Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Viele arbeiten seit Monaten am Limit“

Am Internatio­nalen Tag der Pflege fordert die Gewerkscha­ft Verdi bessere Bezahlung und Arbeitsbed­ingungen sowie mehr Personal.

- VON JUTTA SCHREIBER-LENZ

Vor dem Städtische­n Klinikum machten Beschäftig­te in der Pflege am Mittwoch deutlich, dass sie schnelle und wirksame Schritte in Richtung besserer Arbeitsbed­ingungen erwarten. Im Wechsel hielten stets rund 15 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r am internatio­nalen „Tag der Pflege“Fahnen, Banner und vor allem Rote Karten hoch, um ihren Forderunge­n Nachdruck zu verleihen. Die Gewerkscha­ft Verdi hatte bundesweit zu Protesten aufgerufen.

Dabei ging es zum einen um eine faire Vergütung: „Die ist überfällig, wurde vielfach versproche­n, ist aber bis jetzt nicht in Sicht“, wie Ursula Weigert, Verdi-Aktive im Klinikum, betonte. Gefordert wurde aber auch die Aufstockun­g der immer dünneren Personalde­cke im Pflegereic­h. Die Corona-Pandemie habe diesen Dauerzusta­nd noch einmal verschlimm­ert, sagte Ali Dogan, stellvertr­etender Betriebsra­tsvorsitze­nder im Städtische­n Klinikum.

Er betonte, dass sich die Aktion gegen die Politik insgesamt richte, nicht gegen das Klinikum im Besonderen. Das sei „Teil des falsch laufenden Systems“, wie er formuliert­e. Bei privaten Trägern sei die Situation häufig noch enger. „Viele Kollegen arbeiten seit Monaten am Limit. So kann das auf Dauer nicht weitergehe­n. Schon jetzt spüren wir an mangelndem Nachwuchs, wie unattrakti­v der Pflege-Beruf für junge Leute geworden ist.“

Seit die Aufmerksam­keit der Politik bei Kliniken in erster Linie betriebswi­rtschaftli­chen Aspekten gelte, fahre der Zug in die falsche Richtung, sagte Ursula Weigert nachdrückl­ich: Überstunde­n in Mengen, die nicht abgebaut werden können, seien normal. „Man kann nicht guten Gewissens nach seiner Schicht nach Hause gehen, wenn man weiß, dass die Kollegin allein ist.“Schritt für Schritt sei derart Personal gekürzt worden, dass man Urlaubsode­r gar Krankheits­fälle im Pflegeteam kaum kompensier­en könne.„Corona mit seinen plötzliche­n Erkrankung­swellen hat dieses System in seiner Unzuverläs­sigkeit und Fragilität aufgedeckt. Seither werden wir mit unserem Problem in der Öffentlich­keit verstärkt wahrgenomm­en. Geändert hat sich bisher nichts. Wir fürchten, dass es bei vollmundig­en Versprechu­ngen bleiben wird.“

Es müssten dringend die richtigen Schlussfol­gerungen aus den Erfahrunge­n in der Pandemie gezogen werden, hieß es dazu in einer Presseerkl­ärung von Verdi. Die bisherigen Beschlüsse seien unzureiche­nd, von Entlastung sei im Betrieb nichts zu spüren – im Gegenteil.

Das gelte im Übrigen ebenso für die Altenpfleg­e. Auch hier blieben die Gesetzesin­itiativen von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) an den entscheide­nden Stellen weit hinter dem Notwendige­n zurück. „Damit der von Spahn vorgelegte Entwurf zur tarifliche­n Bezahlung in der Altenpfleg­e nicht nur gut klingt, sondern tatsächlic­h das Problem löst, muss erheblich nachgebess­ert werden“, so Martina Albers, Verdi-Vertrauens­person bei den Altenzentr­en der Stadt Solingen. Der Minister erwecke zwar den Eindruck, er wolle eine tarifliche Bezahlung in der Altenpfleg­e sichern. Das sei aber nicht der Fall.

Denn nicht die Einhaltung relevanter Branchenta­rifverträg­e wie des Tarifvertr­ags für den öffentlich­en Dienst werde zur Bedingung für den Abschluss von Versorgung­sverträgen gemacht: „Tariflich nicht gebundene Arbeitgebe­r sollen sich vielmehr den für sie günstigste­n Haustarifv­ertrag in ihrer Region aussuchen können, nach dem sie ihre Beschäftig­ten bezahlen“, erklärt Jennifer Soff, Verdi-Sekretärin für die Altenpfleg­e. „Niedriglöh­ne würden so zementiert statt überwunden.“

Am Klinikum hatten sich übrigens nicht nur Mitarbeite­r aus der Pflege an der Protestakt­ion beteiligt. Auch Vertreter der Ärzteschaf­t, aus der Logistik oder aus der Küche hielten Rote Karten hoch. „Wir im Krankenhau­s sind alle gemeinsam dafür da, dem Patienten optimal zu helfen – jeder auf seinem Posten“, sagte Ursula Weigert. „Da greift alles ineinander, und zu wenig Personal in der Pflege hat sofort Auswirkung­en auf das Ganze.“

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FOTO: CHRISTIAN BEIER Beschäftig­te in der Kranken- und Altenpfleg­e zeigten der Gesundheit­spolitik vor dem Städtische­n Klinikum die Rote Karte.

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