Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Hoffnung auf die Kombi-Impfung
Das US-Unternehmen Novavax hat Studien vorgelegt, wonach sein Impfstoff gegen Grippe und Corona hilft. Die Welt erwartet nun viel. Pharmaspezialist von der Ostküste
Jene, die im Frühjahr schon zweimal gegen Covid-19 geimpft worden sind, könnten im Herbst schon vor der Auffrischungsimpfung stehen. Das könnte dann zeitlich in etwa parallel mit der jährlichen Grippeschutzimpfung laufen. Also zweimal binnen kurzer Zeit zum Piksen in die Arztpraxis? Wenn der Impfstoff des US-Unternehmens Novavax das hält, was er verspricht, könnte das unnötig sein.
Der Pharmahersteller hat jetzt eine Studie vorgelegt, derzufolge ein neuer Impfstoff vor dem Coronavirus (einschließlich der Delta-Variante) und vor den gängigen Influenza-Stämmen A und B schützt. Der Impfstoff heißt qNIV/CoV2373 und ist nach Unternehmensangaben die Kombination eines Grippe- und des Corona-Vakzins, dessen Zulassung Novavax Ende September sowohl in den USA als auch in der Europäischen Union beantragen will. In der EU läuft bereits ein beschleunigtes
Prüfverfahren, das nach einer formalen Antragstellung die Zeit bis zur Zulassung für das Novavax-Vakzin verkürzen könnte.
Hoffnungen auf eine Kombi-Impfung entfachen nicht nur Euphorie bei möglichen Impflingen, sondern offensichtlich auch bei Aktionären. Von denen nimmt dann manch einer bei so positiv anmutenden Unternehmensnachrichten auch gerne Gewinne mit. So etwa am Dienstagabend europäischer Zeit, als der Kurs der Novavax-Aktie binnen weniger Stunden um zwölf Prozent in die Knie ging, nachdem er zuvor in der Hoffnung auf die Kombi-Impfung binnen eines Tages um 20 Prozent gestiegen war.
Wenn der Börsenkurs derart Achterbahn fährt, ist andererseits immer ein wenig Vorsicht geboten – auch bei einem Impfstoff, den natürlich viele herbeisehnen, weil mit dem Novavax-Impfstoff auch eine Grippeimpfung verabreicht werden könnte. Doch was das angeht, gibt es bisher nur präklinische Untersuchungen
Unternehmen
Novavax wurde 1987 gegründet und hat seinen Sitz im US-Bundesstaat Maryland an der Ostküste.
Zahlen
Das Unternehmen setzte zuletzt mit knapp 800 Mitarbeitern etwa 480 Millionen USDollar um.
Aktie
Das Papier ist an der Technologiebörse Nasdaq gelistet.
an Hamstern und Frettchen; klinische Tests an Menschen stehen noch aus. Das Paul-Ehrlich-Institut begrüßt das Vorhaben grundsätzlich, knüpft aber Voraussetzungen: „Die Entwicklung von Impfstoffkombinationen, zum Beispiel für eine kombinierte Covidund Influenza-Impfung, ist zu begrüßen, um Aufwand und Belastung für Impfwillige und das Gesundheitssystem gering zu halten“, sagte Klaus Cichutek, Präsident des Instituts, auf Anfrage. Aus Sicht des Instituts sei „durch eine regelgerechte Entwicklung und Zulassung sicherzustellen, dass die Sicherheit der Impfstoffkombination weiterhin hoch ist, die erwarteten kurzzeitigen Impfreaktionen akzeptabel bleiben und dennoch die Wirksamkeit der kombinierten Impfstoffe beim Menschen nicht gegenüber der der Einzelimpfstoffe abfällt“, so Cichutek.
Auf jeden Fall plant Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) früheren Angaben zufolge schon für das kommende Jahr mit etwa 16,3 Millionen Dosen des Novavax-Vakzins gegen Covid-19. Und die Europäische Union hat sich bereits im Dezember des vergangenen Jahres 100 Millionen Impfdosen vertraglich gesichert, plus einer Option auf nochmals die gleiche Menge. Der Impfstoff ist proteinbasiert – anders als die mRNA-Impfstoffe von Biotech und Moderna oder der Vektor-Impfstoff von Astrazeneca. Er funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie Grippeimpfstoffe: Das Immunsystem reagiert auf Proteine im Impfstoff und ist damit vorbereitet, wenn das Virus tatsächlich den Körper attackiert.
Novavax ist kein Unbekannter. Die amerikanische Firma, die bis dahin unter anderem für Impfstoffe gegen die saisonale und die pandemische Grippe sowie gegen das Ebola-Virus bekanntgeworden war, gehörte im Frühjahr des vergangenen Jahres zu den knapp ein Dutzend Kandidaten, die für die schnelle Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs gehandelt wurden. Der damalige amerikanische Präsident Donald Trump steckte vier Milliarden US-Dollar in ein Projekt, von denen Novavax etwa ein Viertel der Gelder bekam. Das Investment könnte sich auszahlen, wenn das Unternehmen seine Ankündigungen tatsächlich wahr machen kann. Darauf hoffen auch die Entwicklungsländer, für die Novavax umfangreiche Lieferungen angekündigt hat.
Auf der anderen Seite ist Novavax vor Jahren bei dem Versuch gescheitert, einen Impfstoff gegen ein Virus zu entwickeln, das schwere Atemwegserkrankungen bei Kindern auslöste. Dafür hatte der Konzern zuvor einen dreistelligen Millionen-Dollar-Betrag von der Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates und dessen Frau Melinda erhalten. Nach dem Fehlschlag drohte der wirtschaftliche Kollaps, Hunderte Novavax-Beschäftigte verloren ihren Job. Bei solchen Rückschlägen werden dann natürlich sowohl Impfexperten als auch potenzielle Investoren hellhörig.