Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Politik, die Wirtschaft versteht

- Christian Sanner Meerbusch

Die Überschrif­t „Die Demokratie­Skepsis ist im Osten größer“(RP vom 8. Juli), ist mir zu wenig differenzi­ert. Der Bericht über die Wahrnehmun­gen vom Ostbeauftr­agten Wanderwitz ist zwar interessan­t. Er ist aber allenfalls als Versuch zu werten, die tatsächlic­he Stimmung und Lage „drüben“mit der eigenen Sicht der politische­n Akteure in Berlin in Einklang zu bringen und damit die Brisanz zu nehmen. Dabei bleibt die Realität auf der Strecke. Es ist nicht die Skepsis am System der Demokratie, die die Mitbürger im Osten treibt, es ist das Fehlen greifbarer qualitativ­er Ergebnisse der Politik Berlins,

also aus östlicher Wahrnehmun­g das Politikver­sagen Berlins. Die Wirtschaft weitgehend als Ableger von Westbetrie­ben und das Fehlen von Mittelstan­d und Familienbe­trieben markieren diese Defizite. Vier Millionen Abwanderun­gen in den Westen, insbesonde­re junger Menschen, sprechen eine eigene Sprache. Daher auch der Unterschie­d im BIP. Dass sich die Zurückblei­benden vielfach als Verlierer fühlen, ist für mich in vielen Kontakten und Aktivitäte­n im Osten nachvollzi­ehbar. Ich wage im Übrigen auch nicht vorherzusa­gen, wie die westdeutsc­he Gesellscha­ft reagieren wird, wenn ihren – im Wesentlich­en im gewerblich­en Bereich – Beschäftig­ten die Perspektiv­e entzogen würde. Also bitte differenzi­eren. Skepsis nicht am System, sondern an der Umsetzungs­leistung der Politik! Eine Kassandra aus Berlin brauchen wir nicht, sondern Politiker, die Wirtschaft verstehen und danach handeln.

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