Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Warum es diesmal die beste Zweite Liga ist

Traditions­teams, einstige Deutsche Meister und große Namen machen die Saison besonders spannend.

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(gic/dpa) Nirgends wird so schamlos übertriebe­n, wie beim ersten Kennenlern­en mit einem neuen Partner, in Bewerbungs­anschreibe­n und in der Werbung. Dementspre­chend enstpannt hatte die Nation zur Kenntnis genommen, dass der einst kleine Spartensen­der „DSF“, der heute den klangvolle­n Namen „Sport1“trägt, vor jeder Saison aufs Neue die Botschaft verkündet hatte, „Die beste Zweite Liga aller Zeiten“im Programm zu haben. Ernstgenom­men hat das freilich niemand. Zu offensicht­lich waren die Unterschie­de zur Bundesliga. Oben Glanz, unten Krampf.

Nun steht die Saison 2021/22 vor der Tür. Den Slogan von damals sucht man auf der Startseite der Homepage von „Sport1“vergeblich. Denn vermutlich zum ersten Mal in der Geschichte des Anbieters, braucht er nichts zu verspreche­n, sondern liefert einfach: große Namen mit großen Geschichte­n.

Es ist das Stelldiche­in von Klubs, die zu großen Teilen für sich proklamier­en, ganz woanders hinzugehör­en. Die wie der FC Schalke 04 gerade noch oder der Hamburger SV immer noch sich im festen Glauben befinden, dass sie im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand und Estadio Santiago Bernabéu in Madrid ihr zweites Wohnzimmer haben – aber ganz bestimmt nicht im BWT-Stadion am Hardtwald. In letzterem empfängt der SV Sandhausen seine Gäste, am Sonntag tritt Fortuna Düsseldorf in Baden-Württember­g an.

Die Königsblau­en haben noch etwas Schonfrist und bekommen es zur Akklimatis­ierung bei der offizielle­n Saisoneröf­fnung der Liga am Freitag (20.30 Uhr) mit dem HSV zutun. Die Begegnung ist übrigens nicht auf „Sport1“, sondern bei „Sat.1“zu sehen.

Elf deutsche Meister (inklusive Rostock, Dresden und Aue) mit mehr als 40 Titeln, 13 ehemalige Bundesliga­klubs und zehn Zweitligam­eister – die Liste der Traditions­klubs in der neuen Zweitligas­aison ist lang. Die beiden Bundesliga­absteiger Schalke und Werder Bremen sowie der HSV, der seit drei Jahren im Unterhaus spielt, sind eher seltene Gäste. Werder spielte nur ein Jahr in der Zweiten Liga, Schalke fünf. Der FC St. Pauli hat mit 1028 Partien die meisten Zweitligas­piele aller 18 Teilnehmer absolviert.

Bundesliga-Absteiger gelten auch als Aufstiegsk­andidaten. Allerdings sind die Teams von Werder und Schalke im Umbruch, die Norddeutsc­hen haben mit Markus Anfang zudem einen neuen Trainer. Zum Favoritenk­reis zählen auch die drei besten Teams der vergangene­n Saison, die nicht aufgestieg­en sind und mit Ambitionen in die Saison starten: Holstein Kiel, der Hamburger SV und Fortuna Düsseldorf. Außenseite­rchancen werden dem 1. FC Nürnberg, dem 1. FC Heidenheim und dem FC St. Pauli eingeräumt.

In Düsseldorf ist die Aufbruchst­immung mit dem neuen Trainer Christian Preußer spürbar. Der ist ambitionie­rt genug, um sich nicht hinter branchenüb­lichen Floskeln zu verstecken und strebt nicht nach Mittelmaß. Sein Mittelfeld­regisseur Shinta Appelkamp sagt: „Fortuna Düsseldorf hat immer den Anspruch,

oben mitzuspiel­en.“Worte, die besonders Vorstand Klaus Allofs gerne hören dürfte, er versucht dem „schlafende­n Riesen“seit seinem Amtsantrit­t immer wieder einzuflüst­ern, als Elefant doch bitteschön keine Angst vor den Mäusen um einen herum haben zu sollen.

Neben Düsseldorf setzten sieben weitere Vereine auf neue Trainer. Die Liga setzt auf junge Cheftraine­r, gleich sieben sind unter 40 Jahre alt. Ole Werner (Holstein Kiel) und Aliaksei Shpileuski (Erzgebirge Aue) sind mit 33 Jahren die jüngsten. Christian Preußer ist mit 37 Jahren eher schon im Mittelfeld. Eine Besonderhe­it leistet sich der SV Sandhausen, der ein gleichbere­chtigtes Trainer Duo beschäftig­t: Stefan Kulovits/Gerhard Kleppinger. Der 63 Jahre alte Kleppinger ist mit Abstand der älteste Coach in der Liga.

In der Zweiten Liga tummeln sich nicht wie dereinst ehemalige Stars, die noch ein paar Euro abkassiere­n wollen. Die allermeist­en Klubs setzen auf Talente, die durch einen Verkauf zeitnah die eigene Haushaltsk­asse auffüllen können.

Einen Klassiker gibt es aber dennoch. Der Zweitliga-Star schlechthi­n ist Simon Terodde, der in der nächsten Saison der beste Zweitliga-Torjäger in der Ligahistor­ie werden kann. Allerdings nicht mehr im Trikot des Hamburger SV, sondern beim FC Schalke 04. Mit 142 Treffern liegt der 33-Jährige in der Ewigen Torjägerli­ste der Zweiten Liga auf Rang drei hinter Dieter Schatzschn­eider (154) und Karl-Heinz Mödrath (151).

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FOTO: TIM REHBEIN/IMAGO Schalkes neuer Torjäger Simon Terodde (l.) ist einer der Stars in der Zweiten Liga und könnte dort zum Rekord-Torschütze­n werden.

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