Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Fotomodell für einen Tag
Eine Visagistin und eine Fotografin besuchten kürzlich das Haus Lennep, um im Rahmen eins Großprojekts der Bergischen Diakonie tolle Porträtaufnahmen der Bewohner zu machen. Eine Ausstellung soll folgen.
LENNEP Seelenruhig sitzt Brigitte Koch auf einem Stuhl in der Cafeteria von Haus Lennep und lässt sich fachmännisch von Visagistin Yve Skorb schminken. Die 86-jährige Bewohnerin der Einrichtung hält die Augen geschlossen, während Yve Skorb gekonnt Lidschatten aufträgt.
Brigitte Koch lächelt glücklich und zufrieden: „Ich fühle mich heute wie eine berühmte Schauspielerin“, sagt sie mit freudigem Ton. Als sie die Augen öffnet, funkeln sie vor Glück. „Und, wie sehe ich aus?“Die Visagistin lächelt sanft und reicht ihr einen Handspiegel. Brigitte Koch blickt hinein und staunt. „Das bin ich? Ich sehe ja toll aus“, sagt sie verwundert und betrachtet sich ein bisschen länger.
Dass sich nochmal jemand so viel Mühe geben würde, um sie in ihrem betagten Alter so aufzuhübschen, damit hätte die Seniorin nicht mehr gerechnet. Doch Yve Skorb erwidert: „Das Alter spielt doch gar keine Rolle.“Mit Feingefühl und einem herzlichen Smalltalk zaubert die
Visagistin ein strahlendes Lächeln in die Gesichter der Bewohner. Das bisschen Puder und Make-up unterstreicht Gesichtszüge, die bei näherem Hinsehen viel zu erzählen haben. Es sind Gesichter, gezeichnet von der Zeit. Gesichter, die gelebt, viel gesehen und erlebt haben. Frisch geschminkt wechselt Brigitte
Koch die Kulisse, setzt sich vor Fotografin Desirée Buchwald, die in der Cafeteria ein kleines Fotostudio aufgebaut hat, mit großen Studioleuchten und einem schneeweißen Hintergrund. Desirée Buchwald begrüßt Brigitte Koch, fühlt nach. Die Seniorin, das merkt die Fotografin schnell, ist gut aufgelegt und wenig Kamerascheu. Als Desirée Buchwald durch ihren Kamerasucher schaut, erblickt sie eine Seniorin, die heiter lachend für sie posiert: Brigitte Koch liefert professionell die Denkerpose, schaut dann interessiert zur Seite, geheimnisvoll nach oben.
Die Seniorin genießt das Rampenlicht sichtlich. Professionell fotografiert, erklärt sie dann, wurde sie aber bislang noch nie. „Ach, das glaube ich aber jetzt nicht“, sagt die Fotografin, während sie sich die Bilder anschaut. Gemeinsam suchen Desirée Buchwald und Brigitte Koch dann die besten Schüsse aus. „Ich bin wirklich alt geworden“, sagt Brigitte Koch dann plötzlich, als sie sich auf dem Tablet, in einer humorvollen Pose sitzend, wiederfindet. Doch der 86-Jährigen gefallen ihre Bilder, auch wenn sie sich innerlich deutlich jünger fühlt, als das, was sie von sich auf dem Foto sieht.
Was hier so nebenbei beim Schminken und Fotografieren passiert, der Smalltalk über das Leben, ist das, was das Projekt der Bergischen
Diakonie verfolgt – den generationenübergreifenden Dialog. Mit den Fotos, erklärt Gordana Dorfmüller vom Sozialen Dienst, wolle das Projekt die Bewohner in den Fokus stellen. Die Porträts setzen die Einzelpersonen in den Mittelpunkt. Sie werden zu Protagonisten, über die der Betrachter der Bilder mehr erfahren will.
Im Rahmen des Projekts, das in mehreren Einrichtungen der Bergischen Diakonie durchgeführt wird, verrät Gordana Dorfmüller, werde eine Kampagne entstehen. Bewohner verschiedener Einrichtungen aus der Region werden neben den Fotoaufnahmen auch ein kleines Interview vor einer Kamera geben. Mit dieser Kampagne will die Diakonie für gegenseitiges Verständnis werben.
Denn wie auch Yve Skorb und Desirée Buchwald während ihrer Arbeit feststellen, sind die Senioren sehr gesprächig, wenn man ihnen zuhört. Sie haben viel zu erzählen, über sehr bewegte Leben, die sie geführt haben. „Und das Leben endet nicht mit dem Einzug in eine Senioreneinrichtung“, betont Gordana Dorfmüller.
Die Bewohner von Haus Lennep gehen am Ende hübsch hergerichtet, mit neuem Selbstbewusstsein und mit einem guten Gefühl aus dem Shooting. In den kommenden Tagen werden sie auch Abzüge ihrer Fotos erhalten. Am Ende soll aus den Bildern aller Bewohner der verschiedenen Einrichtungen schließlich eine große Wanderausstellung entstehen, die dann unter anderem auch in den Häusern selbst gezeigt werden soll.
„Ich fühle mich heute wie eine berühmte Schauspielerin“Brigitte Koch Bewohnerin von Haus Lennep