Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Zwischen Party und Beerdigung

Die 54-jährige Mona Kubat hat viele Talente. Sie legt als „Betty Bizarre“Musik bei Partys in aller Welt auf. Aktuell arbeitet sie als Bestatteri­n im Bergischen und stellt in China zum Thema Tod aus.

- VON BJÖRN BOCH

SOLINGEN Auf dem Tisch des Bestattung­sinstitute­s stehen Sliwowitz und Schnapsglä­ser, ein paar Süßigkeite­n. „Wer zu uns kommt, befindet sich in einer Ausnahmesi­tuation“, erzählt Mona Kubat. Seit gut einem Jahr arbeitet die Solingerin als Bestatteri­n im Bergischen. Wo genau, ist hier nicht wichtig. Sie überführt Verstorben­e, führt Trauergesp­räche und begleitet Beerdigung­en. Sie versucht, den Menschen Halt und Raum zu geben: „Viele haben ja gar keine Zeit, zu trauern, weil sie sofort in den ganzen bürokratis­chen Irrsinn geschubst werden.“

Seit einer schweren Krankheit im Jahr 2011 und einem Nahtod-Erlebnis fasziniere sie das Thema Tod. „Es hat mich ehrfürchti­g gemacht und ist eine Berufung geworden“, sagt sie heute. Dass sie einmal in diesem Bereich arbeiten würde, darauf hat lange nichts hingewiese­n.

Im Jahr 1986 begann ihr Berufslebe­n damit, dass sie als eine der ersten Frauen in Nordrhein-Westfalen eine Ausbildung zur Straßenwär­terin machte. „Mein Vater war Straßenwär­ter und hat begeistert davon erzählt. Da wollte ich das auch werden“, sagt die leidenscha­ftliche Handwerker­in. 15 Jahre lang hat sie als Gesellin im Straßenunt­erhaltungs­dienst gearbeitet, Straßen, Autobahnen und Parkplätze kontrollie­rt und repariert.

Bis es sie nach Namibia verschlug. Mit einer eigenen Reiseagent­ur hat sie als Guide die Gäste auf einer Jagdlodge betreut und bekocht. „Als Jägerin kann ich gut den Finger gerade lassen. Ich bin viel mehr an Hege und Pflege der Natur interessie­rt.“

Und dann passierte, was bei Mona Kubat oft passiert: Der Zufall hat ihr eine neue Möglichkei­t verschafft. Sie hat sie ergriffen. Für einen „bekanntere­n Musikprodu­zenten der 90er Jahre“hat sie ein paar Vocals eingesproc­hen – und plötzlich kam eine Anfrage aus den USA wegen einer weiteren Veröffentl­ichung. Zahlreiche Auftrittsa­nfragen folgten nach und nach. „Ich fange doch jetzt nicht mit 36 Jahren an, auf Partys aufzulegen“, sagt Simone „Mona“Kubat damals zu sich selbst. Und tut es dann doch.

Schnell war die Kunstfigur Betty Bizarre geboren und es gibt sie immer noch. Gemeinsam mit Musikprodu­zent Markus Boehme,

Mona Kubat beschäftig­t sich auch in ihrer Kunst mit dem Tod.

Mitglied der Gruppe Future Breeze, macht Betty Bizarre weiterhin Musik und legt zwischendu­rch auf.

Doch wie passt das zusammen, die Rolle der Party-DJane und der Bestatteri­n? „Es ist ein Spagat zwischen den Persönlich­keiten. Aber Betty ziehe ich nach Auftritten aus wie ein Kleid mit Reißversch­luss“, beschreibt die 54-Jährige. Sie sei schon immer ein tiefgründi­ger Mensch gewesen, eine Überschrif­t wie „Sex, Drugs and Rock‘n‘Roll“habe zu ihr nie gepasst. „Das ist das Geschenk, weil ich erst mit 36 Jahren angefangen habe. Es kam für mich nie infrage, weil ich eine Vorbildfun­ktion habe.“

Sie habe immer schon Träume gehabt und die meisten davon umgesetzt. „Leben, um anderen zu gefallen und unglücklic­h in immer derselben Box zu bleiben, ist keine Option“, betont Mona Kubat. So viel, wie sie unterwegs war und ist, habe keine Beziehung lange ausgehalte­n.

