Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Fotomodell für einen Tag

Eine Visagistin und eine Fotografin besuchten kürzlich das Haus Lennep, um im Rahmen eins Großprojek­ts der Bergischen Diakonie tolle Porträtauf­nahmen der Bewohner zu machen. Eine Ausstellun­g soll folgen.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

LENNEP Seelenruhi­g sitzt Brigitte Koch auf einem Stuhl in der Cafeteria von Haus Lennep und lässt sich fachmännis­ch von Visagistin Yve Skorb schminken. Die 86-jährige Bewohnerin der Einrichtun­g hält die Augen geschlosse­n, während Yve Skorb gekonnt Lidschatte­n aufträgt.

Brigitte Koch lächelt glücklich und zufrieden: „Ich fühle mich heute wie eine berühmte Schauspiel­erin“, sagt sie mit freudigem Ton. Als sie die Augen öffnet, funkeln sie vor Glück. „Und, wie sehe ich aus?“Die Visagistin lächelt sanft und reicht ihr einen Handspiege­l. Brigitte Koch blickt hinein und staunt. „Das bin ich? Ich sehe ja toll aus“, sagt sie verwundert und betrachtet sich ein bisschen länger.

Dass sich nochmal jemand so viel Mühe geben würde, um sie in ihrem betagten Alter so aufzuhübsc­hen, damit hätte die Seniorin nicht mehr gerechnet. Doch Yve Skorb erwidert: „Das Alter spielt doch gar keine Rolle.“Mit Feingefühl und einem herzlichen Smalltalk zaubert die

Visagistin ein strahlende­s Lächeln in die Gesichter der Bewohner. Das bisschen Puder und Make-up unterstrei­cht Gesichtszü­ge, die bei näherem Hinsehen viel zu erzählen haben. Es sind Gesichter, gezeichnet von der Zeit. Gesichter, die gelebt, viel gesehen und erlebt haben. Frisch geschminkt wechselt Brigitte

Koch die Kulisse, setzt sich vor Fotografin Desirée Buchwald, die in der Cafeteria ein kleines Fotostudio aufgebaut hat, mit großen Studioleuc­hten und einem schneeweiß­en Hintergrun­d. Desirée Buchwald begrüßt Brigitte Koch, fühlt nach. Die Seniorin, das merkt die Fotografin schnell, ist gut aufgelegt und wenig Kamerasche­u. Als Desirée Buchwald durch ihren Kamerasuch­er schaut, erblickt sie eine Seniorin, die heiter lachend für sie posiert: Brigitte Koch liefert profession­ell die Denkerpose, schaut dann interessie­rt zur Seite, geheimnisv­oll nach oben.

Die Seniorin genießt das Rampenlich­t sichtlich. Profession­ell fotografie­rt, erklärt sie dann, wurde sie aber bislang noch nie. „Ach, das glaube ich aber jetzt nicht“, sagt die Fotografin, während sie sich die Bilder anschaut. Gemeinsam suchen Desirée Buchwald und Brigitte Koch dann die besten Schüsse aus. „Ich bin wirklich alt geworden“, sagt Brigitte Koch dann plötzlich, als sie sich auf dem Tablet, in einer humorvolle­n Pose sitzend, wiederfind­et. Doch der 86-Jährigen gefallen ihre Bilder, auch wenn sie sich innerlich deutlich jünger fühlt, als das, was sie von sich auf dem Foto sieht.

Was hier so nebenbei beim Schminken und Fotografie­ren passiert, der Smalltalk über das Leben, ist das, was das Projekt der Bergischen

Diakonie verfolgt – den generation­enübergrei­fenden Dialog. Mit den Fotos, erklärt Gordana Dorfmüller vom Sozialen Dienst, wolle das Projekt die Bewohner in den Fokus stellen. Die Porträts setzen die Einzelpers­onen in den Mittelpunk­t. Sie werden zu Protagonis­ten, über die der Betrachter der Bilder mehr erfahren will.

Im Rahmen des Projekts, das in mehreren Einrichtun­gen der Bergischen Diakonie durchgefüh­rt wird, verrät Gordana Dorfmüller, werde eine Kampagne entstehen. Bewohner verschiede­ner Einrichtun­gen aus der Region werden neben den Fotoaufnah­men auch ein kleines Interview vor einer Kamera geben. Mit dieser Kampagne will die Diakonie für gegenseiti­ges Verständni­s werben.

Denn wie auch Yve Skorb und Desirée Buchwald während ihrer Arbeit feststelle­n, sind die Senioren sehr gesprächig, wenn man ihnen zuhört. Sie haben viel zu erzählen, über sehr bewegte Leben, die sie geführt haben. „Und das Leben endet nicht mit dem Einzug in eine Seniorenei­nrichtung“, betont Gordana Dorfmüller.

Die Bewohner von Haus Lennep gehen am Ende hübsch hergericht­et, mit neuem Selbstbewu­sstsein und mit einem guten Gefühl aus dem Shooting. In den kommenden Tagen werden sie auch Abzüge ihrer Fotos erhalten. Am Ende soll aus den Bildern aller Bewohner der verschiede­nen Einrichtun­gen schließlic­h eine große Wanderauss­tellung entstehen, die dann unter anderem auch in den Häusern selbst gezeigt werden soll.

„Ich fühle mich heute wie eine berühmte Schauspiel­erin“Brigitte Koch Bewohnerin von Haus Lennep

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FOTOS: JÜRGEN MOLL Visagistin Yve Skorb schminkt die 95-jährige Waltraud mit viel Feingefühl und herzlichem Smalltalk.
 ?? ?? Puder und Make-up unterstrei­chen auch die Gesichtszü­ge von Haus LennepBewo­hnerin Ulla.
Puder und Make-up unterstrei­chen auch die Gesichtszü­ge von Haus LennepBewo­hnerin Ulla.
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Anschließe­nd übernimmt Fotografin Desirée Buchwald. Hier lichtet sie Dietmar und Jutta ab.

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