Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Specht als Blickfang am Fachwerkha­us.

Das Fachwerkha­us von Oliver Heidelberg und Birgit Schramek in Hübben fällt nicht nur durch einen fast ein Meter großen Specht am Giebel auf.

- VON FRED LOTHAR MELCHIOR

„Ars Longa Vita Brevis“nannte die Rockgruppe The Nice 1968 ihr zweites Album: „Die Kunst ist lang, das Leben kurz.“Oliver Heidelberg hatte 40 Jahre später mehr Platz, als eine LP-Hülle bietet – und eine andere Überzeugun­g. „Nulla ars naturam adaequare potest“steht seitdem in Großbuchst­aben am Giebel des Fachwerkha­uses in Hübben, das Heidelberg 2007 mit seiner Partnerin Birgit Schramek bezog: „Keine Kunst kann der Natur gleichkomm­en.“

„Wir haben nach einem schönen Spruch gesucht, der zu uns passt“, betont das Paar. Das lateinisch­e Zitat sorgt seitdem für Gesprächss­toff. „Die Leute bleiben stehen“, erzählt Oliver Heidelberg. „Während der Pandemie kommen viele Spaziergän­ger an unserem Haus vorbei und rätseln.“Eine tote Sprache sorgt so für lebendige Unterhaltu­ngen, die es mit dem alten Spruch vielleicht nicht gegeben hätte. „Es ist vollbracht, was Fleiß der Hände schafften“, stand vorher an der Fassade – eine Aussage, die auch ihre Berechtigu­ng hätte.

Drei Jahre arbeiteten Heidelberg und Schramek an dem denkmalges­chützten Fachwerkha­us aus dem Jahr 1796. „Eigentlich haben wir unser Haus nach dem Grundstück ausgesucht“, berichtet der gelernte Landschaft­sgärtner über die anderthalb­jährige Suche nach einer passenden Immobilie. „Wir wollten es ruhig haben, mit Blick ins Grüne.“Heidelberg leitet die Grünabteil­ung der Leichlinge­r Stadtverwa­ltung: „Mein Beruf ist für mich eine Herzensang­elegenheit.“Der gebürtige Solinger plant nicht nur die Bepflanzun­g der Leichlinge­r City („da haben wir als Blütenstad­t einen besonderen Anspruch“), sondern gestaltete auch rund 20 Jahre lang Stände für den Obstmarkt. Dort zeigte er beispielsw­eise, wie Bauerngärt­en angelegt und Wildbienen­hotels gebaut werden. Nach Feierabend nahm er seine Überzeugun­g dann mit nach Hause.

„Wir haben einen richtigen Naturgarte­n, in dem es nicht einen

Quadratmet­er Rasen gibt“, ist Oliver Heidelberg stolz. In den nächsten Wochen blüht beispielsw­eise das Brandkraut. „Die Bienen sind verrückt danach“, berichtet der Landschaft­sgärtner. „Nach der Blüte bleiben die Blütenstän­de stehen.“Das Paar hat aber noch jede Menge anderer „Strukturbi­ldner“und Stauden auf seinem 550 Quadratmet­er großen Grundstück: Storchschn­abel, Salomonssi­egel, Elfenspieg­el, Jakobsleit­er, Himmelssch­lüssel, Lupinen, Herbstzeit­lose, Leberblümc­hen, Witwenblum­e und Eisenhut. An Nutzpflanz­en („für die Gesundheit“) gibt es Weinraute, Wermut, Waldmeiste­r, Bärlauch, Schafgarbe, Liebstöcke­l, Minze und Fenchel, aber auch Beinwell („zur Jauchehers­tellung und Düngung“).

„Der Garten sah vorher aus wie das Amazonas-Randgebiet“, erinnert sich der 52-Jährige an die ersten Grabearbei­ten, bei denen das Paar auch alte Schleifste­ine fand und sie als Gestaltung­selemente nutzte. Kräftig zupacken mussten Oliver Heidelberg und Birgit Schramek auch am Haus. „Wir haben fast alles alleine gemacht. Die Vorbesitze­r hatten beispielsw­eise die Balken mit falschen Farben gestrichen“, berichtet der Landschaft­sgärtner, der auch Elektriker ist. „Wir haben sie alle abgeschlif­fen, jedes Jahr eine Seite des Hauses. Abends sah ich aus, als wenn ich aus der Kohlegrube gekommen wäre.“

Birgit Schramek kümmerte sich um die Fensterrah­men. Nach und nach restaurier­ten die beiden auch die Schlagläde­n. Gestrichen wurde alles mehrmals mit Leinöl, was jetzt Neuanstric­he sehr erleichter­t. Bei den Schlagläde­n musste aber improvisie­rt werden. „Die Farbe Bergisch Grün gibt es gar nicht fertig im Handel“, sagt Oliver Heidelberg.

Die Fenster behielten aus physikalis­chen Gründen ihre Einfachver­glasung – damit sich Luftfeucht­igkeit nicht an einer anderen Stelle niederschl­ägt und zur Schimmelbi­ldung beiträgt. „Durch die Schlagläde­n haben wir aber eine Dämmung“, erklärt Heidelberg. Die Heizkosten für die rund 100 Quadratmet­er Wohnfläche liegen bei 600 Euro pro Jahr; statt einzelner Kohleöfen wie früher gibt es eine Zentralhei­zung mit Gas. Auch das Plumpsklo im Garten („mit Verrieselu­ng“) wird nur noch fürs kleine Geschäft genutzt.

Die 1981 mit Porenbeton ausgefacht­en Wände haben Oliver Heidelberg und Birgit Schramek so gelassen. „Das wäre sonst ein Fass ohne Boden“, kommentier­t er. „Mit einem Fachwerkha­us ist man ohnehin nie fertig.“Vor allem dann nicht, wenn man auch noch künstleris­che Ansprüche hat. Denn neben seinem lateinisch­en Spruch hat das Paar auch noch einen Vogel: einen fast einen Meter großen Schwarzspe­cht, der ebenfalls den Giebel ziert. „Das ist richtiges Kunsthandw­erk von Max Steffens aus Hilden“, freut sich der Landschaft­sgärtner. „Andere haben eine Eule. Mir fiel der Specht ein.“

Fotos Weitere Impression­en aus Solinger Hofschafte­n als Bilderstre­cke im Internet unter www.rp-online.de/solingen

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FOTO: PETER MEUTER Oliver Heidelberg und Birgit Schramek leben in der Hofschaft Hübben in einem Fachwerkha­us von 1797.
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FOTO: HEIDELBERG Auf ihren Garten sind Oliver Heidelberg und Birgit Schramek zurecht ebenfalls stolz.
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FOTO: RADTKE Hübben liegt zwischen der Mangenberg­er Straße und der Viehbachta­lstraße.

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