Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Musiktheater handelt von Mut während der Krise
Das Stück „O ihr Menschen!“verbindet beim Düsseldorf-Festival Beethovens „Heiligenstädter Testament“mit heutigen Künstlerbiografien.
In einem Brief an seine Brüder schrieb Beethoven sich die Verzweiflung über seine zunehmende Ertaubung von der Seele. Der in Heiligenstadt bei Wien verfasste Text ist bekannt als „Heiligenstädter Testament“. Johanneskirchen-Kantor Wolfgang Abendroth komponierte anlässlich des Beethoven-Jahres 2020 ein Musiktheaterstück mit dem Titel „O ihr Menschen!“– ein Ausruf, der in Beethovens Brief vorkommt.
Das „Testament“bildet den Prolog zur Vertonung weiterer Texte, die
Schauspielerin und Autorin Maria Hartmann verfasst hat. Das Stück sollte ursprünglich im Vorjahr uraufgeführt werden und wurde aufgrund der Corona-Pandemie verschoben.
In sechs Szenen, hinter der reale Biografien stecken, geht es aber nicht um Beethoven selbst als vielmehr um Krisenmomente und Wendepunkte im Leben mehrerer Protagonisten. Die Komposition kommt ohne Beethoven-Zitate aus und entspringt ganz der Fantasie Abendroths. Beethoven und sein „Heiligenstädter Testament“liefern nur die Idee und den ersten Impuls.
„Wenn ich das ,Heiligenstädter Testament’ lese, empfinde ich es so, dass Beethoven kurz vor dem Suizid war“, sagt Abendroth. Das Entscheidende aber sei, dass sich Beethoven aus dieser Krise herausgekämpft habe: „Danach sind seine größten Werke entstanden.“Mit dem Musiktheaterstück soll eine entsprechend positive Botschaft vermittelt werden.
Die erste Szene handelt von einer Frau namens Helen Keller, taubstumm und blind. „Mit 16 hat sie gelernt zu sprechen“, berichtet Abendroth. Sie sei Schriftstellerin
geworden und Gewerkschafterin. Die Texte dieser Szene stammen teilweise von ihr selbst: „Obwohl sie nie Blumen gesehen hat, konnte sie Poesie über sie schreiben.“
In einer weiteren Szene sieht man ein Ehepaar, Moltke, am absoluten Lebenstiefpunkt. Ort und Zeit: das Dritte Reich. Der Mann wird schließlich von den Nazis ermordet. Zuvor schreiben sich die christlich geprägten Eheleute Briefe, aus denen nun zitiert wird. „Er macht sich innerlich frei, um diesen Weg zu gehen“, schließt Abendroth aus der Brieflektüre.
Zu erleben sind sechs Szenen einschließlich eines heiteren Intermezzos: „Für immer verrückt“. Das sei eine Art Scherzo nach dem Traurigen, erläutert Wolfgang Abendroth. Traurigkeit stehe somit auch gar nicht im Zentrum. „Es ist ein Stück, das Mut machen soll.“Die Uraufführung findet am Freitag, 5. November, 19.30 Uhr, in der Johanneskirche, Martin-Luther-Platz 39, statt. Weitere Termine gibt es am Samstag, 6., und Sonntag, 7. November, jeweils um 18 Uhr.
www.duesseldorf-festival.de