Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Viele Leute sind noch zögerlich“
Die Pandemie hat einige Hochzeitsplanungen durcheinandergebracht. Über 70 Eheschließungen wurden im Jahr 2020 abgesagt.
Seit Juni kann Patricia Pancic an der Gertenbachstraße in Lüttringhausen wieder Brautkleider verkaufen. Viele kurzfristige Einkäufe seien nun dabei, sagt die Remscheiderin. Und vor allem viele schnörkellose Kleider. Gekauft für eine Gartenparty, in kleiner Runde, ganz spontan. „Dass wir gerade so viele schlichte Kleider verkaufen, hat aber glaube ich weniger mit der Pandemie zu tun, sondern eher damit, dass diese gerade einfach im Trend liegen. Wir haben im vergangenen Jahr zum Beispiel auch noch ein Prinzessinnenkleid mit Reifrock verkauft“, sagt Pancic.
Als die Corona-Zahlen besonders hoch waren, seien viele Bräute auf eigenen Wunsch ganz allein in das Geschäft mit dem Namen „Froschkönigin“gekommen, hätten sich mit Freundinnen zum Videoanruf verabredet und ihre Kleider präsentiert, eine Modenschau über das Handydisplay, Beratung auf Distanz. Das sei jetzt anders. Die meisten Frauen hätten wieder zwei bis drei Begleitpersonen mit, wenn sie zu einem Termin zur Anprobe kämen. Und noch eine Sache sei auffällig, sagt Pancic: „Einige Kundinnen sind dabei, die eigentlich bereits ein Kleid haben, aber bei uns nun ein neues suchen, weil ihnen das alte, das sie noch vor Corona gekauft hatten, nach all der Zeit nicht mehr gefällt.“
Neuer Termin, neue Location, neues Kleid: Das Virus hat viele Hochzeitspläne durcheinandergebracht. Eine Trauung im Standesamt – das ging in den vergangenen Monaten mal nur mit zehn Leuten, mal nur mit den Trauzeugen und mal nur zu zweit. Eine große Feier mit vielen Verwandten und noch mehr Umarmungen am Ausgang? Unter diesen Umständen nicht möglich. Viele Paare entschieden sich darum dafür, ihre Hochzeit auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Über 70 Eheschließungen wurden laut dem Standesamt der Stadt Remscheid im Jahr 2020 abgesagt.
Sinkende Inzidenz-Zahlen – das bedeutet jedoch auch für den
Hochzeitsbereich: immer mehr Lockerungen. Standesamtliche Trauungen sind im Moment – je nach Zimmer – fast wieder in normalen Größenordnungen möglich. Nur eine Maske müssen alle tragen. Ein Nachweis, ob Brautpaar und Gäste getestet, genesen oder geimpft sind, ist nicht erforderlich. Heißt das, dass in Remscheid nun wieder mehr Paare heiraten?
„Wir bemerken einen Aufschwung, aber nicht in dem Maße, in dem die Hochzeiten im vergangenen Jahr abgesagt worden sind“, sagt Andreas Levermann. Er ist Leiter des Standesamtes. „Ich habe das Gefühl, dass viele Leute immer noch ein bisschen zögerlich sind. Einige Paare mussten ihre Feier schließlich schon zweimal verschieben. Die dachten Anfang 2020 erst, dass alles schnell vorübergehen würde. Dann kam der entspannte Sommer. Und dann doch wieder der Lockdown.“
Insgesamt 382 Paare haben sich im vergangenen Jahr das Ja-Wort gegeben. Das sind 94 weniger als 2019 – da waren es noch 476. Im Jahr 2018 gab es in Remscheid 494 Trauungen.
2017 wurden 417 Ehen geschlossen. „Getraut wurde im Standesamt auch
2020 die ganze Zeit über, die Absagen lagen also nicht am Standesamt, sondern einfach an den fehlenden Möglichkeiten, danach zu feiern“, sagt Levermann. In diesem Jahr hätten in Remscheid bisher knapp über 200 Paare geheiratet. Dass die Termine für eine Trauung jetzt vermehrt sehr kurzfristig reserviert werden, könne er bisher jedoch nicht feststellen.
Eine große Nachfrage nach neuen Terminen für Hochzeiten konnte
auch Pfarrerin Kristiane Voll von der Evangelischen Kirchengemeinde Lüttringhausen nicht bemerken. „Die habe ich aber auch nicht erwartet. Ein Paar, das eigentlich im vergangenen Jahr heiraten wollte, hatte zum Beispiel bereits nach der Absage festgelegt, dass sie lieber noch nichts wieder planen wollen, sondern erst abwarten wollen, bis sie wirklich wieder mit allen zusammen feiern können“, sagt die Pfarrerin.
Zwei Trauungen habe sie 2020 trotz Corona-Beschränkungen feiern können. Eine im August unter freiem Himmel im Außenbereich eines Restaurants – Voll hatte dafür eine Ausnahmeregelung beantragt – und eine im September mit etwa
70 Personen in der Kirche. Geplant seien eigentlich mehr Trauungen gewesen. Doch teils habe die Gemeinde selbst die Gottesdienste absagen müssen, teils hätten sich die Paare für eine Absage entschieden. Auch für dieses Jahr stehen bei Voll nur zwei Hochzeiten im Kalender – wieder im August und im September.
Für Hochzeitsplanerin Elena Böcker – Inhaberin der Remscheider Agentur „Traufräulein“– geht die Arbeit in diesem Jahr erst jetzt so richtig los. „Lange Zeit hatten wir gar keine Anfragen, aber seit etwa sechs Wochen bekommen wir wieder jeden Tag welche“, sagt sie. Vier Hochzeiten konnte Böcker in diesem Jahr planen, etwa 25 stehen noch aus. Das sind viele im Vergleich zu den sechs Trauungen, die sie 2020 organisieren konnte. Aber immer noch wenige im Vergleich zu den 60 bis 80 Feiern, die bei Böcker sonst pro Jahr im Kalender stehen.
„Wir mussten durch die Pandemie auf jeden Fall lernen, uns in Geduld zu üben und einige logistische Herausforderungen meistern. Wenn eine Hochzeit verschoben wird, sind schließlich im Schnitt noch zehn bis
15 Dienstleister beteiligt, die alle am Ersatztermin können müssen“, sagt die Remscheiderin. Aktuell plane sie die Hochzeit eines Paares, das sich spontan dazu entschieden habe, im kleinen Kreis in Andalusien zu feiern. Heiraten nur mit den engsten Verwandten und Freunden – ein Trend, der Böcker zufolge wohl erst einmal bestehen bleibt. Zu unsicher sei immer noch die Corona-Lage. Fünfmal habe ein Paar, das sie betreut, bisher seine Trauung verschieben müssen. Im Oktober soll es endlich so weit sein. „Ich habe großen Respekt davor, dass sie noch immer nicht die Lust verloren haben und drücke die Daumen, dass es klappt“, sagt Böcker.