Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Der „Büdchen-Mann“vom Börkhauser Feld
Seit acht Jahren betreibt Lars Taudien den Kiosk „Sevendays“im Herzen der Siedlung Börkhauser Feld
Wenn es einen Polizei-Einsatz im Börkhauser Feld gibt, muss Lars Taudien viele Fragen beantworten. „Alle wollen wissen, was passiert ist. Ich bekomme ja aber auch keine Infos“, sagt der
58-Jährige und lacht. Doch wenn jemand etwas mitbekommen haben muss, denken seine Kunden, dann doch wohl er. Schließlich betreibt der Solinger seit acht Jahren einen Kiosk im Herzen der Siedlung.
„Wir haben hier zu 80 Prozent Stammkunden“, erzählt Lars Taudien. Mehr als 1000 Menschen leben im Börkhauser Feld in 444 Wohneinheiten. Damit ist die Siedlung eine der größten des Solinger Spar- und Bauvereins. 1999 fiel der Startschuss für das Großprojekt. Im Zentrum entstanden ein Bewohnertreff, eine Kindertagesstätte – und ein Büdchen.
Als für Letztgenanntes 2013 ein neuer Pächter gesucht wurde, zögerte Lars Taudien nicht lange.
23 Jahre lang hatte er zuvor in einer Tankstelle gearbeitet, bis er fast zwei Jahrzehnte als Maschinenführer bei Haribo und Wilkinson tätig war. „Ich wollte wieder etwas mit Kundenkontakt machen“, erzählt er. Diesen Wunsch erfüllte er sich mit „Sevendays“.
Einen Monat lang arbeitete ihn sein Vorgänger ein. Wichtig sei das gewesen, um die Siedlungsbewohner kennenzulernen. „Als Büdchen-Mann muss man wissen, was die Leute wollen“, sagt er. So kann er etwa spezielle Magazine für bestimmte Kunden zurücklegen.
Das Zeitschriftenregal („Klatschblätter laufen hier besser als Spiegel, Stern und Focus“) gehört genauso zu den Kiosk-Klassikern wie Wundertüten und Süßes. „Das kaufen Jung und Alt“, erzählt Lars Taudien,
während er eine gemischte Tüte packt.
Taudien bietet in seinem Büdchen, das gleichzeitig ein Paketshop ist, auch Produkte des täglichen Bedarfs wie Milch oder Klopapier an. Am beliebtesten seien jedoch die Backwaren. Bis zu 500 Brötchen gehen sonntags über die Theke. In aller Frühe kommen die Teiglinge in den Ofen, damit die Auslage rechtzeitig gefüllt ist.
Dann kann Taudien beobachten, wie das Börkhauser Feld aufwacht. „Die Leute, die hier wohnen, kennen sich alle“, erzählt der 58-Jährige. Und er kennt sie. Wenn Beziehungen enden oder jemand in der
Nachbarschaft stirbt, bekommt er das häufig mit. „Manchmal ist man der Kummerkasten.“
Gleichzeitig fungiert der Kiosk als Schwarzes Brett und Fundstelle für die Siedlung. Eheringe, Handys, Fahrräder, sogar Inliner und eine einzelne Krücke hat Taudien bereits angenommen. Zudem hält er Kontakt zum Spar- und Bauverein. Er verfügt über einen Schlüssel für den benachbarten Bewohnertreff und leitet Probleme von Mietern an die Siedlungsbetreuer weiter. „Manche haben sich ausgesperrt, andere haben das Klo verstopft.“
„Sevendays“– der Name ist Programm. An sieben Tagen pro Woche hat Taudiens Kiosk geöffnet. Unterstützt wird er von einer Mitarbeiterin, Frau und Tochter. Möchte er Urlaub machen, muss er das Geschäft schließen. Spontan frei zu nehmen, ist kaum möglich. Meist enden die Tage des 58-Jährigen kurz nach den 20 Uhr-Nachrichten. Der Tag war lang, in ein paar Stunden muss er wieder am Ofen stehen. „Natürlich“, räumt der Solinger ein, „spüre ich die Belastung. Das ist trotzdem eine Top-Arbeit. Ich möchte nichts anderes machen.“