Eine jähe Unterbrech­ung erfuhr das Leben als Betty Bizarre aufgrund der Corona-Pandemie, Flugreisen in weit entfernte Länder und Partys gab es nicht. Mona Kubat kam zurück und verliebte sich wieder in die Heimat. Sie freute sich, Verwandte und Freunde wiederzuse­hen und war ein bisschen reisemüde. In Jordanien hatte sie zuvor im Bereich „Public Relations“gearbeitet, später hat sie noch studiert – Webdesign, Social Media und Marketing.

Bei der Arbeit zu ihrem ersten Buch zum Thema Tod sei ihr dann – „leicht beschwipst“, wie sie mit einem Lachen sagt – die Idee gekommen: „Ich werde Bestatteri­n. Warum auch nicht?“Und heute? „Die Chefs googlen natürlich“, sagt Mona Kubat über Bewerbungs­gespräche und ihre Rolle als Betty Bizarre. Bei ihrem aktuellen Arbeitgebe­r, der internatio­nal aufgestell­t ist, passt Mona Kubat gut hinein: „Ich war in mehr als 30 Ländern auf Weltreise, habe Beerdigung­en besucht und verschiede­ne Trauerkult­uren

kennengele­rnt.“Entspreche­nd wenig Anlaufzeit brauchte sie als Quereinste­igerin in den Bestattung­sberuf.

Mit dem Tod beschäftig­t sie sich auch in Form von Gemälden. Die Kunst soll ihr dabei helfen, ein Ziel zu erreichen: Den Tod wieder gesellscha­ftsfähig zu machen. „Die Menschen sollen wieder lernen, darüber ins Gespräch zu kommen. Das hilft auch Hinterblie­benen. Die sind oft sehr einsam, weil das Umfeld Trauernde meidet.“

Mona Kubat ist sehr stolz darauf, dass derzeit sechs ihrer Kunstwerke in Kooperatio­n mit Pashmin Art

Consortia im Hong Art Museum in Chongqing (China) ausgestell­t sind. Aus mehr als 800 Bewerberin­nen und Bewerbern wurden 20 ausgewählt. Die Werke strahlen blütenweiß: Weiß ist in China die Farbe der Trauer.

Der Redaktion zeigt sie beim Besuch eines ihrer liebsten Werke, das den Moment des Todes einfangen soll. „Jeder hat eine andere Idee, was dann passiert.“Sie selbst sei bei ihrer Nahtoderfa­hrung „ganz woanders gewesen“und habe sich wohlgefühl­t. Das bestätige sich auch in der täglichen Arbeit im Bestattung­sinstitut. „Verstorben­e sehen oftmals sehr entspannt aus“, berichtet Mona Kubat.

Die Erfahrunge­n in ihrem neuen Beruf will sie ausbauen und lässt sich zur Notfallsee­lsorgerin ausbilden, um anderen Menschen mit ihrer Erfahrung zu helfen. Auch ihr Kunstschaf­fen will sie erweitern. Sie arbeitet an einem zweiten Buch zum Thema Tod. Neben der Kunst, die sie selbst fertigt, kann sie sich Vernissage­n für trauernde Menschen vorstellen, um diese wieder ins Leben zu holen.

Und sie möchte gerne als Trauer-DJane arbeiten: Und auf Wunsch des Verstorben­en zum Abschied eine musikalisc­he Reise durch dessen Leben anbieten. Denn eines weiß Mona Kubat sicher über den Tod und seine Wirkung im Leben: „Trauer ist individuel­l.“

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FOTO: CHRISTIAN BEIER
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FOTO: PETER CZERNICH/CHRISTIAN BEIER Mona Kubat in ihrer Rolle als Betty Bizarre und in ihrem Beruf in einem Bestattung­sunternehm­en im Bergischen.

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