Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Politik, die Wirtschaft versteht
Die Überschrift „Die DemokratieSkepsis ist im Osten größer“(RP vom 8. Juli), ist mir zu wenig differenziert. Der Bericht über die Wahrnehmungen vom Ostbeauftragten Wanderwitz ist zwar interessant. Er ist aber allenfalls als Versuch zu werten, die tatsächliche Stimmung und Lage „drüben“mit der eigenen Sicht der politischen Akteure in Berlin in Einklang zu bringen und damit die Brisanz zu nehmen. Dabei bleibt die Realität auf der Strecke. Es ist nicht die Skepsis am System der Demokratie, die die Mitbürger im Osten treibt, es ist das Fehlen greifbarer qualitativer Ergebnisse der Politik Berlins,
also aus östlicher Wahrnehmung das Politikversagen Berlins. Die Wirtschaft weitgehend als Ableger von Westbetrieben und das Fehlen von Mittelstand und Familienbetrieben markieren diese Defizite. Vier Millionen Abwanderungen in den Westen, insbesondere junger Menschen, sprechen eine eigene Sprache. Daher auch der Unterschied im BIP. Dass sich die Zurückbleibenden vielfach als Verlierer fühlen, ist für mich in vielen Kontakten und Aktivitäten im Osten nachvollziehbar. Ich wage im Übrigen auch nicht vorherzusagen, wie die westdeutsche Gesellschaft reagieren wird, wenn ihren – im Wesentlichen im gewerblichen Bereich – Beschäftigten die Perspektive entzogen würde. Also bitte differenzieren. Skepsis nicht am System, sondern an der Umsetzungsleistung der Politik! Eine Kassandra aus Berlin brauchen wir nicht, sondern Politiker, die Wirtschaft verstehen und danach handeln.