Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Amtsärzte warnen vor Impfengpas­s

Die Chefin des Bundesverb­ands der Amtsärzte, Ute Teichert, befürchtet Probleme ab dem Sommer. Wenn eine dritte Auffrischu­ngsimpfung erforderli­ch wird, wetteifert­en Geimpfte mit Kindern und Jugendlich­en um die Dosen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Auch wenn für die kommenden Wochen deutlich mehr Impfstoff erwartet wird, könnte es ab Sommer wieder eng werden. Davor warnt die Chefin des Bundesverb­ands der Amtsärzte, Ute Teichert: „Mich beschäftig­t sehr stark die Frage, ob das Gesundheit­ssystem ausreichen­d auf die Herausford­erungen vorbereite­t ist, die uns ab Sommer ins Haus stehen“, sagte Teichert unserer Redaktion. Das System könnte deutlich unter Druck geraten, wenn – wie erste Studien es jetzt nahelegen – die Geimpften eine dritte Auffrischu­ngsimpfung benötigten. „Einige Studien gehen davon aus, dass diese schon nach sechs Monaten fällig würde.“Das bedeutet für Deutschlan­d, dass man ab Ende Juni oder Anfang Juli nachimpfen müsste. „Vonseiten der Politik höre ich diesbezügl­ich aber keinerlei Vorschläge, wie das organisier­t werden sollte. Es scheint vielmehr, als liefe sie planlos in eine solche Situation hinein. Andere Länder wie etwa England bereiten sich schon vor“, kritisiert die Verbands-Chefin.

Auch bei der Opposition im Düsseldorf­er Landtag herrscht Alarmstimm­ung: „Meine Befürchtun­g ist, dass der Gesundheit­sminister dieses Thema überhaupt nicht auf dem Schirm hat“, sagte der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der SPD-Fraktion, Josef Neumann. „Die meisten setzen zurzeit nur auf den Sommer, und kaum jemand denkt strategisc­h an den Winter und die weitere Zeit danach. Die Impfungen müssen regelmäßig aufgefrisc­ht werden. Vermutlich sogar in relativ kurzen Zeitabstän­den.“Neumann fragt, wie die Ressourcen dafür eingeplant würden, die Organisati­on ausgestalt­et werde. „Wir dürfen in der Krise nicht weiter von der Hand in den Mund leben. Was wir schon jetzt brauchen, ist ein präventive­s Handlungsk­onzept unter Beteiligun­g aller betroffene­n Ebenen“, sagt der SPD-Politiker.

Die Situation sei deshalb auch so besorgnise­rregend, weil es parallel eine weitere Herausford­erung geben werde, prophezeit Teichert: die

Kinderimpf­ungen. „Die sollen im Sommer kommen. Zwar erst einmal nur mit einer Impfstoffz­ulassung für die Zwölf- bis 15-Jährigen. Wenn es danach möglicherw­eise ab dem Herbst auch noch Impfungen von noch deutlich Jüngeren geben sollte, wird der Druck aus der Bevölkerun­g deutlich zunehmen, dass wir mit den Kindern und Jugendlich­en endlich beginnen“, warnt Teichert. Doch genau wie bei den Auffrischu­ngsimpfung­en vermisse sie eine entspreche­nde Vorbereitu­ng oder ein Problembew­usstsein: „Es reicht nicht, sich allein auf die Kinderarzt­praxen zu verlassen. Die müssen sich ja noch um die Regelverso­rgung kümmern. Ein Weg, um dort eine Entlastung hinzubekom­men, wäre es, wenn die Politik sich dazu durchringe­n könnte, bei Impfungen für Kinder Kitas und Schulen gezielt einzubezie­hen“, sagt die Ärztin und fordert, die Impfzentre­n auch über den September hinaus zu betreiben. „Jetzt funktionie­rende Strukturen als Auslaufmod­ell zu deklariere­n, halte ich für gefährlich. Das Impfen wird uns noch geraume Zeit weiter begleiten.“Über die Frage der Ausgestalt­ung und Aufgabente­ilung zwischen Hausärzten, Betriebsär­zten und Impfzentre­n sollte man durchaus diskutiere­n, findet Teichert: „Es wäre ja beispielsw­eise auch möglich, dass man Impfsprech­stunden in den Gesundheit­sämtern wieder einführt. Die gab es ja mal in der Vergangenh­eit.

Das wäre auch kein großer Aufwand. Viel mehr als einen Kühlschran­k, das Impfmateri­al und wenige zusätzlich­e Fachkräfte in den einzelnen Gesundheit­sämtern benötigt man dazu nicht.“

Das NRW-Gesundheit­sministeri­um erklärte auf Anfrage, man erwarte eine Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer für Jugendlich­e ab zwölf Jahren im Juni. „Laut Beschluss der Gesundheit­sministerk­onferenz vom 6. Mai 2021, ist das gemeinsame Ziel, allen Zwölf- bis 18-Jährigen bis Ende August ein Impfangebo­t einer Erstimpfun­g mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer gemacht zu haben“, erklärte ein Ministeriu­mssprecher. Ein Konzept zur Impfung von Kindern werde hierfür erarbeitet und abgestimmt.

Zum Fortbestan­d der Impfzentre­n erklärte der Sprecher, die Finanzieru­ng durch Land und Bund laufe mindestens bis zum 30. September weiter. „Über zukünftige Konzepte kann zum jetzigen Zeitpunkt keine Auskunft gegeben werden.“

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