Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Ein Schub für den Düsseldorfer Jazz
Die sieben Rotary-Clubs der Stadt haben 30 hiesige Musiker in dem großartigen Projekt „Rheinräume“unterstützt.
Zu den großen Momenten des Jazz zählen zweifellos die Einspielungen des Quartetts um den Pianisten Herbie Hancock (mit den Kollegen Hubbard, Carter und Williams). Vor allem „Empyrean Isles“wurde weltberühmt, natürlich durch „Cantaloupe Island“. Dabei ist „One Finger Snap“das spannendere Stück, denn es mischen sich kurze Felder eines drängenden Aktionismus mit ausgehaltenen Tönen. Man könnte sagen: Der Hörer erlebt Energie und deren Verarbeitung, er bemerkt Impulse, die still fortwirken.
„Kunst und Kultur sind
systemrelevant. Es gilt, die Strukturen am
Leben zu erhalten“
Thomas Berger Vorstand des Rotarian Jazz Fellowship
An dieses Stück mag mancher Jazzfreund nun denken, als er von einem wunderbaren Düsseldorfer Projekt erfuhr. Sieben hiesige Rotary-Clubs haben sich zusammengetan, um die lokale Jazzszene mit 38.000 Euro zu unterstützen; viele Musiker sind ja freiberuflich tätig und spürten die Corona-Pandemie in allen Fasern ihrer Existenz: Es gab keine Konzerte, keine Einnahmen, auch keine Momente gemeinsamer Inspiration auf der Bühne. Das Virus erstickte den Jazz als Idealfall spontaner Kommunikation.
Irgendjemand bei den Rotariern muss nun mit dem Finger geschnipst haben, doch nicht aus Arroganz („Ich schnipse, nun macht mal“), sondern aus Anteilnahme, nach einem Ideenblitz und aus dem Wunsch heraus, etwas in Gang zu setzen, das sich fortsetzt und ergebnisorientiert verdichtet. Tatsächlich wurde bald für 30 Düsseldorfer
Jazzprofis das Projekt „Rheinräume“möglich, das aus einem Video-Konzert und einer Live-CD-Produktion in der Jazzschmiede bestand, und zwar in Kooperation mit dem Verein „Jazz in Düsseldorf“und der Rotarian Jazz Fellowship. Reiner Witzel, Saxofonist und künstlerischer Leiter der „Schauinsland-Reisen Jazz Rally Düsseldorf“, legte in Kooperation mit seinen Jazz-Kollegen ein Konzept vor, das die Rotarier begeisterte.
Die Idee der „Rheinräume“war, 30 professionelle Musiker der Düsseldorfer Jazzszene, unter ihnen viele Förderpreisträger der Landeshauptstadt, in unterschiedlichen Formationen auftreten zu lassen. Sozusagen ein kollektives Brainstorming in zum Teil neuen Besetzungen und Bekanntschaften. Dann wurde nur der Takt angegeben, also mit dem Finger geschnipst, und es ging los, in bekanntes Terrain ebenso wie in unwegsames Gelände.
Das geschah an einem Mittwoch und Donnerstag im Mai; so kam auch die regionale Veranstaltungstechnik bei den Film- und Tonaufnahmen zum Zuge. Das Konzert wurde bereits über die Website der Jazzschmiede als Stream ausgestrahlt und bleibt dort zu sehen. Gleichwohl gibt es die Produktion vom 26. Juli an auch als CD.
Thomas Berger, Vorstand der Rotarian Jazz Fellowship und derzeit Präsident des Rotary-Clubs Düsseldorf-Schlossturm, hat für das Projekt bedenkenswerte Worte gefunden: „Wir wollten mit unserer Aktion einen spürbaren solidarischen Impuls setzen. Kunst und Kultur sind systemrelevant. Das ist leicht gesagt, doch gilt es, die unterliegenden Strukturen jetzt unbedingt am Leben zu erhalten, um irreparable Schäden zu vermeiden.“
Reiner Witzel als Kurator des Gesamtprojekts erklärt das aus Sicht der Musiker: „Wir konnten eine Plattform schaffen, die Musikern die Möglichkeit gibt, sich aus der Isolation herauszubewegen, um ihre Be- und Verarbeitung der Situation in unterschiedlichen Konstellationen und Beiträgen zu ventilieren.“
Das Hören ist ein Genuss; die Besetzungsliste liest sich tatsächlich wie das „Who’s Who“des Düsseldorfer Jazz, es gibt wunderbare Soli und ebensolche Assistenzen (nennen wir nur ein Duo für viele: Matthias Fröde mit seiner Mundharmonika und Nico Brandenburg mit seinem Bass in „Dolphin Dance“, ebenfalls von Hancock).
So ist das Projekt eine Art Starthilfe mit länger anhaltender Stromversorgung. Und das Ergebnis könnte glatt dem Titel eines weiteren Stücks von Hancock entnommen sein: „Survival of the Fittest“.