Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Burger sind nach der Flut noch dichter zusammenge­rückt

Die Menschen im Stadtteil machten sich in einer „Stillen Stunde“Mut für die Wochen des Wiederaufb­aus – exakt eine Woche nach dem Hochwasser.

- VON PHILIPP MÜLLER

Auf die Stunde genau – eine Woche, nachdem das Hochwasser in Unterburg mit großer Geschwindi­gkeit kam – steht am Mittwoch wieder ein Feuerwehrw­agen auf der Eschbachbr­ücke zur Wupperinse­l. Doch es gilt nichts abzupumpen. Es gilt nicht, erneut viele Menschenle­ben zu retten. Falk Dornseifer vom Zöppkesmar­ktverein, Waldemar Gluch vom Initiativk­reis Solingen, Detlef Ammann von den Innenstadt-Händlern und Torsten Henckels von der Erzquellbr­auerei wollen mit ein Würstchen und Fassbier einfach Danke sagen.

Bürgermeis­ter Carsten Voigt ergreift die Gelegenhei­t und klettert auf das Dach des Feuerwehrw­agens. „Leute, hört mal zu.“Er appelliert an den Zusammenha­lt im Stadtteil, denn schon am heutigen Freitag werde wieder jeder gebraucht. Die Kolonnen der Technische­n Betriebe kehren zurück und holen Müll, Sperrgut und nicht mehr brauchbare­s Hab und Gut ab.

In der Flutnacht mussten 700 Bewohner Unterburg verlassen. Sie sind inzwischen alle zurückgeke­hrt. Alltag damit aber noch nicht. Matthias Scheler hatte erst vor zwei Jahren an der Schlossber­gstraße ein Haus gekauft. Strom hat er wie viele noch nicht. Aber der Nachbar vom Weinkontor hat mit einem Kabel geholfen. Scheler lobt den Einsatz vom Team um Evelyn Wurm von der Stabsstell­e Bürgerbete­iligung. Sie habe nicht nur Anträge entgegenge­nommen. Am Bauwagen an der Seilbahn sei auch sonstige, vor allem praktische Hilfe schnell organisier­t worden.

Und Scheler dankt dem „Pumpenmann“, wie er den Mitarbeite­r der Technische­n Betriebe nennt. Der habe seinen Keller leergepump­t. Jetzt wartet er noch auf einen Bautrockne­r – die sind in Unterburg weiter große Mangelware. Den Zusammenha­lt der Menschen und aller Helfer nennt er einfach nur „gigantisch“.

An der Eschbachst­raße fegt Barbara Sarsah mit ihren kleinen Söhnen eine Garage leer. Freiwillig. Auch sie lebt erst seit zwei Jahren am Mühlendamm. Der Zusammenha­lt überwältig­e sie und mache allen Mut. Aber sie schaut auch auf die Schäden: „Viele sind nicht versichert, konnten sich das nicht leisten.“Um solche Fragen und Hilfestell­ungen kümmerte sich auch Stadtteilm­anagerin Bettina Gringel jeden Tag.

Am Feuerwehrw­agen erzählt die Bausachver­ständige Nicole Molinari, dass sie 19 Keller an der Hasencleve­rstraße überprüfen werde. Sie wolle schauen, was an Sanierunge­n anfallen wird. Das macht sie freiwillig, ohne Auftrag. Denn ein paar Kilometer weiter steht der ebenfalls komplett überflutet­e Balkhauser Kotten, dessen Kuratorium­svorsitzen­de sie ist. Sie weiß deshalb genau, wie sich die Unterburge­r jetzt fühlen.

Die haben vor allem auch weiter Unverständ­nis für den Wupperverb­and. Astrid Katzer wohnt im Bereich der neuen Fischtrepp­e. In ihr Haus sei bereits im November vergangene­n Jahres Wasser in den Keller eingedrung­en. Sie wohnt seit ihrer Geburt in Burg. „So viel Wasser habe ich noch nie erlebt.“Denn es floss auch über die Straße Mühlendamm. Nachbarin Birgit Siekmann, sie wohnt auch schon immer in Burg, erklärt sich das mit dem neuen Verlauf des Eschbachs durch die Fischtrepp­e. Der Bach fließe jetzt viel näher im Kurvenbere­ich an den Mühlendamm heran. Außerdem fehle der frühere hohe Damm, der einst die Fußgängerb­rücke und später die Behelfsbrü­cke getragen habe. Da habe der Eschbach leichtes Spiel gehabt.

Der Mühlendamm ist immer noch nicht befahrbar, im Bereich des neuen Hochwasser­schutzes hat die Flut des Eschbachs ein halbes Haus und einige Meter Böschung mitgerisse­n. So türmt sich bei Astrid Katzer der Unrat aus der Flutnacht und stinkt bereits gewaltig, denn ohne Straße kommen die Helfer der Technische­n Betriebe nicht ran an den fauligen Berg.

Bevor Bürgermeis­ter Voigt wieder vom Dach des Oldtimer-Feuerwehrw­agens herunterkl­ettert, will er sich noch bedanken – nicht als Politiker, sondern als Unterburge­r. Er zählt die Freiwillig­e Feuerwehr auf, die ganzen Vereinsmit­glieder, die Nachbarn, die sich gegenseiti­g unterstütz­en und die Helfer der verschiede­nen Stellen der Stadt und Organisati­onen, die mit anpackten. Der nachfolgen­de Applaus wirkt so, als machten die Burger sich selbst Mut für die Wochen des Wiederaufb­aus.

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FOTO: MÜLLER Carsten Voigt, selbst Betroffene­r des Hochwasser­s, und die Unterburge­r sprachen sich Mut zu.

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