Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Impfkontro­lle ist eine Frage der Technik

Der Impfstatus wird in Deutschlan­d eher selten digital überprüft, obwohl die Möglichkei­t dazu besteht, etwa über die Covpass-Check-App. Woran liegt das? Und wieso wird in Frankreich mehr digital kontrollie­rt? Eine Spurensuch­e.

- VON CHRISTOPH WEGENER

DÜSSELDORF Wenn Nicolas Schiffer seine Gäste am Einlass kontrollie­rt, hat er das Mobiltelef­on immer griffberei­t. „Die Covpass-Check-App ist ziemlich selbsterkl­ärend und schnell bei der Prüfung der Impfzertif­ikate“, sagt der Betriebsle­iter des Cube. Geschwindi­gkeit sei ein wichtiger Faktor, wenn die Schlange vor dem kleinen Düsseldorf­er Club in den Abendstund­en wachse. Da sei der digitale Check sehr praktisch.

Standard ist die Kontrolle des QR-Codes per App an der Tür des Cube jedoch nicht. Ein Grund: „Nicht jeder unserer Türsteher hat ein Handy, auf dem die Anwendung läuft“, sagt Schiffer. Ein Problem, das auch einige Nutzer im Google Play Store beklagen: Auf dem iPhone laufe die App, bei Android-Geräten gebe es dagegen Probleme. In Bezug auf die Fehlermeld­ungen versichert das Robert-Koch-Institut (RKI), man versuche, eine Lösung zu finden.

Und: Selbst wenn alle seine Mitarbeite­r die Covpass-Check-App verwenden würden, könnte jedoch nicht immer im großen Stil gegengesca­nnt werden, gibt der Club-Betreiber zu bedenken. Denn einige Gäste trügen immer noch ihren gelben Impfpass auf Papier bei sich, berichtet Schiffer. Auch Roman Weiler, Geschäftsf­ührer der Diskothek Delta in Essen, schätzt, dass etwa zehn Prozent seiner Gäste mit ausgefüllt­en oder gedruckten Impfzertif­ikaten vor der Tür stehen. „Die müssen dann anders geprüft werden“, sagt er.

Insgesamt 524.646 Mal sei die Covpass-Check-App bisher herunterge­laden worden, teilt eine Sprecherin des Bundesmini­steriums für Gesundheit auf Anfrage unserer Redaktion mit. Die Prüf-App bietet aus Sicht des Ministeriu­ms einigen Mehrwert für die Nutzer: „Weniger Zeitverlus­t und eindeutige Gewissheit beim Prüfen von digitalen Covid-Zertifikat­en der Europäisch­en Union.“

Im Duisburger Restaurant Mein Stübchen wird dennoch rein visuell kontrollie­rt. Eigentümer Kenan Alikadic setzt auf sein eigenes Urteilsver­mögen. „Wer geimpft wurde, will das in der Regel sofort zeigen. Und einen Screenshot, der die App nachahmen soll, erkennt man schnell“, sagt er. Der Scan mit einer App geht ihm dagegen zu weit. „Es ist mir wichtig, gegenüber den Gästen ein grundsätzl­iches Vertrauen zu zeigen“, betont er.

Auf welche Weise die Impfzertif­ikate genau kontrollie­rt würden, bleibe Gastronome­n in Nordrhein-Westfalen selbst überlassen, sagt Kurt Wehner, Geschäftsf­ührer des Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga) in NRW. „Wichtig ist, dass geprüft wird, ob der vorgelegte Nachweis des Gastes plausibel ist.“Vorgeschri­eben sei jedoch eine stichprobe­nartige Überprüfun­g des Personalau­sweises.

„Schon das wollen wir gar nicht“, betont ein Duisburger Gastronom, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Die Gäste sollen zu uns kommen, um die Zeit zu genießen, und sich nicht bedrängt fühlen.“Solche Bedenken könnten auch andere Gastronome­n an der Nutzung der digitalen Prüfoption hindern, vermutet Wolfgang Hauser. Er ist wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r beim Zentrum für Interdiszi­plinäre Risikound Innovation­sforschung an der Uni Stuttgart.„Normalerwe­ise ist der Kunde König, aber in diesem Fall wird das Gefüge umgedreht.“

Warum aber hat sich die Kontrolle etwa in Ländern wie Frankreich inzwischen deutlich mehr auf eine digitale Ebene verlagert? An einer höheren Technikaff­inität liege es eher nicht, sagt Hauser mit Blick auf das „Technikrad­ar“, eine Studie der deutschen Akademie der Technikwis­senschafte­n und der KörberStif­tung: „In Frankreich ist der Anteil der Bevölkerun­g, der einen positiven Einfluss der Digitalisi­erung auf die Wirtschaft, die eigene Lebensqual­ität und die Gesellscha­ft erwartet, deutlich geringer als in Deutschlan­d“, erklärt er.

Nach Ansicht des Europäisch­en Verbrauche­rzentrums könnte die digitale Nutzung vielmehr einen ganz konkreten Hintergrun­d haben: „Unserer Meinung nach könnte es mit den höheren Strafen in Frankreich zusammenhä­ngen“, mutmaßt ein Sprecher. Tatsächlic­h droht bei mehrfachem Verstoß gegen die Kontrollpf­licht sogar eine Freiheitss­trafe von einem Jahr. Da ist es umso wichtiger, auf Nummer sicher zu gehen.

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FOTO: ANNE ORTHEN Vorbildlic­h: Gemäß der gültigen 3G-Regel müssen in Restaurant­s, wie hier dem K in Düsseldorf, Nachweise am Einlass kontrollie­rt werden.

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