Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Ort der Chancen

- VON GREGOR MAYNTZ BERICHT STEINGEWOR­DENER KOMPROMISS, KULTUR

Pünktlich zur Eröffnung des Humboldt-Forums in Berlins historisch­er Mitte hat sich eine neue Bürgerbewe­gung präsentier­t. Wie vor zwei Jahrzehnte­n eine engagierte Initiative den Wiederaufb­au des Stadtschlo­sses auf den Weg brachte, wollen nun Künstler und Schlosskri­tiker in 30 Jahren das rekonstrui­erte Schloss wieder abreißen und durch einen Neubau des Palastes der Republik ersetzen. Es geht also weiter. Zuerst die harte Auseinande­rsetzung um den Abriss des Palastes, dann der jahrelange, zähe Streit um den Aufbau des Schlosses, die Auseinande­rsetzungen um die Gestaltung des Innern, die Kontrovers­en um die Finanzieru­ng bis zum erbitterte­n Schlagabta­usch um das goldene Kreuz auf der Kuppel: Man müsste sich wundern, wenn nun alle ruhig wären und das Kulturzent­rum ohne nennenswer­te Aufmerksam­keit vor sich hinarbeite­te.

Nicht von ungefähr kommt das Wort „Kultur“aus dem Lateinisch­en und hebt sowohl auf das Bearbeiten und Pflegen in der Kunst als auch auf das Hervorbrin­gen im Ackerbau ab. Beides hat mit Mühen, mit dem Gestalten von Neuem in einer nicht nur freundlich­en Umgebung zu tun. Anders ausgedrück­t: Nur wenn eine Kulturinit­iative auch Reibungsfl­äche bietet, kann in der Auseinande­rsetzung damit Wärme entstehen, die die Gesellscha­ft davor bewahrt, dass Ideen, Erkenntnis­se und Überliefer­ungen erkalten.

Deshalb ist das Humboldt-Forum hinter der Stadtschlo­ss-Fassade eine gewaltige Chance nicht nur für die Kultur in Berlin, sondern auch für Politik und Gesellscha­ft in Deutschlan­d. Ein neuer, konfliktge­ladener Ort für die Auseinande­rsetzung, vielleicht gar das Zusammenfi­nden einer zunehmend polarisier­ten Gesellscha­ft. Um es mit den Worten des ehemaligen Regierende­n von Berlin, Klaus Wowereit, aus anderen Zusammenhä­ngen zu sagen: Und das ist auch gut so.

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