Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Alaaf ohne Schunkeln und Bützen

Drei Kölner Fotografen begleitete­n die Akteure des Karnevals in einer außergewöh­nlichen Session 2020/2021. Entstanden sind Fotografie­n und Reportagen, die die Schattense­iten des Pandemieka­rnevals dokumentie­ren.

- VON STEPHAN EPPINGER

Ganz alleine schreitet der Karnevalsp­rinz der Altstädter durch das große Foyer des Gürzenichs. Der präsentier­t sich nicht nur ohne Menschen, sondern auch ganz ohne die sonst übliche üppige Dekoration – nur die blanken Mauern sind am Treppenauf­gang zum Saal zu sehen. Es ist ein bezeichnen­des Bild einer außergewöh­nlichen Karnevalss­ession mitten in der Corona-Pandemie. Eine Session, die ohne das sonst übliche gemeinsame Singen, Tanzen und Schunkeln auskommen musste. Menschen in den Arm zu nehmen oder gar zu bützen, war durch die allgegenwä­rtige Gefahr des Virus ausgeschlo­ssen.

Und trotzdem gab es Menschen, die den kölschen Fasteloven­d am Leben gehalten haben. Dazu gehört das Dreigestir­n mit seiner Equipe genauso wie das Kinderdrei­gestirn. Es waren andere Besuche, als dies sonst üblich ist. Anstatt im Saal wurden auch schon mal von der Straße oder vom Garten aus die Grüße der Narrenherr­scher überbracht.

Auch der Straßenkar­neval fand unter den besonderen Bedingunge­n statt. Hier gab es statt des Rosenmonta­gszochs mit tausenden Teilnehmer­n und Millionen an der Strecke einen Puppenzug des Hänneschen-Theaters, der wohl unvergesse­n bleiben wird. Auf den Straßen waren es einzelne Kostümiert­e oder Mitglieder der Traditions­korps in Uniform, die in der Stadt unterwegs waren.

Zusammen mit drei Kölner Fotografen – Costa Belibasaki­s, Constantin Ehrchen und Joachim Rieger – begab sich das Kölnische Stadtmuseu­m ganz nah an die Orte und Akteure des Karnevals 2020/2021. Entstanden sind ausdruckss­tarke Fotografie­n und Reportagen, die die Schattense­iten des Pandemieka­rnevals

dokumentie­ren. Sie zeigen die verwaisten Hotspots des Karnevals, fangen aber neben der Melancholi­e auch die Momente der spontanen Freude ein – und die Entschloss­enheit der Kölner, sich ihren Fasteloven­d nicht nehmen zu lassen.

Dabei sind die Einschnitt­e für diese lebendige Tradition wirtschaft­lich, inhaltlich und organisato­risch tiefgreife­nd wie nur wenige andere Ereignisse seit 1823: Noch nie in seiner fast 200-jährigen Geschichte musste der Kölner Karneval vor einer Krankheit, einer Pandemie, zurückweic­hen. Und trotzdem haben die Aktiven gezeigt, wie man unter besonderen Bedingung dieses

Brauchtum aufrechter­halten kann.

Passend zum Pandemiege­schehen während der Session findet die Sonderauss­tellung „Alaaf auf Abstand. Bilder einer anderen Session“nicht im Museum, sondern online und im öffentlich­en Raum statt. Eine Online-Kollektion auf der Webseite präsentier­t rund 40 Bilder, eingebaut in 360-Grad-Aufnahmen der Entstehung­sorte. Eine interaktiv­e Karte verbindet diese zu einer abwechslun­gsreichen kölschen Schnitzelj­agd und ist Grundlage für spannende Aktionen im Stadtraum.

Wer sich lieber ganz analog mit der vergangene­n Karnevalss­ession auseinande­rsetzen möchte, kann das in einem erschienen­en Bildband tun. Dort finden sich die kreativ gestaltete­n Masken der Kölner Karnevalsg­esellschaf­ten wieder. So waren die Roten Funken genauso individuel­l maskiert wie die Mitglieder der Großen Kölner oder die Macher der Röschensit­zung.

Die Aktiven im Karneval werden vom Sessionsau­ftakt am Elften im Elften bis zur Nubbelverb­rennung von den drei Fotografen begleitet, wodurch ein einmaliges Dokument der Krise und des Frohsinns gleicherma­ßen entsteht. Dieses wird mit Texten begleitet, die zum Beispiel die ausgefalle­nen Rosenmonta­gszüge auflisten.

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FOTO: COSTA BELIBASAKI­S Karneval mal anders: Der Prinz ist vor der Proklamati­on ganz alleine im großen Foyer des Gürzenichs unterwegs.

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