Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Der Kölner Doppelpack – im Stil einer Klasse-Mannschaft

Rückblick auf den Weg des FC Remscheid vor 30 Jahren in die 2. Fußball-Bundesliga: Anfang Mai gab es Arbeitssie­ge bei Viktoria und gegen die FC-Amateure.

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(red / ad) Vom Jäger zum Gejagten. Diesen Wandel erlebten die Oberliga-Fußballer des FC Remscheid Anfang Mai 1991. Denn mit der berauschen­den 4:0Gala gegen den bis dato punktgleic­hen Spitzenrei­ter Wuppertale­r SV hatten sie vier Spieltage vor Ende der regulären Saison die Pole Position übernommen. Zur Erinnerung: Nur der Oberliga-Meister durfte an der Aufstiegsr­unde zur 2. Bundesliga teilnehmen.

Es sollte, wie viele wissen, am Ende reichen für den FCR. Letztmals gelang ihm der Sprung in die Zweitklass­igkeit, den wir mit den Original-Spielberic­hten von damals in dieser Serie noch einmal aufleben lassen wollen.

Viktoria Köln – FC Remscheid 1:2 (0:1).

Der FC Remscheid lässt sich auf dem Weg zur Meistersch­aft nicht beirren. Nach dem 2:1 (1:0)Sieg bei Viktoria Köln trennen die Mannschaft von Detlef Pirsig „nur“noch drei Spiele vom Oberliga-Titel. Am „Tag der Arbeit“war allerdings ein gehöriger Batzen Arbeit zu bewältigen, ehe der FCR zwei wichtige Punkte im Sack hatte. Die

Matchwinne­r: Sigitas Jakubauska­s und Martin Tilner. Beide erzielten ihre Treffer in ganz wichtigen Augenblick­en.

Der Litauer (30.), als Remscheid gehörig unter Druck stand. „Tilli“(85.), als Viktoria in der Schlusspha­se mit dem Mute der Verzweiflu­ng gegen die drohende Niederlage ankämpfte. Der zehnte Saisontref­fer des Spielmache­rs, der neben Bridaitis, Jakubauska­s und Kosanovic zu den stärksten Remscheide­rn gehörte.

Dass der FCR drei Tage nach dem „Überspiel“gegen den WSV nicht wieder an die obere Grenze gehen konnte, war klar. Dass er die Partie trotzdem letztlich im Stil einer Klassemann­schaft nach Hause schaukelte, spricht für die gute Moral. Sicher – die Anfangsmin­uten hatten es in sich. Viktoria, gestärkt durch 11:1-Punkte in Folge, legte los wie die Feuerwehr. Merfeld knapp drüber (3.), Rother (er wird mit dem FC in Verbindung gebracht) per Kopfball an die Latte, Merfeld in die Arme von André Stocki (28.) – Detlef Pirsig hielt es nicht mehr lange auf der Bank. „Ihr müsst energische­r draufgehen“, meckerte er. Publikumsl­iebling

Sigitas Jakubauska­s nahm sich seine Worte zu Herzen. Er schlich sich davon, donnerte aus 20 Metern einfach drauf: 0:1. Und die Begegnung stand urplötzlic­h auf dem Kopf.

Viktoria geschockt, Remscheid gestärkt. Obwohl André Kröning nach der Pause mit Leistenbes­chwerden draußen bleiben musste, stand der Erfolg nicht mehr auf der Kippe. Erst recht nicht, als Thomas Krisp ausrastete und Viktor Bridaitis völlig unmotivier­t umtrat (65.). Rot für den Mönchengla­dbacher Ex-Profi

– richtig. Warum Schiedsric­hter Hans-Jürgen Baier allerdings nicht auf den Elfmeterpu­nkt zeigte, sondern den Tatort vor den Strafraum verlegte, bleibt sein Geheimnis. So fiel die Entscheidu­ng schließlic­h Martin Tilner in den Schoß. Er machte vor, wie man einen Konter erfolgreic­h abschließt. Ein Blick, ein Schuss – geschafft. Und Jo Schmidt staunte. Der „Turbo“war in einer ähnlichen Situation noch kurz zuvor gescheiter­t. Viktorias Anschlusst­reffer durch Herren (85.) bedeutete indes nur noch Ergebnisko­smetik.

Auch wenn FCR-Libero Uwe Freitag schimpfte: „Plötzlich hatte es wohl keiner mehr nötig, sich nach hinten zu orientiere­n.“

FCR – 1. FC Köln (Amateure) 1:0 (0:0).

Hoher Besuch im Stadion Lennep. Leverkusen­s Manager Reiner Calmund und Dortmunds Co-Trainer Michael Henke nahmen Carsten Pröpper („Das belastet mich schon etwas“) kritisch unter die Lupe. Sie bekamen nicht nur einen kampfstark­en Spielmache­r zu sehen, sondern auch Spannung, Dramatik und Nervenkitz­el. Die Entscheidu­ng beim 1:0 (0:0) des FC Remscheid gegen die Amateure des 1. FC Köln fiel erst in der 82. Minute.

Dafür verantwort­lich: Nicht etwa ihr „Beobachtun­gsobjekt“, sondern Sigitas Jakubauska­s. Der clevere Litauer mit dem untrüglich­en Torinstink­t. Als 1700 entsetzte Fans immer wieder auf die Uhr schauten, schon nicht mehr an den so wichtigen Erfolg glaubten, schlich sich „Sigi“in den Strafraum, hob das Anspiel seines Landsmanne­s Viktoras Bridaitis cool ins Netz. Die 82. Minute – und Riesenjube­l in Lennep. Die Meistersch­aft winkt.

Ralf Kessen zuckte erleichter­t mit den Schultern: „Ein Arbeitssie­g“. Der Rackerer traf den Punkt. Das Marathonpr­ogramm (14 Spiele in

42 Tagen) zeigte nämlich seine Wirkung. „Colonia“igelte sich mit Mann und Maus hinten ein. Alle Schüsse, alle gut gemeinten Aktionen prallten ab. Wie von einer Gummiwand. Und als Michael Griehsbach doch den „Weg zum Erfolg“gefunden zu haben schien, spielte Schiri Giesen nicht mit. Alle hatten gesehen, dass „Griesis“Knaller im Strafraum am Abwehrarm von Udo Henn gelandet war (34.). Nur der Schwarzkit­tel aus Odenthal nicht. „Das war kein Handspiel“, bekundete er später im Brustton der Überzeugun­g, verweigert­e den fälligen Elfmeter.

So musste Detlef Pirsig leiden. Am Tag zuvor hatte er noch die 0:4-Pleite des Nord-Meisters Wolfsburg in Hoisdorf beobachtet, jetzt wurden auch ihm Stress-Symptome fühlbar nahegebrac­ht. „Gegen eine defensive Truppe ist es schwer zu spielen“, hielt er mit Kritik hinter dem Berg. Vielleicht fehlte ihm auch sein „Assi“Friedhelm Vos. Der war mit Block und Bleistift in Göttingen, machte sich dort Notizen.

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