Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

70 Apotheken teilweise oder ganz zu

Nach der Flut ist die Versorgung mit Arzneimitt­eln an einigen Orten erschwert.

- VON VIKTOR MARINOV

Wie schlimm es seine Apotheke getroffen hat, erfährt Jürgen Lutsch erst am zweiten Tag der Flut. Am vergangene­n Donnerstag schafft er es endlich, durch das Wasser zu der Linda-Apotheke in Kall. Er macht Bilder durchs Fenster: Arzneimitt­elverpacku­ngen, Kartons und Schlamm bilden einen Teppich auf dem Boden. „Das ist ein absoluter Totalschad­en“, schreibt Lutsch auf Facebook. Wann er die Apotheke wieder aufmacht, kann er bis nicht sagen. Eine andere gibt es in Kall nicht.

In vielen Orten ist nach dem Hochwasser die Versorgung mit Arzneimitt­eln schwierig. 50 Apotheken allein im Gebiet der Apothekerk­ammer Nordrhein (AKNR) seien zerstört oder so weit beeinträch­tigt, dass sie tage- oder gar wochenlang nicht öffnen können, sagt ein Sprecher der Kammer. Dazu kommen 20 Apotheken aus Rheinland-Pfalz, die nach Angaben der dortigen Kammer nicht durchgängi­g geöffnet sind. „Das geht vom Totalschad­en bis zum Stromausfa­ll“, sagt Geschäftsf­ührer Tilman Scheinert.

Trotz der Schwierigk­eiten sei die Versorgung aktuell jedoch gesichert, heißt es übereinsti­mmend aus den Apothekerk­ammern. Viele der betroffene­n Betriebe werden jedoch Wochen brauchen, bis sie wieder öffnen. „Aus den 50 Apotheken in unserem Gebiet werden es die allermeist­en in den kommenden zwei Wochen schaffen“, sagt ein Sprecher der AKNR. Für einige werde es aber länger dauern. Die Kammer appelliert deswegen an die Politik für Unterstütz­ung für das Gesundheit­swesen. „Gerade in ländlichen Gebieten ist es dramatisch, wenn eine Apotheke nicht öffnet“, sagt der AKNR-Sprecher: „Es darf keiner zurückblei­ben.“

Die Ausfälle wirken sich derzeit auf die Notdienste der Apotheken aus. „Die 50 Apotheken in unserem Gebiet haben jeden Tag einen Notdienst. Bei sieben Tagen pro Woche geht es um 350 Dienste, die wir jetzt neu verteilen müssen“, sagt der Sprecher. In Rheinland-Pfalz sei eine ganze Abteilung der dortigen Kammer seit der Flut rund um die Uhr mit dieser Aufgabe beschäftig­t, sagt Geschäftsf­ührer Tilmann Scheinert.

Wer eine Notdienst-Apotheke in der Nähe sucht, findet sie für Nordrhein-Westfalen im Internet unter www.ak.nrw/nd, für Rheinland-Pfalz unter www.lak-rlp.de. Die Adressen werden fortlaufen­d aktualisie­rt. In einigen Fällen müssen Patienten weitere Wege auf sich nehmen. Menschen aus Kall müssen aktuell nach Mechernich oder Nettershei­m fahren, beides jeweils rund zehn Kilometer entfernt.

Am Mittwoch, sieben Tage nach der Katastroph­e, fängt Lutsch mit dem Aufräumen in der Linda-Apotheke auf. Viele helfen ihm dabei: die Angestellt­en einer Möbelfirma, die Mitarbeite­rinnen der Apotheke mit ihren Ehemännern, der Bauhof Kall hat sogar einen Lastkraftw­agen beigesteue­rt. Trotz der zahlreiche­n Helfer wird es lange dauern, bis aus dem zerstörten Gebäude wieder eine Apotheke wird.

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FOTO: LUTSCH Ein Blick durchs Fenster der zerstörten Apotheke in Kall.

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