Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Der Müll muss so schnell wie möglich aus dem Dorf“
Tobias Nieswandt ist Chef einer Landschaftsbaufirma in Bad Münstereifel. Seit Tagen schaufelt er Unrat aus seinem Heimatdorf auf provisorische Kippen.
Meterhoch stapelt sich am Rande von Kirspenich der Schutt. Reste von Schränken, kaputte Regale, durchnässte Teppiche – das Wasser der Erft hat auch in dem Ort im Kreis Euskirchen vieles zerstört. Gegenüber dem Schuttberg hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag die Arloffer Thonwerke besucht. In den alten Fabrikhallen stehen Kleider, Schuhe und jede Menge Lebensmittel für die Flutopfer bereit. „Ich finde es gut, dass sie da war“, sagt Marc Heinen, der gerade das Haus seiner Schwiegereltern ausräumt. „Man nimmt ihr ab, dass sie betroffen ist. Sie ist ja nicht auf Stimmenfang.“
Heinen arbeitet bei der Gartenund Landschaftsbaufirma Greenworx in Bad Münstereifel. Sein Chef
Tobias Nieswandt ist mit allen Mitarbeitern und sämtlichen Tiefladern und Baggern seit Tagen im Einsatz, um die Sperrmüll-Massen aus den Häusern auf die Kippen zu schaffen. Allein in Kirspenich, einem Stadtteil von Bad Münstereifel, gibt es vier provisorische Kippen, die kaum zu überblicken sind. Nieswandt hat seinen Familienurlaub an der Mecklenburgischen Seenplatte abgebrochen und ist über Nacht nach Hause gefahren, als das Hochwasser kam. „Ich war selbst betroffen, mein Keller war vollgelaufen“, sagt der 41-Jährige. „Ich habe dann morgens gleich meine Mitarbeiter aktiviert und wir haben angefangen, Fluchtwege und Straßen freizuräumen, und danach entschieden: Der Müll muss so schnell wie möglich aus dem Dorf.“Er schätzt, inzwischen in mehreren Ortschaften mit seinen Kollegen um die 2000 Tonnen Schutt weggebracht zu haben.
Der nasse Sperrmüll türmt sich auch in vielen anderen Orten an den Straßen. Die Abfallunternehmen arbeiten in allen Katastrophengebieten auf Hochtouren. Doch jeden Tag kommt bergeweise neuer Müll hinzu. In Groß-Vernich
in der Gemeinde Weilerswist wird alles auf einem Sportplatz gesammelt und vorsortiert. Sammelplätze gibt es in sämtlichen betroffenen Orten, da die Müllabfuhren noch gar nicht in alle Straßen fahren können, wie Joachim Schölzel von der Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft sagt. „Wir appellieren an die Kommunen, diese Sammelstellen auf festem Untergrund wie Asphalt einzurichten und nicht auf Wiesen und Äckern“, sagt Schölzel. Nur so könnten keine schädlichen Flüssigkeiten ins Grundwasser gelangen, wenn es wieder regnet. All der gesammelte Bauschutt und Müll kann nicht einfach in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden. „Es gibt Zwischenlager, wo der Müll mit Hilfe von Greifern vorsortiert wird, wir müssen etwa Metalle, Elektrogeräte und Matratzen rausziehen“, sagt Schölzel.
Auch andere Abfallentsorger sind in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Dauereinsatz. Sie kümmern sich nicht nur um Sperrmüll, Elektroschrott und Bauschutt, sondern stellen etwa im Ahrtal auch mobile Toiletten auf. Der Leverkusener Abfallentsorger Avea setzt zur
Beseitigung des Hochwasser-Mülls zusätzliche Fahrzeuge einer Baden-Württemberger Firma ein. Der Bagger und zwei Spezialfahrzeuge für den Transport von Containern können 36 Kubikmeter Abfall aufnehmen, wie ein Sprecher sagt. Im Rhein-Sieg-Kreis könnten in der kommenden Woche Mitarbeiter der Kölner Abfallwirtschafts-Betriebe helfen. „Das haben sie uns angeboten“, sagt Schölzel.
Auch für Tobias Nieswandt und seine Leute aus Kirspenich ist noch kein Ende der Arbeit in Sicht. Sie sind nach einer Woche ehrenamtlicher Arbeit nun offiziell im Auftrag der Stadt und des Erft-Verbandes im Einsatz, um die Erft freizuräumen. Vor neuem Regen am Wochenende hat Nieswandt keine Angst. „Was soll passieren?“, fragt er. „Es ist ja schon alles kaputt.“