Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die erste Kanzlerin der Kunstakade­mie

Die Juristin Johanna Boeck-Heuwinkel kommt aus der Welt der Technik, hat aber ein Herz für Kunst. Sie plant, die Verwaltung dienstleis­tungsfreun­dlicher zu machen und will die Digitalisi­erung im Haus ausbauen.

- VON ANNETTE BOSETTI

Sie tritt kein ganz leichtes Erbe an: In der Vergangenh­eit gab es nicht selten Unruhe, unheilige Allianzen und Querelen an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie. Mit Kanzler Jörn Hohenhaus, der im Jahr 2017 antrat, und Rektor KarlHeinz Petzinka, der im kommenden Sommer nach vier Jahren zur Wiederwahl ansteht, wurden die Wogen allerdings deutlich geglättet, Abläufe versachlic­ht und befriedet. Jurist Hohenhaus hatte es nun Anfang des Jahres beruflich aus der nordrhein-westfälisc­hen Landeshaup­tstadt weggezogen. Und seinen Platz hat nun erstmals in der Geschichte der Kunstakade­mie eine Frau eingenomme­n.

Wenige Tage erst ist Johanna Boeck-Heuwinkel da, das geräumige, aber piefige Kanzlerinn­enzimmer wird sie jedoch noch persönlich­er gestalten, verspricht sie. Der prächtige Blumenstra­uß kommt von den Kollegen, die ihr das Ankommen leichter machen wollten, denn auch für sie ist ein Jobwechsel mitten in Corona-Lockdown-Zeiten eine ganz besondere Herausford­erung. Besonders gefreut habe sie sich auch darüber, dass ihr NRW-Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen die Ernennungs­urkunde persönlich überreicht hat. Überhaupt ist Freude ein Wort, das die großgewach­sene gebürtige Rostockeri­n häufig und gerne benutzt, um ihren Wechsel aus der Welt der Technik in die der Kunst zu beschreibe­n.

Die Stellenaus­schreibung war ihr wie ein Fingerzeig im Leben vorgekomme­n. Den Wechsel an eine der renommiert­esten Kunstakade­mien in Deutschlan­d empfinde sie als Beglückung. In den vergangene­n Wochen hat sie bereits an Sitzungen der Verwaltung teilgenomm­en und festgestel­lt, dass ihr der Vorgänger eine gut bestellte wie behutsam modernisie­rte Verwaltung übergeben hat. Die Abteilungs­leitungen seien fachlich ideal besetzt, sagt sie.

Eine Kunstexper­tin ist sie nicht, das gibt sie offen zu. Aber sie genießt und liebt die Kunst. Zuletzt hat sie in München in einem sehr technische­n Umfeld mit Mikroskope­n und Flugzeugen gearbeitet. Da habe es sie dringlich und regelmäßig zur Kunst hingezogen, einmal in der Woche hat sie Museen und Galerien in der bayerische­n Landeshaup­tstadt durchstrei­ft. Und eine Erfahrung gemacht, die sie mit vielen teilt: „Wir erleben es gerade in der Pandemie: Was besonders fehlt, ist die Kunst“, sagt sie.

Das faktische Nichtangeb­ot von Aufführung­en und Ausstellun­gen führe zu Vereinsamu­ng und Traurigkei­t in der Gesellscha­ft. Deshalb seien die Aufgaben der wenigen Kunstakade­mien im Konzert der wissenscha­ftlichen Universitä­ten besonders ernst zu nehmen, da diese die wichtigste­n Ursprungso­rte von Kreativitä­t sind, was der gesamten Gesellscha­ft zugutekomm­t. Die Kunstakade­mie Düsseldorf, die der ehemalige Rektor Markus Lüpertz treffend eine „Geniebude“nannte, sei von ihrem Selbstvers­tändnis her ein Garant von größtmögli­cher Freiheit. Das weiß Boeck-Heuwinkel als in der ehemaligen DDR Geborene besonders zu schätzen.

Mit Rektor Petzinka (65) bildet sie das Führungsdu­o der Akademie, dessen Aufgabente­ilung vorsieht, dass der Rektor für alle Fragen der Kunst da ist, die Kanzlerin für die Organisati­on des Betriebs und für die Finanzen. „Im Idealfall wird man auf der gleichen Welle surfen“, sagt Boeck-Heuwinkel. Je besser und enger die beiden zusammenar­beiten, desto weniger Reibungsve­rluste ergeben sich. „Auch Verwaltung kann man gestalten“, sagt die 49-Jährige.

Das Thema Administra­tion ist seit Studienzei­ten ein zweites Standbein von Boeck-Heuwinkel, die außerdem eine kaufmännis­che Ausbildung gemacht hat. „Recht und Ordnung müssen gelten, das ist natürlich vorrangig“, sagt sie. „Aber eine gut gehende Administra­tion ist geräuschlo­s. Denn sie darf nie Selbstzwec­k sein.“Sie habe regelrecht Freude daran, Verwaltung­en zu beleben, den Dienstleis­tungsaspek­t zu betonen und den Serviceged­anken auszubauen. In ihrem Leben sei ihr Blick stets nach vorne ausgericht­et, daher sei sie auch nicht Rechtsanwä­ltin geworden. In Kanzleien müsse man zurückscha­uen, was geschehen ist. Ihr Gestaltung­swille richtet sich auf Zukünftige­s.

Was das in Düsseldorf sein kann? Das, womit Petzinka und Hohenhaus schon begonnen haben: der Ausbau eines Wlan-Netzes und die Vernetzung aller Studierend­en über eine zentrale E-Mail-Adresse. Die Digitalisi­erung schwächelt seit jeher an der Akademie und dürfte jetzt auf einem guten Weg sein.

Johanna Boeck-Heuwinkel ist eine begeistert­e Sportlerin, bald schon wird sie sicher – wie der Rektor auch – mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Als ihr leidenscha­ftlichstes Hobby bezeichnet sie ihre Tochter Matilda, die die Freude der Mutter teilt, in der Kunst- und Modestadt Düsseldorf angekommen zu sein.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Johanna Boeck-Heuwinkel ist seit dem 1. Mai 2021 die erste Kanzlerin der Kunstakade­mie Düsseldorf.
FOTO: ANNE ORTHEN Johanna Boeck-Heuwinkel ist seit dem 1. Mai 2021 die erste Kanzlerin der Kunstakade­mie Düsseldorf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany