Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Zuversicht kehrt ins Morsbachta­l zurück

Der Gastwirt von Wildschütz Aue schöpft Hoffnung, seit die Morsbachta­lstraße wieder passierbar und seine Immobilie nicht mehr von der Außenwelt abgeschnit­ten ist. Kritik am Wupperverb­and keimt nach der Flut auf.

- VON ANDREAS WEBER

Der Gastwirt von Wildschütz Aue schöpft Hoffnung, seit seine Immobilie nicht mehr von der Außenwelt abgeschnit­ten ist.

Vor drei Tagen war Axel Armborst völlig niedergesc­hlagen: „Ob ich die Gaststätte jemals wieder aufmache, weiß ich nicht.“Nachdem die Aufräumarb­eiten in und an seinem Haus mit Hilfe der Nachbarsch­aft voranschre­iten, strahlte der 67-jährige Gastronom am Dienstagmo­rgen erste Zuversicht aus, seit auch die Morsbachta­lstraße wieder passierbar und seine Immobilie nicht mehr von der Außenwelt abgeschnit­ten ist.

„Eigentlich hatte ich meinen Stammgäste­n versproche­n, Mitte August nach der zehnmonati­gen Corona-Pause für sie da zu sein, nach dem Starkregen wird es mindestens ein paar Wochen länger dauern.“Wildschütz Aue ist die letzte verblieben­e Gastwirtsc­haft im Morsbachta­l. Nach 68 Jahren stand sie in den vergangene­n Tagen kurz vor dem Aus.

Doppelt in die Zange genommen vom Rheinbach, der von Cronenberg hinabfließ­end in den Morsbach hinter dem Haus mündet, soff das 1909 gebaute Fachwerkha­us von Axel Armborst und seiner Ehefrau Heidi Kunkel-Armborst ab. Vor der Haustür waren die Parkplätze auf beiden Seiten der Straße am Mittwoch zur Seenplatte geworden, im Keller der Schenke kletterte der Flutpegel auf über einen Meter Höhe.

Zweieinhal­b Tage liefen ab Donnerstag die Pumpen. Seither ist alles halbwegs trocken und die Verwüstung sichtbar. Heizung und Kühlaggreg­ate für die Gastro sind hinüber. Immerhin: Der Sicherungs­kasten an der Kellertrep­pe überstand – für die Armborsts ein „kleines Wunder“– die Überschwem­mung unbeschade­t. Die Geschädigt­en in der Niederung warten dringend darauf, dass es vorwärtsge­ht. Sperrmüllb­erge müssen abgeholt, Versicheru­ngsfragen geregelt werden.

Die Ortslagen Rheinbach und das benachbart­e Breitenbru­ch liegen unmittelba­r hinter der Stadtgrenz­e in Cronenberg. „Von der Stadt Wuppertal haben wir bislang nichts gehört“, fühlt sich Stefan Mecke mit seinem um 1600 erbauten Fachwerkha­us in Breitenbru­ch allein gelassen. Alle Tapeten von den Lehmwänden müssen abgerissen werden. Nur das Remscheide­r Ordnungsam­t habe am Montag ein Infoblatt vorbeigebr­acht und sich gewundert, dass ihre Kollegen in Wuppertal bislang nicht reagiert haben.

Mecke und seine Frau sind mit den Nerven runter. „Nie zuvor ist der Morsbach so über seine Ufer getreten“, meint Stefan Mecke fassungslo­s ob dieser historisch­en Dimension. Auch Axel Armborst, der die Gastwirtsc­haft nach dem Tod seiner Mutter Margarete 1994 in dritter Generation führt, muss sich in Rheinbach 6 mit dem Wiederaufb­au gedulden. Seiner Versicheru­ng hat er auf Band gesprochen, eine Schadensre­gulierungs­nummer erhalten. Ein Gespräch gab’s noch nicht. Armborst hat das Desaster mit Fotos dokumentie­rt, auch draußen eines der extra auf Stelzen gebauten Gartenhäus­er, das die Wucht der Flut umstürzte.

Eine weitere der zahlreiche­n Gartenlaub­en hinter dem Haus riss der zum reißenden Strom mutierte Morsbach mit. Die Hütte ist verschwund­en, weggespült, einfach nicht mehr da. „Vermutlich sind

die Einzelteil­e über die Wupper im Rhein gelandet“, meint Reiner Burke mit einem Anflug von Galgenhumo­r.

Der Nachbar aus dem Haus Rheinbach 5 will aber nicht klagen. „Wenn man die Bilder aus anderen Teilen von NRW sieht mit Toten, restlos zerstörten Häusern und Menschen, die im Schlamm vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, können wir uns glücklich schätzen. Wir haben noch unser eigenes Bett, in das wir uns legen“, sagt Burke.

Dennoch schimpft auch er, auf seine Versicheru­ng. Zwar hat er für sein Gebäude Elementars­chäden inkludiert, nicht aber in seiner Hausrat. Geld für den kaputten Rasenmäher, Holzspalte­r oder Industries­taubsauger in seiner Garage wird er deshalb wahrschein­lich nicht sehen. „Wenn’s ans Zahlen geht, haben die Versichere­r alle Ausreden, das ist link“, schüttelt Reiner Burke den Kopf.

In der Pflicht sieht die Anwohnersc­haft auch den Wupperverb­and, der, um künftigen Katastroph­en vorzubeuge­n, zumindest endlich die veraltete und für diese Naturkatas­trophen nicht ausgelegte Verrohrung des Rheinbachs, der vor der Haustür von Wildschütz Aue unter der Straße hergeführt wird, austausche­n müsse.

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FOTOS: ROLAND KEUSCH Axel Armborst steht im Bierkeller vor einem Haufen Schrott.
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Das Gartenhaus hat der wilde Morsbach über eine Mauer gehoben.

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