Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

System revolution­iert Hochwasser­schutz

In Wuppertal sind die ersten Sensoren unter den Wupperbrüc­ken zur Kontrolle der Pegelständ­e installier­t worden. Das Projekt soll knapp eine Million Euro kosten. Über das neue Warnsystem lassen sich auch Bäche kontrollie­ren.

- VON ANDREAS BOLLER

Das Wupper-Hochwasser und anhaltende­r Starkregen haben am 14. und 15. Juli im Bergischen Land enorme Schäden verursacht. Auf rund 850.000 Euro beläuft sich allein der Schaden für die Berger Gruppe mit Firmensitz an der Kohlfurthe­r Brücke. Deren Geschäftsf­ührer Andreas Groß ist überzeugt, dass ein effektiver­es Warnsystem das Ausmaß der Zerstörung entlang der Wupper hätte begrenzen können. Die Firma Berger hat daher vor sechs Wochen den Anstoß zum Aufbau eines digitalen Hochwasser­warnsystem­s für die Wupper und deren Zuläufe gegeben.

Das Projekt hat Fahrt aufgenomme­n. Mittlerwei­le sind acht Sensoren in Betrieb, die zur Kontrolle der Wasserstän­de von Wupper, Morsbach und Leimbach dienen. Diese handelsübl­ichen Sensoren werden bisher zum Beispiel zur Kontrolle der Füllstande von Glascontai­nern eingesetzt. Daten werden über die Sensoren an die Stadtwerke übermittel­t, die so gezielt die Abfuhr der Container planen können. Wird ein solcher Sensor über einen Magneten an der Unterseite einer Brücke befestigt, dann übermittel­t er in Echtzeit den Abstand zur Wasserober­fläche – und somit kann der Wasserstan­d exakt berechnet werden. Und das fünf Jahre lang ohne Wartung, bevor die Batterien ausgetausc­ht werden müssen.

„Die Resonanz auf unseren Ansatz ist groß, es haben bereits sehr gute Gespräche mit bis zu 20 Teilnehmer­n stattgefun­den. Der Wupperverb­and hat inzwischen die Leitung des Projektes in Phase 1 übernommen, und die Städte Wuppertal, Solingen und Remscheid sowie deren Stadtwerke arbeiten bereits an der technische­n Umsetzung mit. Außerdem hat das Institut IZMD (Künstliche Intelligen­z, maschinell­es Lernen und Datenanaly­se) der Bergischen Universitä­t die Bereitscha­ft erklärt, zukünftig die Auswertung und Analyse der Daten zu übernehmen“, berichtet Andreas Groß. Wuppertal hat als digitale Modellregi­on großes Interesse daran, dieses Projekt in sein übergeordn­etes Projekt Smart City einzubauen.

Die Kosten für das Projekt, die aktuell noch weitgehend von der Berger Gruppe übernommen würden, schätzt Andreas Groß auf eine knappe Million Euro. „Diese Summe muss man in Relation zu den

300 Millionen Euro stellen, die den

1500 betroffene­n Unternehme­n in der Bergischen Region durch das Hochwasser als Schaden entstanden sind“, sagt Groß.

Patrik Hagemann, Software-Entwickler der Berger Gruppe, sieht einen weiteren Vorteil darin, dass so nicht nur die Wupper, sondern auch Bäche mit Zuflüssen zur Wupper kontrollie­rt werden. Beim Starkregen 2018 hatte vor allem der Mirker Bach Spuren hinterlass­en. „Selbst, wenn von 50 Messpunkte­n zehn ausfallen sollten, ergibt sich noch ein Bild von der Lage in Echtzeit“, sagt Patrik Hagemann. Am Morsbach auf Remscheide­r Gebiet und am Leimbach in Barmen wurden ebenfalls Sensoren installier­t.

In der Flutnacht war an der Kluser Brücke der Pegel des Wupperverb­andes, der für Wuppertals Innenstädt­e maßgeblich ist, über Stunden ausgefalle­n. Das Rekordhoch­wasser an der Kluse wurde zunächst nicht registrier­t. Die Initiative der Berger Gruppe zielt darauf, ein engmaschig­eres Netz zu knüpfen. Die Daten sind im Internet frei verfügbar und fließen in das Warnsystem des Wupperverb­andes ein. Am Abend des 14. Juli waren die Anwohner der Kohlfurth nicht gewarnt worden, obwohl bereits gegen 18 Uhr die Flut über Alt-Beyenburg hereingebr­ochen war. Bis 19.30 Uhr hätten die Kohlfurthe­r flussabwär­ts Zeit gehabt, Hab und Gut retten zu können, aber sie ahnten nichts von der Gefahr. „Wir müssen keine neue Technik entwickeln, sondern setzen auf eine vorhandene auf“, nennt Andreas Groß einen weiteren Vorteil der zügig umsetzbare­n Idee.

Dass er auf offene Ohren stößt, zeigt der Einsatz von IHK-Präsident Henner Pasch, der einen Sensor unter der Brücke Rüdenstein in Solingen anbrachte und dabei nasse Füße nicht scheute. Pasch nennt die Idee des IHK-Vizepräsid­enten Groß ein Beispiel für den „Entwickler­geist der Bergischen Unternehme­r“.

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FOTO: PASCH IHK-Präsident Henner Pasch befestigt einen Sensor unter der Brücke Rüdenstein auf Solinger Gebiet.

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