Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Impfkontrolle ist eine Frage der Technik
Der Impfstatus wird in Deutschland eher selten digital überprüft, obwohl die Möglichkeit dazu besteht, etwa über die Covpass-Check-App. Woran liegt das? Und wieso wird in Frankreich mehr digital kontrolliert? Eine Spurensuche.
DÜSSELDORF Wenn Nicolas Schiffer seine Gäste am Einlass kontrolliert, hat er das Mobiltelefon immer griffbereit. „Die Covpass-Check-App ist ziemlich selbsterklärend und schnell bei der Prüfung der Impfzertifikate“, sagt der Betriebsleiter des Cube. Geschwindigkeit sei ein wichtiger Faktor, wenn die Schlange vor dem kleinen Düsseldorfer Club in den Abendstunden wachse. Da sei der digitale Check sehr praktisch.
Standard ist die Kontrolle des QR-Codes per App an der Tür des Cube jedoch nicht. Ein Grund: „Nicht jeder unserer Türsteher hat ein Handy, auf dem die Anwendung läuft“, sagt Schiffer. Ein Problem, das auch einige Nutzer im Google Play Store beklagen: Auf dem iPhone laufe die App, bei Android-Geräten gebe es dagegen Probleme. In Bezug auf die Fehlermeldungen versichert das Robert-Koch-Institut (RKI), man versuche, eine Lösung zu finden.
Und: Selbst wenn alle seine Mitarbeiter die Covpass-Check-App verwenden würden, könnte jedoch nicht immer im großen Stil gegengescannt werden, gibt der Club-Betreiber zu bedenken. Denn einige Gäste trügen immer noch ihren gelben Impfpass auf Papier bei sich, berichtet Schiffer. Auch Roman Weiler, Geschäftsführer der Diskothek Delta in Essen, schätzt, dass etwa zehn Prozent seiner Gäste mit ausgefüllten oder gedruckten Impfzertifikaten vor der Tür stehen. „Die müssen dann anders geprüft werden“, sagt er.
Insgesamt 524.646 Mal sei die Covpass-Check-App bisher heruntergeladen worden, teilt eine Sprecherin des Bundesministeriums für Gesundheit auf Anfrage unserer Redaktion mit. Die Prüf-App bietet aus Sicht des Ministeriums einigen Mehrwert für die Nutzer: „Weniger Zeitverlust und eindeutige Gewissheit beim Prüfen von digitalen Covid-Zertifikaten der Europäischen Union.“
Im Duisburger Restaurant Mein Stübchen wird dennoch rein visuell kontrolliert. Eigentümer Kenan Alikadic setzt auf sein eigenes Urteilsvermögen. „Wer geimpft wurde, will das in der Regel sofort zeigen. Und einen Screenshot, der die App nachahmen soll, erkennt man schnell“, sagt er. Der Scan mit einer App geht ihm dagegen zu weit. „Es ist mir wichtig, gegenüber den Gästen ein grundsätzliches Vertrauen zu zeigen“, betont er.
Auf welche Weise die Impfzertifikate genau kontrolliert würden, bleibe Gastronomen in Nordrhein-Westfalen selbst überlassen, sagt Kurt Wehner, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in NRW. „Wichtig ist, dass geprüft wird, ob der vorgelegte Nachweis des Gastes plausibel ist.“Vorgeschrieben sei jedoch eine stichprobenartige Überprüfung des Personalausweises.
„Schon das wollen wir gar nicht“, betont ein Duisburger Gastronom, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Die Gäste sollen zu uns kommen, um die Zeit zu genießen, und sich nicht bedrängt fühlen.“Solche Bedenken könnten auch andere Gastronomen an der Nutzung der digitalen Prüfoption hindern, vermutet Wolfgang Hauser. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Zentrum für Interdisziplinäre Risikound Innovationsforschung an der Uni Stuttgart.„Normalerweise ist der Kunde König, aber in diesem Fall wird das Gefüge umgedreht.“
Warum aber hat sich die Kontrolle etwa in Ländern wie Frankreich inzwischen deutlich mehr auf eine digitale Ebene verlagert? An einer höheren Technikaffinität liege es eher nicht, sagt Hauser mit Blick auf das „Technikradar“, eine Studie der deutschen Akademie der Technikwissenschaften und der KörberStiftung: „In Frankreich ist der Anteil der Bevölkerung, der einen positiven Einfluss der Digitalisierung auf die Wirtschaft, die eigene Lebensqualität und die Gesellschaft erwartet, deutlich geringer als in Deutschland“, erklärt er.
Nach Ansicht des Europäischen Verbraucherzentrums könnte die digitale Nutzung vielmehr einen ganz konkreten Hintergrund haben: „Unserer Meinung nach könnte es mit den höheren Strafen in Frankreich zusammenhängen“, mutmaßt ein Sprecher. Tatsächlich droht bei mehrfachem Verstoß gegen die Kontrollpflicht sogar eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Da ist es umso wichtiger, auf Nummer sicher zu gehen.