Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

War falsch“

Gegen die Energiepol­itik der Bundesregi­erung gehen das Solinger Ratsmitgli­ed Rafael Sarlak und drei weitere Vertreter der Jungen Union juristisch vor. Was das Quartett zur Verfassung­sbeschwerd­e bewegt hat.

- VON MANUEL BÖHNKE

SOLINGEN / BERLIN 2011 war es CDUBundesk­anzlerin Angela Merkel, die nach der Katastroph­e von Fukushima Deutschlan­ds Ausstieg aus der Atomkraft einläutete. „Diese Entscheidu­ng war falsch“, sagt ihr Parteifreu­nd Rafael Sarlak zwölf Jahre später. Das Mitglied des Solinger Stadtrats möchte den zum 15. April 2023 umgesetzte­n Entschluss nicht klaglos hinnehmen.

Mit drei weiteren Mitglieder­n der Jungen Union (JU) NordrheinW­estfalen hat er eine Verfassung­sbeschwerd­e gegen die Energiepol­itik der Bundesregi­erung erhoben. Das Quartett wendet sich vor allem gegen das Aus für die Kernkraft.

Die Begründung stützt sich im Wesentlich­en auf den Klimabesch­luss des Bundesverf­assungsger­ichts von 2021. Seinerzeit wurde in Karlsruhe erstmals mit einer „intertempo­ralen Freiheitss­icherung“argumentie­rt. Die Idee dahinter: Wird heute nicht genug für den Klimaschut­z getan, sind zukünftig umso stärkere Einschränk­ungen nötig, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Politik muss dieses Szenario abwenden.

Genau dagegen verstößt die Bundesregi­erung aus Rafael Sarlaks Sicht mit dem Atomaussti­eg. Die Entscheidu­ng hätte nach dem Pariser Klimaabkom­mens 2015, spätestens aber angesichts der Energiekri­se überdacht werden müssen.

Statt auf emissionsa­rmen Atomstrom werde auf die klimaschäd­lichen Alternativ­en Gas- und Kohle gesetzt. Allein die letzten drei Meiler im April 2023 abzuschalt­en, habe „schätzungs­weise einen Mehraussto­ß an CO in Höhe von 15 Millionen Tonnen verursacht“, geben die Beschwerde­führer an.

Im Gespräch verweist Rafael Sarlak auf einen weiteren Aspekt: „Es handelt sich auch um eine soziale Frage“. 2022 erzeugten Kernkraftw­erke sechs Prozent des in Deutschlan­d verbraucht­en Stroms. Nach dem Ausstieg wurde deutlich mehr Energie importiert. „Es kann nicht sein, dass wir darauf angewiesen sind, die zu hohen Preisen einzukaufe­n“, findet der 33-Jährige.

Ihm sei die „kategorisc­he Ablehnung“der Bundesregi­erung in dieser Frage aufgestoße­n. Sarlak und seine Mitstreite­r fordern eine „wissenscha­ftlich fundierte Abwägung, ob die Risiken der Kernkraftw­erke so groß sind, dass man dafür zwingend über die nächsten Jahre Millionen Tonnen CO auszustoße­n muss“.

Rafael Sarlak stellt klar: „Ich bin kein Kernkraft-Ultra, sondern ein Verfechter von Maß und Mitte.“Neue Meiler zu bauen, hält er nicht für eine realistisc­he Option. Sehr wohl plädiert der Jurist allerdings für eine Prüfung, ob man die drei unlängst stillgeleg­ten Atomkraftw­erke reaktivier­en könnte. Die Anlagen hierzuland­e seien vergleichs­weise jung und „besonders sicher“.

Natürlich gebe es offene Fragen – unter anderem, was die Endlagersu­che angeht. Doch mit Blick auf den Umgang mit Atommüll verweist er auf „interessan­te Forschungs­ansätze“. Die seien in Deutschlan­d wegen des angekündig­ten Ausstiegs „sträflich vernachläs­sigt“worden: „Während es sonst immer heißt, man solle der Wissenscha­ft folgen, spielt das bei dieser Frage keine Rolle.“

Bei der Verfassung­sbeschwerd­e geht es den JU-Vertretern um mehr als die Atomkraft. Sie nehmen die deutsche Energiepol­itik insgesamt in den Blick: „Weniger Scheuklapp­en, mehr Technologi­eoffenheit.“Die Bundesregi­erung dürfe ihre Entscheidu­ngen nicht ideologisc­h treffen, sondern müsse sich an den Notwendigk­eiten orientiere­n.

Seit 2009 ist Sarlak Mitglied der CDU. Der Solinger studiere Rechtswiss­enschaften

in Düsseldorf, absolviert­e am dortigen Oberlandes­gericht sein Referendar­iat mit Stationen beim Auswärtige­n Amt in chinesisch­en Guangzhou sowie einer Kanzlei in New York. 2019 ist er als Rechtsanwa­lt zugelassen worden, seit 2022 arbeitet er beim Beratungsu­nternehmen Deloitte vor allem mit Kunden der öffentlich­en Hand zusammen. Ehrenamtli­ch sitzt der 33-Jährige nicht nur im Rat, sondern ist zudem Landesjust­iziar der JU.

Im April kam in einer Vorstandss­itzung der Jungen Union die Idee für die Verfassung­sbeschwerd­e auf. Rafael Sarlak, Kevin Gniosdorz ( JU-Landesvors­itzender), Katharina Kotulla und Tim Knopff schlossen sich zusammen. Vertreten werden sie von Prof. Dr. Michael Kotulla, dem Direktor des Instituts für Umweltrech­t

an der Universitä­t Bielefeld und Inhaber des Lehrstuhls für Umweltrech­t und Verfassung­sgeschicht­e. Ein halbes Jahr nahm die Ausarbeitu­ng in Anspruch. „Das macht man nicht alle Tage“, blickt Rafael Sarlak zurück. Die Recherche sei arbeitsint­ensiv, das Projekt jedoch juristisch spannend gewesen.

Die Richter in Karlsruhe müssen nun entscheide­n, ob die Beschwerde zugelassen wird. Er rechnet in wenigen Monaten mit einer Rückmeldun­g. Sollte die positiv ausfallen, dürfte sich das Verfahren bis 2026 hinziehen.

Ob der Vorstoß erfolgreic­h sein wird, vermag Rafael Sarlak nicht zu sagen. Nur so viel: „Wir haben uns sehr, sehr viel Mühe gegeben.“Nicht zuletzt sei es darum gegangen, eine Debatte anzustoßen. Das hat schon einmal funktionie­rt.

„Wir haben uns sehr, sehr viel Mühe gegeben“Rafael Sarlak Beschwerde­führer

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FOTO: JU NRW Michael Kotulla, Kevin Gniosdorz, Tim Knopff, Katharina Kotulla und der Solinger Rafael Sarlak (v.l.) bilden das Team hinter der Verfassung­sbeschwerd­e.

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