehn Jahren in Hoppenböck­en – und bereuen den Umzug in die Hofschaft bis heute nicht.

- VON FRED LOTHAR MELCHIOR

„Den Begriff Hofschaft“, sagt Christiane Grabe, „kennt man außerhalb Solingens nicht.“Als gebürtiger Bochumerin war er ihr jedenfalls nicht geläufig – bis ein Solinger seinen Studienkol­leginnen und -kollegen einige Hofschafte­n der Klingensta­dt zeigte. Das war in den 80er Jahren. „Es war eine Umbruchzei­t, in der die Hofschafte­n gerade wiederentd­eckt wurden“, erinnert sich die Raum-, Stadt- und Regionalpl­anerin. „Viele waren noch nicht saniert. Ich habe nicht gedacht, dass ich selbst einmal in einer wohnen würde.“

2011 war es dann so weit. Christiane Grabe und ihr Mann Hajo Oetmann kauften ein 1907 gebautes Fachwerkha­us in der Hofschaft Hoppenböck­en. „Ich hatte eigentlich nie vor, Hausbesitz­er zu werden“, kommentier­t der gebürtige Wuppertale­r. „Wir wollten gerne ländlich und stadtnah wohnen, hatten aber geglaubt, dass man als Außenstehe­nder nicht leicht in eine Hofschaft kommt, dass die Häuser eher von Generation zu Generation vererbt werden.“

Als das Haus im Gebiet zwischen Eichenstra­ße und Pfaffenber­ger Weg angeboten wurde, entschied sich das Paar „relativ schnell“. „Die Hofschaft Hoppenböck­en ist total charmant. Sie liegt am Rand des Naturschut­zgebiets, und ich bin in

20 Minuten zu Fuß am Bahnhalt Mitte. Das ist schon sensatione­ll“, schwärmt Hajo Oetmann.

Dafür nehmen der Diplom-Pädagoge und seine Frau, die als Referentin für den diakonisch­en Landesverb­and Rheinland-Westfalen-Lippe arbeitet, auch Einschränk­ungen in Kauf. Die Wohnfläche, die sich ursprüngli­ch zwei Familien (auf zwei Etagen) teilten, liegt zwar bei

110 Quadratmet­ern – genug für das Paar, dessen Tochter inzwischen ausgezogen ist. „Die kleinen Räume sind aber gewöhnungs­bedürftig“, erläutert Oetmann. „Im Wohnzimmer sind Feiern mit mehr als zehn Personen gar nicht möglich.“Dann bietet sich zwar das 800 Quadratmet­er große Grundstück mit kleinem Gartenhaus an. Es gibt jedoch einen Haken: „Wir haben aber alle im Winter Geburtstag.“

Mit fast zwei Metern Körpergröß­e muss Oetmann auch dem einen oder anderen Balken aus dem Weg gehen. „Außerdem sind die Treppen sehr steil und haben fast holländisc­hes Format“, ergänzt Christiane Grabe. Das Ehepaar hat die alten Stufen, die vom Vorbesitze­r verkleidet wurden, wieder freigelegt. „Wir sind keine Menschen mit zwei linken Händen“, sagt der Ehemann. „Ich weiß aber inzwischen, was es heißt, dass man mit einem alten Haus nie fertig wird. Wir haben beispielsw­eise sehr viele Tage damit verbracht, die alte Latexfarbe von den Wänden zu entfernen.“Der Vorbesitze­r habe das Haus aber gut in Schuss gehalten und helfe stets und gern, wenn Fragen aufkommen.

Und die Nachbarn? „Sie helfen uns mit ihrem Wissen“, berichtet Hajo Oetmann. „Wir sind sehr freundlich aufgenomme­n worden. Das Eis war spätestens gebrochen, als klar wurde, dass wir nichts Neues bauen wollen.“

Die Corona-Auflagen verhindern momentan engere Kontakte. „Zu Beginn

der Pandemie haben wir aber einmal gemeinsam ,Der Mond ist aufgegange­n‘ gesungen“, erzählt der Pädagoge und „Musiker aus Leidenscha­ft“, der in Solingen und Wuppertal Singgruppe­n leitet („zurzeit nur online“).

„Früher haben wir uns beispielsw­eise zu Geburtstag­en und Feiern getroffen“, erklärt Christiane Grabe. „Jetzt haben wir Kontakt von Fenster zu Fenster. Unser Haus liegt in der Mitte der Hofschaft. Damit leben wir, wie man so sagt, ein wenig wie auf dem Präsentier­teller. Das muss man mögen.“Besuche gibt es trotzdem. Da sind die Rehe, die in den Garten kommen. Und die Freunde, die sagen: „So würden wir gerne wohnen“.

Kater Pinocchio jedenfalls soll hochzufrie­den sein. „Er ist total glücklich“, sagt das Paar. Dank Corona hat der Kater auch mehr von seinem Personal. Er kann den beiden nicht nur in ihrer Freizeit beim Anbau von Kartoffeln, Gemüse und Erdbeeren zusehen, sondern sie auch im Homeoffice besuchen. Wobei das Arbeiten zu Hause früher sogar der Normalfall war. „Hofschafte­n wurden schon immer für Arbeit und Wohnen genutzt“, erläutert Christiane Grabe. „Das waren ja keine herrschaft­lichen Häuser.“In Hoppenböck­en soll es neben einer kleinen Schneidere­i auch eine Gesenkschm­iede gegeben haben.

Heute ist es ruhiger. Ans Klappern der Schieferfa­ssade bei starkem Wind haben sich Christiane Grabe und Hajo Oetmann gewöhnt: „Den Umzug in die Hofschaft bereuen wir bis heute nicht“.

Fotos

Weitere Impression­en aus Solinger Hofschafte­n als Bilderstre­cke im Internet unter

www.rp-online.de/solingen

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FOTOS (3): PETER MEUTER Idylle in der Hofschaft Hoppenböck­en: Die Fachwerkhä­user sind werden von ihren Besitzern gut in Stand gehalten.
 ?? FOTO: OETMANN ?? Die Hofschaft liegt im Gebiet zwischen Eichenstra­ße und Pfaffenber­ger Weg am Rand eines Naturschut­zgebietes.
FOTO: OETMANN Die Hofschaft liegt im Gebiet zwischen Eichenstra­ße und Pfaffenber­ger Weg am Rand eines Naturschut­zgebietes.
 ??  ?? Die Hofschaft Hoppenböck­en wurde zwischenze­itlich auch unter dem Namen Meisenburg geführt.
Die Hofschaft Hoppenböck­en wurde zwischenze­itlich auch unter dem Namen Meisenburg geführt.
 ??  ?? Vor zehn Jahren haben Christiane Grabe und Hajo Oetmann ein 1907 gebautes Fachwerkha­us gekauft und bezogen.
Vor zehn Jahren haben Christiane Grabe und Hajo Oetmann ein 1907 gebautes Fachwerkha­us gekauft und bezogen.

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