Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
In NRW drohen neue Einschränkungen
Noch sind die Inzidenzen im Land relativ niedrig, doch sie steigen. Experten mahnen zur Wachsamkeit.
Während in Großbritannien am Montag der „Tag der Freiheit“gefeiert wurde, an dem die Corona-Beschränkungen wegfielen, blickt Nordrhein-Westfalen sogenvoll auf die steigenden Inzidenzen. Am Dienstag liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in NRW bei 13, eine Woche zuvor war sie noch bei 7,1. Die Landeshauptstadt weist damit den zweithöchsten Wert im Land (29,3) auf. Nur Solingen liegt mit einer Inzidenz von 29,5 noch höher.
Ortwin Adams ist Leiter der Virologischen Diagnostik des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Er sagt, ab einer Inzidenz von 35 werde es schwierig bis unmöglich, alle Kontakte von Infizierten nachzuverfolgen. „Je höher die Zahlen dann steigen, desto mehr verliert man die Kontrolle über das Geschehen. Man muss dann wieder zu Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen greifen“, sagt er.
Düsseldorf hatte es seit deren Einführung Anfang des Monats nie in die Inzidenzstufe 0 geschafft. Bei einer stabilen Inzidenz unter zehn für mindestens fünf Tage in einer Stadt oder einem Kreis fällt dann die Maskenpflicht – außer im öffentlichen Nahverkehr, in Taxis, in Schulen, in Arztpraxen und im Einzelhandel. Auch die Kontaktbeschränkungen gelten dann nicht mehr, die Abstandsregeln sind im privaten Umfeld nur noch Empfehlung. Volksfeste und die Öffnung von Diskotheken sind möglich. Der Schritt zurück zur Inzidenzstufe 1 (Inzidenzwert zwischen 10 und 35) findet erst statt, wenn die Inzidenz für mindestens acht Tage über dem Wert von zehn liegt.
Doch in der vergangenen Woche stieg die Inzidenz zum Beispiel in den Kreisen Höxter, Mettmann und Kleve über die Marke von zehn. Bleibt das so, finden sie sich in der Inzidenzstufe 1 wieder. Das heißt zum Beispiel für die Kontaktbeschränkungen: Treffen im öffentlichen Raum sind ohne Begrenzung erlaubt für Angehörige aus fünf Haushalten; außerdem für 100 Personen mit negativem Test aus beliebig vielen Haushalten. Solange
die Landesinzidenz unter 35 ist, bleibt auch die Innengastronomie ohne Test zugänglich. Großveranstaltungen, offene Diskotheken und Volksfeste sind in dieser Inzidenzstufe nicht erlaubt. Aktuell befindet sich die Mehrheit der Städte und Kreise in NRW in dieser Stufe.
Was Düsseldorf aktuell droht, ist die Inzidenzstufe 2. Sollte die Inzidenz an drei aufeinander folgenden Tagen – nicht wie beim Sprung zur Stufe 1 an acht Tagen – über 35 liegen, gelten ab dem übernächsten Tag wieder Einschränkungen.
Noch seien die Zahlen in Düsseldorf
medizinisch betrachtet noch kein Grund zur Beunruhigung, so Medinziner Adams. Man müsse sie aber im Auge behalten. Derzeit seien noch weniger als zehn Personen wegen einer Covid-Infektion an der Uni-Klinik in Behandlung. „Grundsätzlich wird von den infizierten Menschen aber ein gewisser Anteil dann auch so schwer erkranken, dass eine Behandlung im Krankenhaus notwendig wird“, sagt er.
Inwiefern die Sieben-Tage-Inzidenz allerdings überhaupt noch aussagekräftig ist, darüber debattieren derzeit viele. Mit einer zunehmenden Impfrate, die schwere Verläufe reduziert, könnte sie irreführend sein. Denn wenn prozentual weniger Menschen an schweren Krankheitsverläufen leiden, entlaste das auch das Gesundheitssystem. Aber: „Nicht weniger Menschen müssten stationär behandelt werden, sondern ein geringerer Anteil der Infizierten“, so Adams. Vor allem für die Nicht-Geimpften bestehe immer noch eine Gefahr, man dürfe die Fallzahlen nicht unendlich nach oben treiben lassen.