Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Dialoge zwischen Kunstwerk und Raum interessieren mich“
SOLINGEN Wer ein Gespür für sensible Raumwirkungen und subtile Eingriffe in architektonische Raumvolumen hat, sollte sich die Ausstellung von Christina Koester nicht entgehen lassen. Ihre plastischen, skulpturalen und installativen Arbeiten haben eine erwähnenswerte Gemeinsamkeit: Nicht materialbedingte Schwere und Erdverbundenheit bestimmen die Wirkung aller Exponate, sondern Leichtigkeit, Bewegung, Dynamik teilt sich dem Betrachter mit.
Die Installation „Weißer Sonntag“in der Version 2024, die den „white cube“der unteren Ausstellungsebene prominent füllt, ist beispielhaft für Koesters künstlerischen Ansatz. Eine große Anzahl federleichter, segelartig geformter flacher Drahtrahmen, bespannt mit weißem Vlies, schwebt in ca. 7 m Höhe über den Köpfen der Besucher. Einzelne zarte Formen entspringen der Wandfläche nahe der Wendeltreppe. Sie durchdringen illusionär die Wand und füllen das obere Drittel des „white cube“, verdichten sich in der Mitte und schweben scheinbar trichterartig zu Boden. Von der oberen Galerie aus betrachtet wirken die halbtransparenten weißen Gewebeformen in ihrer Kumulation wie eine Wolke, die nach unten sinkt. Ein poetisches Gesamtbild, das durch die Licht-Schatten-Projektion auf den weißen Seitenwänden nochmals gesteigert wird.
Koester hat diese Arbeit in ähnlicher Form schon an verschiedenen Orten aufgebaut, mal im Außenraum, im Kurpark von Bad Neuenahr, mal im Innenraum ihres Wohnund Atelierhauses in Gräfrath, einer historischen Schmiede mit eher dunklen Ziegeln und Balken und im letzten Jahr in der Galerie SK im Südpark. „Die temporäre Installation wirkt immer anders und neu, denn sie bezieht jeweils den Raum mit ein“, erläutert die Künstlerin und ergänzt, „genau diese Dialoge zwischen Kunstwerk und Raum interessieren mich“. Gemeinsam ist allen Versionen die heiter beschwingte Gesamtwirkung, inspiriert von Koesters Erinnerungen an den Weißen Sonntag ihrer Kindheit.
Weiß ist die bestimmende Farbe
auch vieler weiterer Exponate. Durch ihre monumentale Größe fallen fünf weiße säulenartige plastische Formen sofort ins Auge. Mit Anlehnung an eine figurative Körperlichkeit sind sie in lockerer
Gruppierung angeordnet und ermöglichen dem Besucher das Stehen „inmitten“, so auch der Titel der Figurengruppe. Durchblicke ermöglichen zudem ein Spiel von Figur und Grund.
Gleiches gilt für Koesters an der Wand hängenden Drahtplastiken, die in ihrer filigranen Zartheit Raumvolumen formen und akzentuieren. „Für mich sind diese Plastiken Kritzeleien im Raum“, beschreibt Christina Koester ihren künstlerischen Arbeitsprozess. Scheinbare Planlosig-keit und Spontaneität ermöglichen erst den von Leichtigkeit geprägten lebendigen Ausdruck. „Füllhorn mit Schluckauf“ist einer der humor-vollen Titel, den man geradezu körperlich nachvollziehen kann.
Im Gegensatz zu diesen eher spielerischen Werken stehen die auf Perfektion und Vollkommenheit aus-gerichteten bildhauerischen Arbeiten. Jeweils vier kugelartige Plastiken, eine Serie in Gips, die andere Serie in Bronze, patiniert oder bronziert, bearbeiten das Thema einer organischen Wachstumsentwicklung vom geschlossenen Volumen bis zur sich öffnenden Balance. Auch die von Henry Moore inspirierten Pferdeplastiken in Bronze und Keramik gehören zu den auf abstrahierende Formvollendung angelegten Arbeiten. Sie entstammen, so Koester, frühen Auseinandersetzungen mit figürlich plastischer Form.
Es gibt in der Ausstellung „Über die Grenzen“von Christina Koester noch Weiteres zu entdecken über das klassisch bildhauerische Werk hinaus. Es gibt grafische Umsetzungen, zweidimensionale Variationen ihrer plastischen Arbeiten, realisiert als Kaltnadelradierung, als Holzschnitt, als Linolschnitt in experimenteller Kombination mit Malerei, Zeichnung und handschriftlichen Gedichttexten. Es gibt Prägedrucke sowie Holz- und Steinreliefs, die sich aus der Auseinandersetzung mit seriellen keramischen Formkombinationen entwickelt haben. Und es gibt eine Installation, die farblich alle Grenzen sprengt: eine speziell für die Innentreppe des Ausstellungsraums konzipierte Holzinstallation aus Rhododendron-Geäst in der Farbe: Neon Magenta.
Die Arbeit übersetzt die filigrane Textur der Drahtplastiken raumgreifend in den Treppenbereich und setzt ein optisches und plastisches Signal, dem man sich als Betrachter nicht entziehen kann.