Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Der EU läuft die Realität davon
Dieser Gipfel hat die EU vorangebracht. Viereinhalb Monate währende eingeschränkte Sprechfähigkeit zu der verheerenden Gewaltwelle im Nahen Osten ist durch ein einmütiges Eintreten für Feuerpause, Geiselfreilassung und nachhaltigen Waffenstillstand ersetzt worden. Zwei Jahre währendes Ringen um die bestmögliche Unterstützung der Ukraine in der Abwehr des russischen Vernichtungskrieges ist ergänzt worden durch eine noch umfassendere Selbstverpflichtung. Statt Hilfe zu versprechen, „solange es dauert“, sagte die EU nun auch zu, sie „so intensiv wie nötig“auszustatten. Das wären vergleichsweise mutige Festlegungen, wenn sie nur an dem langen Ringen um jede sprachliche Nuance gemessen würden. Doch gemessen an den Herausforderungen der Realität, sind sie kaum das Papier wert, auf das sie gedruckt wurden.
Um das zu erkennen, hätten sich die Staats- und Regierungschefs nur einmal kurz vorstellen müssen, sie wären am Freitag nicht in die geparkten Limousinen vor dem Brüsseler Ratsgebäude gestiegen, sondern sie hätten ihre Sätze den Menschen inmitten des Leidens in Gaza und Israel erläutern sollen. Oder den Menschen in Kiew, die wohl nicht zufällig gleichzeitig mit den Brüsseler Beschlüssen von Russland unter Raketenbeschuss genommen wurden. Ein „sehr klares Signal“an Wladimir Putin sollte laut Ankündigung des Kanzlers mit der Verwendung herrenloser Milliardenerträge aus eingefrorenen russischen Vermögen für den Kauf von Munition und Waffen für die Ukraine gesandt werden. Putin hat sein „sehr klares Signal“erhalten – indem die EU-Verantwortlichen lediglich entschieden, das Thema weiter voranzutragen, ohne sich schon einig zu sein, ob das Geld wirklich für Waffen verwendet werden soll.
So kommt die Europäische Union zwar voran, aber zu langsam. Die Realitäten eilen ihr davon.