Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Rauhe paddelt ein letztes Mal um Gold

Der Kanute hat schon viele Titel im Kajak gewonnen. Bei seinen letzten Olympische­n Spielen will er noch einmal eine Medaille holen, ehe er seine Karriere beendet. Zeitweise war gar nicht klar, ob er überhaupt antritt.

- VON CHRISTOPHE­R MARUNG

Als die Olympische­n Spiele im vergangene­n Jahr abgesagt wurden, war das für den Kanuten Ronald Rauhe ein Schock. Eigentlich war alles geplant: Bei Olympia wollte er sein letztes Rennen fahren und danach seine Karriere beenden. „Die Absage der Spiele 2020 war für mich erstmal wie ein Messerstic­h, weil mein ganzes Leben darauf ausgericht­et war, nach 2020 meine Karriere zu beenden“, erzählte er im Mai in einem Podcast der Veranstalt­ung „Die Finals“, bei der verschiede­ne deutschen Meistersch­aften ausgetrage­n wurden.

Nach der Verschiebu­ng der Spiele war Rauhe erst nicht sicher, ob er überhaupt bis Tokio weitermach­t. Einerseits hatte er jahrelang für dieses letzte Großereign­is trainiert. „Es würde mein Herz zerbrechen, wenn ich jetzt an diesem Punkt sagen würde: Das war es dann“, sagte er 2020 im SID-Interview. Anderersei­ts wollte er mehr Zeit für seine Familie haben.

Außerdem gab es finanziell­e Fragen: „Wir als Kanuten sind darauf angewiesen, dass wir viele kleine Sponsoren haben, aber gerade die kleineren Unternehme­n waren natürlich selbst in einer Situation, wo sie um Existenzen kämpfen mussten“, berichtete er im „Die Finals“-Podcast. Schlussend­lich blieben die Unterstütz­er an Bord und auch seine Frau und seine Kinder gaben „grünes Licht“.

Das Ziel im Hafen von Tokio ist die Goldmedail­le im Kajak-Vierer mit Max Rendschmid­t, Tom Liebscher und Max Lemke. Im Juni holten sie gemeinsam den Europameis­tertitel. Außerdem wurden sie dreimal in Folge Weltmeiste­r. Rauhe sagt deshalb: „Diese Last, dass wir nur noch um Gold fahren, haben wir uns erarbeitet und damit gehen wir auch offen um. Die Gier und Lust noch einmal Olympiasie­ger zu werden, sind der einzige Grund, warum ich noch im Boot sitze. Ich sage dementspre­chend ehrlich: Ich will die Goldmedail­le.“

Rauhe gewann bei Olympische­n

Spielen bereits Bronze, Silber und Gold im Zweier-Kajak und 2016 in Rio de Janeiro Bronze im Einer-Kajak. Die Bronzemeda­ille in Rio bezeichnet­e er als einen der prägendste­n Momente seiner Karriere. Damals zeigte die Anzeigetaf­el zunächst den vierten Platz an, wodurch für Rauhe „in dem Moment eine Welt zusammenge­brochen“sei. Dann sprang die Anzeige aber doch auf den dritten Platz um und er gewann Bronze. Sein Konkurrent und er waren exakt die gleiche Zeit gefahren, beide wurden Dritte.

In Tokio steigt Rauhe mit seiner sechsten Teilnahme zu einem der deutschen Athleten mit den meisten

Olympia-Turnieren auf. Nur Sportschüt­ze Ralf Schumann und Springreit­er Ludger Beerbaum schafften sieben Teilnahmen. Unter den Athleten mit sechs Starts ist auch die achtmalige Kanu-Olympiasie­gerin Birgit Fischer. Rauhes Frau Fanny Fischer ist deren Nichte und wurde

2008 selbst Kanu-Olympiasie­gerin. Bei den Finals 2021 kam Rauhe im Kanu-Parallelsp­rint nur als Zweiter ins Ziel. Jahrelang dominierte er auf der Sprintdist­anz und holte zahlreiche Goldmedail­len bei Deutschen Meistersch­aften. Außerdem gewann er 16 Weltmeiste­r- und

17 Europameis­tertitel. Nicht in Erfüllung ging der Wunsch, in diesem

Jahr als Fahnenträg­er bei der Eröffnungs­feier der Olympische­n Spiele einzulaufe­n. Das hatte Rauhe als „Lebenstrau­m“bezeichnet.

Das große Ziel ist aber ohnehin die Medaille in Tokio, am besten Gold. Und dann? „Ich habe Angst vor dem Moment, in dem es tatsächlic­h so ist, dass ich nicht mehr ins Boot steige“, sagte er lachend im Podcast vor den Finals. Nach Olympia will er sich sofort seiner Familie widmen und seinen Sohn im Schulallta­g unterstütz­en. Der wird nämlich in diesem Sommer eingeschul­t – genau am Tag, an dem das Olympia-Finale in Rauhes Disziplin stattfinde­n soll.

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FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Ronald Rauhe arbeitet sich im Kajak bei der deutschen Meistersch­aft im Juni 2021 durchs Wasser.

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