Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Das Ende der klassischen Lebensversicherung
Policen mit einer Garantieverzinsung kann sich kaum noch ein Versicherer leisten. Doch zum Glück gibt es Alternativen.
Wer im kommenden Jahr eine private Renten- oder Lebensversicherung abschließt, dem darf sein Versicherer eine Verzinsung von höchstens 0,25 Prozent versprechen. Damit verliert die Police weiter an Attraktivität. Aber ist damit auch die Lebensversicherung generell tot, wie das Experten seit Jahren behaupten?
Zumindest haben Lebensversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds 2020 zwölf Prozent weniger Neuverträge geschlossen als im Jahr zuvor. Was auch daran lag, dass es pandemiebedingt weniger Beratungsgespräche gab. Und ohne Beratung funktioniert eine Lebensversicherung kaum. Abseits dieses Corona-Effekts hat sich das Beitragsvolumen von Lebensversicherern, Pensionskassen und Pensionsfonds aber nur geringfügig verringert
– um 0,4 Prozent auf knapp
103 Milliarden Euro.
Im Vorjahr waren die Einnahmen um elf Prozent gestiegen. Woraus man ableiten könnte, die Lebensversicherung sei noch ein Renner gewesen. Das jedoch war sie vor allem, weil es noch viele Altverträge gibt, deren Sparanteil – also der Teil, den der Versicherer nach Abzug von Abschluss- und Verwaltungskosten sowie dem Beitrag für einen Todesfallschutz anlegt – mit bis zu vier Prozent garantiert verzinst wurde. Zudem hatten diese Verträge den Vorteil, dass bei Vertragsschluss vor 2005 die Ablaufleistungen
steuerfrei sind und waren.
Von Drei- bis Vier-Prozent-Renditen bei risikolosen Geldanlagen kann man derzeit nur träumen. Bei neuen Verträgen fällt die Garantie so mickrig aus, dass beispielsweise Rentenversicherungen mit kleinen Versicherungssummen unattraktiv werden. Je kleiner die Versicherungssumme, umso stärker wirken sich die Vertragskosten aus, desto geringer ist der Zinseszins-Effekt.
Versicherer dagegen singen beim Abschluss von Lebens- und Rentenversicherungen stets das Loblied auf die Absicherung des Kunden und die mögliche Kombination mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Das ist grundsätzlich nicht falsch. Ohnehin wirkt zumindest das Zins-Argument, das manche Gegner seit Jahren gegen die Lebensversicherung ins Feld führen, auch umgekehrt. Denn bei anderen Geldanlagen, die sicher sind, gibt es ja auch so gut wie keine Verzinsung – im Gegenteil: Immer häufiger müssen Kundinnen und Kunden Strafzinsen zahlen: auf Fest- und Tagesgeldkonten, auf Giroguthaben, mitunter sogar auf Sparbücher mit gesetzlicher Kündigungsfrist. Unabhängig von diesem Verwahrentgelt gilt: Der eine Nullzins ist nicht besser als der andere. Auch deshalb mag die Bereitschaft, Lebensversicherungen zu kündigen, gesunken sein.
Dennoch gilt die klassische Lebensversicherung als tot. Die Argumente: sinkende Überschüsse bei zu hohen Kosten, zu wenig Transparenz,
zu wenig Flexibilität wegen der langen Laufzeiten. Wenn die Zinsen steigen, verpasst man womöglich rentablere Anlagen. Viele Fachleute plädieren stattdessen für börsennotierte Fonds, die ETFs, die man auch über mehrere Jahre behalten sollte. Deren Vorteile: niedrigere Kosten, höhere Flexibilität. Und Wertschwankungen an der Börse gleichen sich über die Jahre in der Regel mindestens aus.
Der Beitragsgarantie in der Lebensversicherung haben viele Anbieter abgeschworen. Sie geben nur noch eine Garantie für immer kleinere Teile der Beiträge (manche Angebote verzichten komplett darauf ) und locken mit höheren Renditechancen. Komplett garantiert werden Beiträge häufig nur noch bei der staatlich geförderten Riester-Rente und der betrieblichen Altersversorgung. Für die Riester-Rente gibt es auch eine staatliche Förderung, die vor allem Familien mit Kindern hilft, und steuerliche Vorteile, von denen Besserverdiener profitieren können.
Auf jeden Fall empfehlenswert ist der Abschluss einer Risikolebensversicherung. Mit ihr sind im Todesfall die Hinterbliebenen versorgt. Stirbt der oder die Versicherte, erhalten sie eine festgelegte Summe, die Todesfallsumme. Nach Angaben des Versicherungsportals Check 24 ist beispielsweise eine Risikolebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 150.000 Euro und einer Laufzeit von zehn Jahren für einen 25-Jährigen bereits ab etwa drei Euro monatlich erhältlich. Abgesichert werden sollte je nach Familienstand das ein- bis vierfache
Jahresnettoeinkommen einer Familie.
Anbieter von Kapitallebens- oder Rentenversicherungen müssen Kunden übrigens einmal im Jahr über den Stand der Versicherung informieren – also darüber, wie sich die Überschussbeteiligung in den vergangenen zwölf Monaten entwickelt hat, wie die Gesamtleistung im Todesfall und wie die Ablaufleistung im Erlebensfall ausfällt. Letztere ist die Summe, die der Kunde bei Ablauf erhalten würde, wenn die vereinbarten Einzahlungen bei stabiler Verzinsung bis Vertragsende erfolgen würden.