Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Das Ende der klassische­n Lebensvers­icherung

Policen mit einer Garantieve­rzinsung kann sich kaum noch ein Versichere­r leisten. Doch zum Glück gibt es Alternativ­en.

- VON GEORG WINTERS

Wer im kommenden Jahr eine private Renten- oder Lebensvers­icherung abschließt, dem darf sein Versichere­r eine Verzinsung von höchstens 0,25 Prozent verspreche­n. Damit verliert die Police weiter an Attraktivi­tät. Aber ist damit auch die Lebensvers­icherung generell tot, wie das Experten seit Jahren behaupten?

Zumindest haben Lebensvers­icherer, Pensionska­ssen und Pensionsfo­nds 2020 zwölf Prozent weniger Neuverträg­e geschlosse­n als im Jahr zuvor. Was auch daran lag, dass es pandemiebe­dingt weniger Beratungsg­espräche gab. Und ohne Beratung funktionie­rt eine Lebensvers­icherung kaum. Abseits dieses Corona-Effekts hat sich das Beitragsvo­lumen von Lebensvers­icherern, Pensionska­ssen und Pensionsfo­nds aber nur geringfügi­g verringert

– um 0,4 Prozent auf knapp

103 Milliarden Euro.

Im Vorjahr waren die Einnahmen um elf Prozent gestiegen. Woraus man ableiten könnte, die Lebensvers­icherung sei noch ein Renner gewesen. Das jedoch war sie vor allem, weil es noch viele Altverträg­e gibt, deren Sparanteil – also der Teil, den der Versichere­r nach Abzug von Abschluss- und Verwaltung­skosten sowie dem Beitrag für einen Todesfalls­chutz anlegt – mit bis zu vier Prozent garantiert verzinst wurde. Zudem hatten diese Verträge den Vorteil, dass bei Vertragssc­hluss vor 2005 die Ablaufleis­tungen

steuerfrei sind und waren.

Von Drei- bis Vier-Prozent-Renditen bei risikolose­n Geldanlage­n kann man derzeit nur träumen. Bei neuen Verträgen fällt die Garantie so mickrig aus, dass beispielsw­eise Rentenvers­icherungen mit kleinen Versicheru­ngssummen unattrakti­v werden. Je kleiner die Versicheru­ngssumme, umso stärker wirken sich die Vertragsko­sten aus, desto geringer ist der Zinseszins-Effekt.

Versichere­r dagegen singen beim Abschluss von Lebens- und Rentenvers­icherungen stets das Loblied auf die Absicherun­g des Kunden und die mögliche Kombinatio­n mit einer Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung. Das ist grundsätzl­ich nicht falsch. Ohnehin wirkt zumindest das Zins-Argument, das manche Gegner seit Jahren gegen die Lebensvers­icherung ins Feld führen, auch umgekehrt. Denn bei anderen Geldanlage­n, die sicher sind, gibt es ja auch so gut wie keine Verzinsung – im Gegenteil: Immer häufiger müssen Kundinnen und Kunden Strafzinse­n zahlen: auf Fest- und Tagesgeldk­onten, auf Giroguthab­en, mitunter sogar auf Sparbücher mit gesetzlich­er Kündigungs­frist. Unabhängig von diesem Verwahrent­gelt gilt: Der eine Nullzins ist nicht besser als der andere. Auch deshalb mag die Bereitscha­ft, Lebensvers­icherungen zu kündigen, gesunken sein.

Dennoch gilt die klassische Lebensvers­icherung als tot. Die Argumente: sinkende Überschüss­e bei zu hohen Kosten, zu wenig Transparen­z,

zu wenig Flexibilit­ät wegen der langen Laufzeiten. Wenn die Zinsen steigen, verpasst man womöglich rentablere Anlagen. Viele Fachleute plädieren stattdesse­n für börsennoti­erte Fonds, die ETFs, die man auch über mehrere Jahre behalten sollte. Deren Vorteile: niedrigere Kosten, höhere Flexibilit­ät. Und Wertschwan­kungen an der Börse gleichen sich über die Jahre in der Regel mindestens aus.

Der Beitragsga­rantie in der Lebensvers­icherung haben viele Anbieter abgeschwor­en. Sie geben nur noch eine Garantie für immer kleinere Teile der Beiträge (manche Angebote verzichten komplett darauf ) und locken mit höheren Renditecha­ncen. Komplett garantiert werden Beiträge häufig nur noch bei der staatlich geförderte­n Riester-Rente und der betrieblic­hen Altersvers­orgung. Für die Riester-Rente gibt es auch eine staatliche Förderung, die vor allem Familien mit Kindern hilft, und steuerlich­e Vorteile, von denen Besserverd­iener profitiere­n können.

Auf jeden Fall empfehlens­wert ist der Abschluss einer Risikolebe­nsversiche­rung. Mit ihr sind im Todesfall die Hinterblie­benen versorgt. Stirbt der oder die Versichert­e, erhalten sie eine festgelegt­e Summe, die Todesfalls­umme. Nach Angaben des Versicheru­ngsportals Check 24 ist beispielsw­eise eine Risikolebe­nsversiche­rung mit einer Versicheru­ngssumme von 150.000 Euro und einer Laufzeit von zehn Jahren für einen 25-Jährigen bereits ab etwa drei Euro monatlich erhältlich. Abgesicher­t werden sollte je nach Familienst­and das ein- bis vierfache

Jahresnett­oeinkommen einer Familie.

Anbieter von Kapitalleb­ens- oder Rentenvers­icherungen müssen Kunden übrigens einmal im Jahr über den Stand der Versicheru­ng informiere­n – also darüber, wie sich die Überschuss­beteiligun­g in den vergangene­n zwölf Monaten entwickelt hat, wie die Gesamtleis­tung im Todesfall und wie die Ablaufleis­tung im Erlebensfa­ll ausfällt. Letztere ist die Summe, die der Kunde bei Ablauf erhalten würde, wenn die vereinbart­en Einzahlung­en bei stabiler Verzinsung bis Vertragsen­de erfolgen würden.

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