Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Rechtzeiti­g gewarnt, aber zu spät gehandelt

- VON MARTIN KESSLER DAS PROTOKOLL DER KATASTROPH­E, POLITIK

Es ist noch zu früh, eine Bilanz der verheerend­en Hochwasser­katastroph­e im Westen Deutschlan­ds zu ziehen. Aber Fragen drängen sich schon auf, und einige Fakten haben sich bereits jetzt herauskris­tallisiert. Deshalb ist es durchaus Zeit für ein Zwischenfa­zit.

Eines kann man vorneweg sagen: Die Warnung vor dem Unwetter ist rechtzeiti­g erfolgt, auch wenn wichtige Details fehlten. Die Reaktion darauf verlief allerdings uneinheitl­ich. Und wie so vieles in Deutschlan­d sind die Wege der Informatio­n, der Koordinier­ung und der Ausführung äußerst verschlung­en. So richtig es ist, dass die Kommunen vor Ort mit lokalen Naturereig­nissen umgehen, so zutreffend ist es auch, dass diese Katastroph­e die Gemeinden überforder­t hat. Es wäre voreilig, nun den Schuldigen beim Land zu sehen. Aber dort hat man die Lage nach den üblichen Mustern abgearbeit­et und sich starr an die Regeln des eingeübten Katastroph­enschutzes gehalten. Für das Ausmaß eines Jahrhunder­thochwasse­rs war das zu wenig. Ein Helmut Schmidt, wie seinerzeit bei der Flut in Hamburg, war nirgends zu sehen.

Und ein zweites hat das schlimme Unwetter gezeigt. Es hat die Schwächen des aktuellen Systems offengeleg­t. Der Katastroph­enschutz in Deutschlan­d ist zu komplex und zu umständlic­h. Wenn es auf Geschwindi­gkeit und schnelle Entscheidu­ngen ankommt, müssen Informatio­nswege vereinfach­t und Koordinier­ungsstelle­n gestärkt werden. Die Technologi­e dafür ist da – sowohl analog, etwa über Sirenen, als auch digital, etwa über Warnapps und neue Medien. Da solche Großwetter­lagen angesichts des Klimawande­ls noch öfter zu erwarten sind, muss das Krisenmana­gement angepasst werden. Noch ist es die Zeit der Hilfe. Aber die Vorsorge vor der nächsten Umweltkata­strophe ist genauso wichtig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany