Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Technik für die „Stroke Unit“ist komplett
Die neue biplanare Angiographie-Anlage am Klinikum soll ein breites Behandlungsspektrum für Gefäß-Erkrankungen im Gehirn- und Rückenmark abdecken. Die Ärzte sprechen von einem „Quantensprung.“
SOLINGEN Mit ihrer Herz-Operation steht der unbekannten Patientin ein großer Schritt erst noch bevor. Einen anderen hat sie bereits hinter sich: Das Team des neu am Klinikum Solingen beheimateten Institutes für Neuroradiologie hat Verengungen der Hirnarterie und der Halsschlagader aufgeweitet und Stents eingesetzt.
Die betroffenen Stellen zeigt dessen Chefarzt Dr. Hannes Nordmeyer auf einem riesigen Display – und demonstriert, wie ihm die Technik der jüngsten Generation bei der Arbeit hilft: Auf Knopfdruck fährt ein System aus zwei versetzt angeordneten Bögen an den Behandlungstisch heran. Beide lassen sich an die gewünschte Position drehen. Die ganze Apparatur erinnert ein wenig an die gewaltigen Roboter industrieller Produktionsstrecken – und nimmt den Großteil des Raumes in Anspruch.
Vor allem aber schwärmt Nordmeyer: „Es ist ein Quantensprung.“Denn die biplanare AngiographieAnlage der Systemfamilie „Artis icono“von Siemens – die neueste auf dem Markt – soll künftig bei geschätzt mehr als 600 Patienten pro Jahr am Klinikum zum Einsatz kommen.
Das Behandlungsspektum umfasst dabei sämtliche Erkrankungen der Arterien- und Venen im Gehirn und Rückenmark. Die Versorgung akuter Schlaganfälle gehört dazu, ebenso wie die Behandlung von Aneurysmata – sei es aus prophylaktischen Gründen oder (deutlich seltener) im unmittelbar lebensbedrohlichen Notfall eines Risses. Aber auch im Vorfeld von Tumor-Operationen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich wird das hochmoderne Gerät genutzt, um die Blutversorgung des betroffenen Areals praktisch auszuschalten und somit nicht mehr auf Blutkonserven angewiesen zu sein. Die Hälfte aller Eingriffe seien aber Thrombektomien, also die Entfernung von Blutgerinnseln, sagt Nordmeyer.
Der Vorzug des neuen Geräts liege vor allem in der größeren Präzision: So könne man die Gefäße durch die Abbildung in zwei Ebenen dreidimensional betrachten und hochpräzise CT-Aufnahmen anfertigen. Außerdem fahre die Anlage eigenständig wieder auf frühere Positionen zurück. So spare man viel Zeit,
Strahlenbelastung und Kontrastmittel. „Das ist vor allem schonender für die Patientinnen und Patienten, schützt jedoch auch die an den Eingriffen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, erklärt Nordmeyer. Zudem könne man mit der modernen Technologie kleinste Gefäßverschlüsse, die aber gravierende Behinderungen zur Folge haben können, mit geringem Risiko öffnen.
Derzeit beteilige sich das Klinikum an einer Studie, die aufzeigen soll, in welchem Maße Patienten davon profitierten, ergänzt Professor Dr. Marcel Dihné, Chefarzt der Neurologie.
Die Anschaffung des Gerätes sieht Professor Dr. Martin Eversmeyer, Vorsitzender der Geschäftsführung am Klinikum, als „entscheidenden Meilenstein für die Integration der
Schlaganfallversorgung in unser Haus.“Denn schließlich liegt der Umzug der gesamten Neurologie aus der inzwischen geschlossenen St. Lukas Klinik in Ohligs keine drei Monate zurück.
„Wir mussten unsere Versorgung auf Knopfdruck erweitern“, sagt der Medizinische Geschäftsführer Professor, Dr. Thomas Standl. Manche der neurologischen Patienten habe man in der Zwischenzeit auf einer Anlage der Kardiologie betreut, berichtet Nordmeyer. Andere brachte der Rettungsdienst in umliegende Krankenhäuser. „Er hat uns in der Zeit des Umbruchs sehr gut den Rücken freigehalten“, betont wiederum Dihné.
Ein neues Kapitel der Zusammenarbeit bei der Neurologie und Schlaganfallversorgung schreibt das Klinikum derweil gemeinsam mit dem Evangelischen Krankenhaus Mettmann. Das wird spätestens ab Mai ebenfalls Patienten mit entsprechenden Erkrankungen aufnehmen. Beide Krankenhäuser wollen sich „teleradiologisch“vernetzen. Das bedeutet, dass CT-Befunde in beiden Häusern unmittelbar verfügbar sind. Und während einer möglichen Verlegung könne man am Ziel-Krankenhaus schon alles für den Eingriff vorbereiten, erklärt Eversmeyer: „So gibt es für die Patienten keinen Zeitverlust.“