Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Gastfreundschaft im Ramadan
Gemeinsames Fastenbrechen schafft Vertrauen. Muslime sollten ebenfalls Gesten wagen.
Zuletzt gab es viel Aufregung über die Ramadan-Beleuchtung in deutschen Städten. Schnell waren Menschen verängstigt, dass nun der Islam den öffentlichen Raum okkupiert habe. Hinter der Polarisierung stecken zwei Phänomene: Einerseits bekommt Religion immer weniger Raum in unserer Gesellschaft, sodass viele schnell irritiert sind, sobald es um Religion geht. Andererseits ist noch immer ein großer Teil der Bevölkerung skeptisch gegenüber dem Islam. Das darf nicht als rassistisch oder diskriminierend verurteilt, sondern muss ernst genommen werden. Vertrauen braucht viel Raum für Begegnungen. Die Gestaltung des Zusammenlebens ist ein Prozess. Dabei darf man die Wirkmacht von Gesten nicht unterschätzen. In den letzten Tagen gab es deutschlandweit Einladungen von Politikern und Vertretern gesellschaftlicher Institutionen, auch von Moscheegemeinden, zu gemeinsamen Iftaressen. Ich selbst erfahre, wie solche Anlässe geschützte Räume des Austausches bieten. Jetzt könnte man anmerken, dass nur ausgewählte Personen zum Fastenbrechen eingeladen werden. Das stimmt, allerdings sehe ich die Botschaft an alle, NachbarInnen, ArbeitskollegInnen, MitschülerInnen, FreundInnen einzuladen. Ob der Einladende ein Muslim ist, soll keine Rolle spielen. Auf der anderen Seite wünsche ich mir eine innerislamische Debatte, ob es nicht an der Zeit für die Position ist, dass das Gratulieren und das symbolische Feiern von Weihnachten, