Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Union erreicht die 30-Prozent-Marke

Die neueste „Politbarom­eter“-Umfrage sieht Gewinne bei CDU/CSU und SPD. Die neue Stärke der alten Parteien der Bundesrepu­blik eröffnet ungewohnte Bündniskon­stellation­en.

- VON MARTIN KESSLER

Die Union legt von Umfrage zu Umfrage zu und hat nach den neuesten Daten des „Politbarom­eters“der Forschungs­gruppe Wahlen zum ersten Mal seit Anfang Mai auch dort die 30-Prozent-Marke erreicht. Bei anderen Instituten lag die CDU/CSU schon vorher bei diesem Wert. Wenn also am Sonntag Bundestags­wahl wäre, käme die Union auf 30 (plus ein Prozentpun­kt) und die SPD auf 15 Prozent (plus eins). Die Grünen hingegen büßten zwei Punkte ein und würden noch 20 Prozent erreichen. FDP und AfD (je zehn Prozent) und Linke (sieben Prozent) blieben unveränder­t.

Damit würde es als Zweierbünd­nis nur für eine schwarz-grüne Koalition reichen. Als Dreierkons­tellation wäre die nach ihrer Farbenkomb­ination so genannte Deutschlan­d-Koalition (Union, SPD, FDP) möglich. Allerdings sind auch die große Koalition und ein Ampel-Bündnis (Grüne, SPD, FDP) nur zwei Prozentpun­kte von einer Mehrheit entfernt. Entschiede­n ist also noch nichts.

Die Union profitiert vor allem von der politische­n Stimmung. Werden anders als bei der Sonntagsfr­age langfristi­ge Wählerbind­ungen und taktisches Wahlverhal­ten ausgeklamm­ert, kommt die CDU/CSU auf 36 Prozent (plus zwei) und die SPD auf 16 Prozent (plus zwei), während die Grünen auch hier zwei Prozentpun­kte einbüßen und 22 Prozent erreichen. Auch die AfD (vier Prozent, minus eins) und die Linke (sechs Prozent, minus eins) verlieren leicht, während die FDP gleich bleibt (zehn Prozent).

Sollte die Union sich oberhalb von 30 Prozent festsetzen, dann ist eine Regierung jenseits der Christdemo­kraten kaum vorstellba­r. Die Marke hat deshalb für Laschet und sein Wahlkampft­eam mehr als nur symbolisch­e Bedeutung. Verstärkt sich der

Trend und bleibt die FDP gut zweistelli­g, könnte es sogar für Schwarz-Gelb wie in Nordrhein-Westfalen reichen. Das ist allerdings eher unwahrsche­inlich. Als neue Option ist die Deutschlan­d-Koalition, ein um die Liberalen erweiterte­s Bündnis der bisherigen großen Koalition, immer stärker in den Blickpunkt gerückt. Unter den Wählern hat es einen gewissen Charme, die SPD will aber raus aus der ungeliebte­n Regierungs­ehe mit der Union.

Die Grünen schneiden vor allem wegen der schlechten Werte ihrer Kanzlerkan­didatin Annalena

Baerbock derzeit schwächer ab als vor einigen Monaten. Ihre Konkurrent­en Armin Laschet (Union) und Olaf Scholz (SPD) können dagegen auch persönlich zulegen. Bei der Frage, wen man am liebsten als Bundeskanz­ler hätte, steigerte sich der Bewerber der Union von 34 auf

37 Prozent gegenüber der Umfrage von Ende Juni. Der Kandidat der SPD legte von 26 auf 28 Prozent zu. Baerbock wünschen sich nur

18 Prozent (Ende Juni: 24 Prozent) als Kanzlerin. Selbst bei den eigenen Anhängern, die sie immerhin zu 71 Prozent als neue deutsche Regierungs­chefin wünschen, liegt Baerbock nicht mehr vorn. Scholz kann bei den SPD-Wählern mit 75 Prozent Zustimmung punkten. Laschet kommt bei den Unionswähl­ern auf 74 Prozent. Noch drastische­r sind die Unterschie­de bei der Zumessung von Sachversta­nd. Den attestiere­n die meisten Wähler Scholz (30 Prozent), dann Laschet

(24 Prozent). Nur sechs Prozent billigen Baerbock die notwendige Expertise als Kanzlerin zu.

Das gleiche Bild findet sich im Ranking der zehn beliebtest­en Politiker und Politikeri­nnen. Auch hier belegt Scholz auf einer Skala von minus 5 bis plus 5 mit 1,0 den besten Platz unter den Kandidaten und landet in der Gesamtlist­e auf Rang vier hinter Kanzlerin Angela Merkel

(2,5), dem grünen Ministerpr­äsidenten von Baden-Württember­g, Winfried Kretschman­n (1,6), und dem CSU-Vorsitzend­en Markus Söder

(1,4). CDU-Chef Laschet schafft 0,5 und Platz sechs. Er verbessert sich leicht (Ende Juni: 0,4). Auf dem letzten Platz befindet sich abgeschlag­en die Grünen-Kanzlerkan­didatin, die sich mit minus 0,5 erneut deutlich verschlech­tert (Ende Juni: minus

0,1). In den Umfragen davor hatte sie stets positive Werte erzielt. Immerhin erreichte sie bei den eigenen Anhängern mit 2,7 einen ähnlichen Wert wie ihr Co-Vorsitzend­er Robert Habeck (2,8).

Noch liegen die Grünen aber weit über den Werten, die sie in den vergangene­n Wahlen erreicht haben. Das mag auch daran liegen, dass ihnen die Wähler beim Thema Klimaschut­z eine hohe Kompetenz einräumen. Die gegenwärti­ge Hochwasser­katastroph­e spielte offenbar bei der Befragung noch keine Rolle. Aber das Thema Umwelt und Klima ist nach Corona in den Augen der Wähler das zweitwicht­igste. Werden sie nach den beiden wichtigste­n Problemen befragt, nennen

50 Prozent die Corona-Pandemie und 34 Prozent den Klimaschut­z.

Die Grünen schneiden vor allem wegen der

schlechten Werte ihrer Kanzlerkan­didatin

schwächer ab

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