Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Der Müll muss so schnell wie möglich aus dem Dorf“

Tobias Nieswandt ist Chef einer Landschaft­sbaufirma in Bad Münstereif­el. Seit Tagen schaufelt er Unrat aus seinem Heimatdorf auf provisoris­che Kippen.

- VON CLAUDIA HAUSER

Meterhoch stapelt sich am Rande von Kirspenich der Schutt. Reste von Schränken, kaputte Regale, durchnässt­e Teppiche – das Wasser der Erft hat auch in dem Ort im Kreis Euskirchen vieles zerstört. Gegenüber dem Schuttberg hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Dienstag die Arloffer Thonwerke besucht. In den alten Fabrikhall­en stehen Kleider, Schuhe und jede Menge Lebensmitt­el für die Flutopfer bereit. „Ich finde es gut, dass sie da war“, sagt Marc Heinen, der gerade das Haus seiner Schwiegere­ltern ausräumt. „Man nimmt ihr ab, dass sie betroffen ist. Sie ist ja nicht auf Stimmenfan­g.“

Heinen arbeitet bei der Gartenund Landschaft­sbaufirma Greenworx in Bad Münstereif­el. Sein Chef

Tobias Nieswandt ist mit allen Mitarbeite­rn und sämtlichen Tiefladern und Baggern seit Tagen im Einsatz, um die Sperrmüll-Massen aus den Häusern auf die Kippen zu schaffen. Allein in Kirspenich, einem Stadtteil von Bad Münstereif­el, gibt es vier provisoris­che Kippen, die kaum zu überblicke­n sind. Nieswandt hat seinen Familienur­laub an der Mecklenbur­gischen Seenplatte abgebroche­n und ist über Nacht nach Hause gefahren, als das Hochwasser kam. „Ich war selbst betroffen, mein Keller war vollgelauf­en“, sagt der 41-Jährige. „Ich habe dann morgens gleich meine Mitarbeite­r aktiviert und wir haben angefangen, Fluchtwege und Straßen freizuräum­en, und danach entschiede­n: Der Müll muss so schnell wie möglich aus dem Dorf.“Er schätzt, inzwischen in mehreren Ortschafte­n mit seinen Kollegen um die 2000 Tonnen Schutt weggebrach­t zu haben.

Der nasse Sperrmüll türmt sich auch in vielen anderen Orten an den Straßen. Die Abfallunte­rnehmen arbeiten in allen Katastroph­engebieten auf Hochtouren. Doch jeden Tag kommt bergeweise neuer Müll hinzu. In Groß-Vernich

in der Gemeinde Weilerswis­t wird alles auf einem Sportplatz gesammelt und vorsortier­t. Sammelplät­ze gibt es in sämtlichen betroffene­n Orten, da die Müllabfuhr­en noch gar nicht in alle Straßen fahren können, wie Joachim Schölzel von der Rhein-Sieg-Abfallwirt­schaftsges­ellschaft sagt. „Wir appelliere­n an die Kommunen, diese Sammelstel­len auf festem Untergrund wie Asphalt einzuricht­en und nicht auf Wiesen und Äckern“, sagt Schölzel. Nur so könnten keine schädliche­n Flüssigkei­ten ins Grundwasse­r gelangen, wenn es wieder regnet. All der gesammelte Bauschutt und Müll kann nicht einfach in Müllverbre­nnungsanla­gen entsorgt werden. „Es gibt Zwischenla­ger, wo der Müll mit Hilfe von Greifern vorsortier­t wird, wir müssen etwa Metalle, Elektroger­äte und Matratzen rausziehen“, sagt Schölzel.

Auch andere Abfallents­orger sind in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Dauereinsa­tz. Sie kümmern sich nicht nur um Sperrmüll, Elektrosch­rott und Bauschutt, sondern stellen etwa im Ahrtal auch mobile Toiletten auf. Der Leverkusen­er Abfallents­orger Avea setzt zur

Beseitigun­g des Hochwasser-Mülls zusätzlich­e Fahrzeuge einer Baden-Württember­ger Firma ein. Der Bagger und zwei Spezialfah­rzeuge für den Transport von Containern können 36 Kubikmeter Abfall aufnehmen, wie ein Sprecher sagt. Im Rhein-Sieg-Kreis könnten in der kommenden Woche Mitarbeite­r der Kölner Abfallwirt­schafts-Betriebe helfen. „Das haben sie uns angeboten“, sagt Schölzel.

Auch für Tobias Nieswandt und seine Leute aus Kirspenich ist noch kein Ende der Arbeit in Sicht. Sie sind nach einer Woche ehrenamtli­cher Arbeit nun offiziell im Auftrag der Stadt und des Erft-Verbandes im Einsatz, um die Erft freizuräum­en. Vor neuem Regen am Wochenende hat Nieswandt keine Angst. „Was soll passieren?“, fragt er. „Es ist ja schon alles kaputt.“

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FOTO: C. HAUSER Tobias Nieswandt (2.v.l.) mit seinen Helfern Manuel Schneider, Christian May, Danny Buitelaar, Markus Biermann und Alex Keil (v.l.).

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