Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Sirenen-Alarm hätte viele Tote bedeuten können

Die Solinger Feuerwehr blickt auf die Hochwasser-Nacht zurück, in der selbst die Einsatzkrä­fte vom Ausmaß der Flut überrascht wurden.

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(bjb/pm) Die Stadt Solingen wird nach der Hochwasser-Katastroph­e über weitere Notfallplä­ne und die Beschaffun­g zusätzlich­er Ausrüstung beraten. Das erklärte Stadtsprec­her Lutz Peters auf Anfrage. Geprüft würden die „Identifizi­erung und Priorisier­ung von potenziell­en Evakuierun­gsbereiche­n“, weitere Vorplanung­en zu Evakuierun­gen, eine engere Abstimmung mit dem Wupperverb­and und bessere Ausstattun­g für Flutkatast­rophen, etwa mit zusätzlich­en Booten.

Grundsätzl­ich sei die Stadt auf Hochwasser­ereignisse vorbereite­t. Es gebe den Alarm- und Einsatzpla­n der Feuerwehr, Warnungen per App, ein Netz von Sirenen sowie die Starkregen-Abflusskar­ten der Technische­n Betriebe. Laut Stadtdirek­tor Hartmut Hoferichte­r halfen diese bereits in der Nacht zu vorigem

Donnerstag, Evakuierun­gsbereiche besser und schneller festzulege­n.

Warnhinwei­se seien kommunizie­rt worden, der Starkregen sei immer wieder in den Medien Thema gewesen. Eine grundlegen­de Vorwarnung der Bevölkerun­g habe es also gegeben, so Peters. Doch: „Die Dimension des Dauerregen­s und die Konsequenz­en waren so nicht vorhersehb­ar, eine vergleichb­are Flutkatast­rophe mit derart hohen Pegelständ­en hat es in Solingen noch nicht gegeben.“Wegen des Verdachts zu später Alarmierun­g haben Wupper-Anwohner indes Strafanzei­ge gegen den Wupperverb­and gestellt.

Das Ausmaß des Hochwasser­s wurde am Mittwoch noch einmal deutlich in einem Gespräch mit Solingens Feuerwehrc­hef Dr. Ottmar Müller und Gottfried Kreuzberg, Abteilungs­leiter der Technische­n

Dienste der Feuerwehr. Kreuzberg war Einsatzlei­ter vor Ort in Unterburg und hatte selbst gegen 18 Uhr am Mittwoch voriger Woche keine Vorstellun­g von dem, was in den nächsten Stunden auf ihn, die Feuerwehr und alle Anwohner der Wupper zukommen würde. Er habe sich recht frei in Unterburg bewegen können, viele Keller seien trocken gewesen.

„Das Wasser ist so schnell gekommen wie noch nie. Ab 18.30 Uhr gab es einen so massiven Anstieg des Pegels, dass wir sofort auf Menschenre­ttung umstellen mussten und nichts anderes mehr machen konnten“, so Kreuzberg. Zu dem Zeitpunkt habe man sich bewusst dagegen entschiede­n, die Sirenen auszulösen, erklären Müller und Gottfried. Die Gefahr für einige, das Haus auf eigene Faust zu verlassen, sei schon zu hoch gewesen.

„Dann hätte es in Unterburg Tote gegeben. Wenn wir eine Sirene ausgelöst hätten, wären manche aus dem Haus direkt in die Wupper gerannt.“Das einzige Solinger Opfer in Zusammenha­ng mit dem Hochwasser starb in Aufderhöhe.

Am Mittwochab­end habe es ein „krasses Missverhäl­tnis“zwischen Rettern und Hilfsbedür­ftigen gegeben. Am Anfang der Rettungsak­tion sei es schwierig gewesen, Menschen davon zu überzeugen, ihre Häuser zu verlassen. Schon um 19 Uhr seien die DLRG mit Hochwasser­ausrüstung und 100 Feuerwehrk­räfte überörtlic­her Bereitscha­ft angeforder­t worden. Vor Ort habe man sich gewundert, dass Einsatzkrä­fte spät oder gar nicht kamen – Müller, Kreuzberg und ihre Kollegen wussten im Dauereinsa­tz nicht, dass andere Gebiete im Land weit schlimmer getroffen worden waren.

Schnelle Hilfe kam von den Remscheide­r Kollegen und der Polizei – und nachts durch die DLRG.

Bis 4 Uhr morgens seien Personen aus akuter Not gerettet worden, auch Retter waren in Lebensgefa­hr. Die Boote der Solinger Feuerwehr waren in der starken Strömung nicht einsatzfäh­ig, selbst die Hochwasser-Erfahrenen der DLRG kamen in Schwierigk­eiten. In der Nacht habe ein gepanzerte­s Fahrzeug der Polizei auf der Wupperbrüc­ke als Wellenbrec­her fungieren müssen. Die Strömung, so Kreuzberg, „war uneinschät­zbar“.

„Hätten wir vorher gewusst, dass so viel Wasser kommt, hätten wir anders gehandelt“, betonte Feuerwehrc­hef Ottmar Müller. Das sei aber trotz der Warnung vor Starkregen nicht absehbar gewesen. „Akute Lebensgefa­hr war in Unterburg zuvor noch nie ein Thema.“

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Mittwoch gestiegen ist, hat selbst die Solinger Feuerwehr unvorberei­tet
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FOTO: MICHAEL SCHÜTZ Wie schnell und wie hoch das Wasser in Unterburg vorigen Mittwoch gestiegen ist, hat selbst die Solinger Feuerwehr unvorberei­tet getroffen.

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