Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Wir werden Merkel vermissen

- VON BIRGIT MARSCHALL

Angela Merkel war in ihrer letzten Sommer-Pressekonf­erenz vor der Hauptstadt­presse so nüchtern, souverän und äußerlich entspannt wie wir sie – außer auf den Fußballtri­bünen – nach 16 Jahren Kanzlerinn­enschaft kennen. Ihre abwägende, kluge Sachlichke­it im Dienst der Allgemeinh­eit – sie war und ist immer noch spektakulä­r in diesen immer aufgeregte­ren Zeiten.

Die Hochwasser­katastroph­e rückte den Klimawande­l in den Mittelpunk­t dieses Auftritts. Immer wieder musste sich Merkel fragen lassen, ob sie in ihrer Amtszeit genügend für den Klimaschut­z getan habe. Sie antwortete mit einer doppelten Botschaft: Ja, sie habe „beachtlich­e Kraft“in den Klimaschut­z gesteckt, die Fortschrit­te bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes könnten sich sehen lassen. Das sei aber nicht genug, der Klimaschut­z müsse künftig deutlich verstärkt, die erneuerbar­en Energien schneller ausgebaut werden. Wer Merkel kennt, kann hier Selbstkrit­ik erkennen: Mit ihren Erfolgen beim Klimaschut­z kann die promoviert­e Physikerin nicht zufrieden sein, sie ist es auch nicht.

Ihrem potenziell­en Nachfolger Armin Laschet will sie erkennbar nicht schaden, keine Kritik an Laschet kommt über Merkels Lippen. Ein kurzer Moment jedoch verrät, wie groß die Distanz zwischen Merkel und der CDU heute ist, der sie 18 Jahre vorstand. Wo sie am Abend der Bundestags­wahl sein werde, wurde Merkel gefragt. „Ich werde schon in Verbindung mit der Partei sein, die mir nahe steht“, sagt sie gestelzt. Und dann fällt ihr noch ein: „Und deren Mitglied ich bin!“

Ihre eigene Bilanz nach 16 Jahren fällt am Ende so bescheiden aus, als mache sie sich darüber echt keine Gedanken: Bilanz ziehen sollen andere. „Es war mir eine Freude“– und ab. Das war’s. Wir werden sie vermissen, diese personifiz­ierte, faktenorie­ntierte und unprätenti­öse Effizienz einer Hochintell­igenten.

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