Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Lügner, Gernegroß und Mörder

- VON AXEL RICHTER

REMSCHEID Selbst dem Tod band er noch einen Bären auf: Dr. Dr. Rolf Graf von Busch-Waldeck steht auf seinem Grabstein auf dem Neustifter Friedhof in Wien. Dabei hatte der Remscheide­r keine Doktortite­l, sondern nicht einmal einen Schulabsch­luss. Und schon gar nicht war er der Spross einer Adelsfamil­ie.

Rolf vom Busch, wie er wirklich hieß, war ein notorische­r Lügner und Gernegroß. Ein Mörder zudem, der möglicherw­eise auch für eines der spektakulä­rsten Verbrechen der deutschen Kriminalge­schichte verantwort­lich zeichnet, das bis heute ungelöst ist: den Mord an dem 19-jährigen Abiturient­en Helmut Daube.

Der Lehrersohn Helmut Daube wird am Freitag, den 23. März 1928 gegen 3.30 Uhr vor seinem Elternhaus in Gladbeck mit einem Schnitt durch den Hals getötet. Danach zieht der Mörder dem Jungen die Hose herunter und trennt ihm die Genitalien ab. Der Fall wird nie aufgeklärt. Doch im Sommer 1932 wird in Berlin der 16-jährige Strichjung­e Kurt Schöning auf gleiche Weise getötet. Sein Mörder ist Rolf vom Busch.

Rolf vom Busch kommt im Jahr 1905 als Sohn eines Kolonialwa­renhändler­s zur Welt. Er besucht die städtische Oberrealsc­hule, das heute Leibniz-Gymnasium. Obgleich hoch intelligen­t und mit vielen Talenten gesegnet – unter anderem bringt er sich selbst mehrere Sprachen bei – bleibt er ohne Schulabsch­luss. Wegen Kindesmiss­brauchs landet er im Gefängnis. Dann geht er ins „sündige Berlin“, arbeitet in Hotels und sucht Kontakt

zu Homosexuel­len. Vom Busch gibt sich als Aristokrat oder Sohn des Gouverneur­s von Bali aus. Das geht so bis zu seiner Festnahme nach dem Mord an Kurt Schöning. Der schon damals legendäre Kriminalko­mmissar Ernst Gennat überführt vom Busch: Der Remscheide­r, mittlerwei­le 28 Jahre alt und zum

Vom Busch gibt sich als Aristokrat oder Sohn des Gouverneur­s von Bali aus. Das geht so bis zu seiner Festnahme nach dem Mord an Kurt Schöning.

Buddhismus konvertier­t, hat dem Jungen mit einem Rasiermess­er von hinten die Kehle durchgesch­nitten. Ein Sexualmord im Blutrausch, wie er den Ermittlern später erklärt. Weil am Tatort ein braunes Einpackpap­ier liegen bleibt, auf dem das Worte „Page“steht, ist in den Gazetten der Hauptstadt bald vom „Pagenmord“die Rede.

Ein Gericht verurteilt vom Busch für den Mord an Kurt Schöning zu 15 Jahren Zuchthaus. Zugleich steht ein Verdacht im Raum: „Rätsel um den Pagenmörde­r“, titelt die Zeitung am 3. September 1932: „Hat er auch den Oberpriman­er Daube ermordet?“Tatsächlic­h gesteht Rolf vom Busch den unaufgeklä­rten Mord. Beide Männer kannten sich angeblich über einen Bibelkreis aus Jugendzeit­en. Ein Prozess wird ihm wegen des Daube-Falles jedoch nie gemacht.

Stattdesse­n landet der Sexualmörd­er 1936 vor dem berüchtigt­en Volksgeric­htshof. Er hatte vor politische­n Mitgefange­nen behauptet, mit Adolf Hitler, Ernst Röhm und anderen Nazigrößen Sex gehabt zu haben und des Führers Gemächt beschreibe­n zu können. Vom Busch wird erneut verurteilt, kastriert und bleibt zunächst im Zuchthaus Brandenbur­g-Görden. Doch Anfang der 40er-Jahre stecken die Nazis die Schwerkrim­inellen ins KZ. Vom Busch kommt nach Mauthausen, unter den Inhaftiert­en Mordhausen genannt. Es soll für ihn eine Reise ohne Wiederkehr werden. Fürchtet das noch junge Regime, dass etwas ans Licht der Öffentlich­keit kommt, was nicht ans Licht kommen soll?

Der Remscheide­r überlebt auch das KZ. In den Akten taucht er in

Mauthausen als der angesehene Arzt Dr. Rolf vom Busch-Waldeck auf. So entgeht er nicht nur der Vernichtun­g. Er sammelt angeblich auch geheime Unterlagen über den Alltag im Todeslager, die er später den Alliierten übergibt. Nach dem Zweiten Weltkrieg tritt er damit als Zeuge in den Dachauer Prozessen auf und sichert sich damit einen Platz in den Geschichts­büchern.

Heute gilt Rolf vom Busch als einer der Hauptverdä­chtigen im Mordfall Helmut Daube. Doch nach dem Krieg muss der Remscheide­r keine Verfolgung mehr fürchten. Der gebürtige Remscheide­r lebt in Wien an der Seite einsamer älterer Damen, denen er immer fantastisc­here Details aus seinem angebliche­n Leben verrät. Rolf vom Busch stirbt 1971. Bis dahin hatte er sich zum Gralsritte­r aus altem Geschlecht gemausert und wird von der Witwe, die ihn umsorgte, mit „Angelus“angesproch­en. In der Grabrede, die sie für ihn hielt, spricht sie von einem Menschen „von höchstem Adel“, aus „alten Fürstenhäu­sern“, mit zwei Doktortite­ln und von „schöpferis­cher Genialität“. Vom wahren Leben des Mannes hatte sie bis zuletzt keine Ahnung.

 ?? FOTO: LANDESARCH­IV BERLIN, A PR. BR. REP. 030-03, NR. 1668 ?? Der Remscheide­r Rolf vom Busch bei seiner Festnahme im Jahr 1932.
FOTO: LANDESARCH­IV BERLIN, A PR. BR. REP. 030-03, NR. 1668 Der Remscheide­r Rolf vom Busch bei seiner Festnahme im Jahr 1932.

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