Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die Burger sind nach der Flut noch dichter zusammengerückt
Die Menschen im Stadtteil machten sich in einer „Stillen Stunde“Mut für die Wochen des Wiederaufbaus – exakt eine Woche nach dem Hochwasser.
Auf die Stunde genau – eine Woche, nachdem das Hochwasser in Unterburg mit großer Geschwindigkeit kam – steht am Mittwoch wieder ein Feuerwehrwagen auf der Eschbachbrücke zur Wupperinsel. Doch es gilt nichts abzupumpen. Es gilt nicht, erneut viele Menschenleben zu retten. Falk Dornseifer vom Zöppkesmarktverein, Waldemar Gluch vom Initiativkreis Solingen, Detlef Ammann von den Innenstadt-Händlern und Torsten Henckels von der Erzquellbrauerei wollen mit ein Würstchen und Fassbier einfach Danke sagen.
Bürgermeister Carsten Voigt ergreift die Gelegenheit und klettert auf das Dach des Feuerwehrwagens. „Leute, hört mal zu.“Er appelliert an den Zusammenhalt im Stadtteil, denn schon am heutigen Freitag werde wieder jeder gebraucht. Die Kolonnen der Technischen Betriebe kehren zurück und holen Müll, Sperrgut und nicht mehr brauchbares Hab und Gut ab.
In der Flutnacht mussten 700 Bewohner Unterburg verlassen. Sie sind inzwischen alle zurückgekehrt. Alltag damit aber noch nicht. Matthias Scheler hatte erst vor zwei Jahren an der Schlossbergstraße ein Haus gekauft. Strom hat er wie viele noch nicht. Aber der Nachbar vom Weinkontor hat mit einem Kabel geholfen. Scheler lobt den Einsatz vom Team um Evelyn Wurm von der Stabsstelle Bürgerbeteiligung. Sie habe nicht nur Anträge entgegengenommen. Am Bauwagen an der Seilbahn sei auch sonstige, vor allem praktische Hilfe schnell organisiert worden.
Und Scheler dankt dem „Pumpenmann“, wie er den Mitarbeiter der Technischen Betriebe nennt. Der habe seinen Keller leergepumpt. Jetzt wartet er noch auf einen Bautrockner – die sind in Unterburg weiter große Mangelware. Den Zusammenhalt der Menschen und aller Helfer nennt er einfach nur „gigantisch“.
An der Eschbachstraße fegt Barbara Sarsah mit ihren kleinen Söhnen eine Garage leer. Freiwillig. Auch sie lebt erst seit zwei Jahren am Mühlendamm. Der Zusammenhalt überwältige sie und mache allen Mut. Aber sie schaut auch auf die Schäden: „Viele sind nicht versichert, konnten sich das nicht leisten.“Um solche Fragen und Hilfestellungen kümmerte sich auch Stadtteilmanagerin Bettina Gringel jeden Tag.
Am Feuerwehrwagen erzählt die Bausachverständige Nicole Molinari, dass sie 19 Keller an der Hasencleverstraße überprüfen werde. Sie wolle schauen, was an Sanierungen anfallen wird. Das macht sie freiwillig, ohne Auftrag. Denn ein paar Kilometer weiter steht der ebenfalls komplett überflutete Balkhauser Kotten, dessen Kuratoriumsvorsitzende sie ist. Sie weiß deshalb genau, wie sich die Unterburger jetzt fühlen.
Die haben vor allem auch weiter Unverständnis für den Wupperverband. Astrid Katzer wohnt im Bereich der neuen Fischtreppe. In ihr Haus sei bereits im November vergangenen Jahres Wasser in den Keller eingedrungen. Sie wohnt seit ihrer Geburt in Burg. „So viel Wasser habe ich noch nie erlebt.“Denn es floss auch über die Straße Mühlendamm. Nachbarin Birgit Siekmann, sie wohnt auch schon immer in Burg, erklärt sich das mit dem neuen Verlauf des Eschbachs durch die Fischtreppe. Der Bach fließe jetzt viel näher im Kurvenbereich an den Mühlendamm heran. Außerdem fehle der frühere hohe Damm, der einst die Fußgängerbrücke und später die Behelfsbrücke getragen habe. Da habe der Eschbach leichtes Spiel gehabt.
Der Mühlendamm ist immer noch nicht befahrbar, im Bereich des neuen Hochwasserschutzes hat die Flut des Eschbachs ein halbes Haus und einige Meter Böschung mitgerissen. So türmt sich bei Astrid Katzer der Unrat aus der Flutnacht und stinkt bereits gewaltig, denn ohne Straße kommen die Helfer der Technischen Betriebe nicht ran an den fauligen Berg.
Bevor Bürgermeister Voigt wieder vom Dach des Oldtimer-Feuerwehrwagens herunterklettert, will er sich noch bedanken – nicht als Politiker, sondern als Unterburger. Er zählt die Freiwillige Feuerwehr auf, die ganzen Vereinsmitglieder, die Nachbarn, die sich gegenseitig unterstützen und die Helfer der verschiedenen Stellen der Stadt und Organisationen, die mit anpackten. Der nachfolgende Applaus wirkt so, als machten die Burger sich selbst Mut für die Wochen des Wiederaufbaus.