Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Alaaf ohne Schunkeln und Bützen
Drei Kölner Fotografen begleiteten die Akteure des Karnevals in einer außergewöhnlichen Session 2020/2021. Entstanden sind Fotografien und Reportagen, die die Schattenseiten des Pandemiekarnevals dokumentieren.
Ganz alleine schreitet der Karnevalsprinz der Altstädter durch das große Foyer des Gürzenichs. Der präsentiert sich nicht nur ohne Menschen, sondern auch ganz ohne die sonst übliche üppige Dekoration – nur die blanken Mauern sind am Treppenaufgang zum Saal zu sehen. Es ist ein bezeichnendes Bild einer außergewöhnlichen Karnevalssession mitten in der Corona-Pandemie. Eine Session, die ohne das sonst übliche gemeinsame Singen, Tanzen und Schunkeln auskommen musste. Menschen in den Arm zu nehmen oder gar zu bützen, war durch die allgegenwärtige Gefahr des Virus ausgeschlossen.
Und trotzdem gab es Menschen, die den kölschen Fastelovend am Leben gehalten haben. Dazu gehört das Dreigestirn mit seiner Equipe genauso wie das Kinderdreigestirn. Es waren andere Besuche, als dies sonst üblich ist. Anstatt im Saal wurden auch schon mal von der Straße oder vom Garten aus die Grüße der Narrenherrscher überbracht.
Auch der Straßenkarneval fand unter den besonderen Bedingungen statt. Hier gab es statt des Rosenmontagszochs mit tausenden Teilnehmern und Millionen an der Strecke einen Puppenzug des Hänneschen-Theaters, der wohl unvergessen bleiben wird. Auf den Straßen waren es einzelne Kostümierte oder Mitglieder der Traditionskorps in Uniform, die in der Stadt unterwegs waren.
Zusammen mit drei Kölner Fotografen – Costa Belibasakis, Constantin Ehrchen und Joachim Rieger – begab sich das Kölnische Stadtmuseum ganz nah an die Orte und Akteure des Karnevals 2020/2021. Entstanden sind ausdrucksstarke Fotografien und Reportagen, die die Schattenseiten des Pandemiekarnevals
dokumentieren. Sie zeigen die verwaisten Hotspots des Karnevals, fangen aber neben der Melancholie auch die Momente der spontanen Freude ein – und die Entschlossenheit der Kölner, sich ihren Fastelovend nicht nehmen zu lassen.
Dabei sind die Einschnitte für diese lebendige Tradition wirtschaftlich, inhaltlich und organisatorisch tiefgreifend wie nur wenige andere Ereignisse seit 1823: Noch nie in seiner fast 200-jährigen Geschichte musste der Kölner Karneval vor einer Krankheit, einer Pandemie, zurückweichen. Und trotzdem haben die Aktiven gezeigt, wie man unter besonderen Bedingung dieses
Brauchtum aufrechterhalten kann.
Passend zum Pandemiegeschehen während der Session findet die Sonderausstellung „Alaaf auf Abstand. Bilder einer anderen Session“nicht im Museum, sondern online und im öffentlichen Raum statt. Eine Online-Kollektion auf der Webseite präsentiert rund 40 Bilder, eingebaut in 360-Grad-Aufnahmen der Entstehungsorte. Eine interaktive Karte verbindet diese zu einer abwechslungsreichen kölschen Schnitzeljagd und ist Grundlage für spannende Aktionen im Stadtraum.
Wer sich lieber ganz analog mit der vergangenen Karnevalssession auseinandersetzen möchte, kann das in einem erschienenen Bildband tun. Dort finden sich die kreativ gestalteten Masken der Kölner Karnevalsgesellschaften wieder. So waren die Roten Funken genauso individuell maskiert wie die Mitglieder der Großen Kölner oder die Macher der Röschensitzung.
Die Aktiven im Karneval werden vom Sessionsauftakt am Elften im Elften bis zur Nubbelverbrennung von den drei Fotografen begleitet, wodurch ein einmaliges Dokument der Krise und des Frohsinns gleichermaßen entsteht. Dieses wird mit Texten begleitet, die zum Beispiel die ausgefallenen Rosenmontagszüge auflisten.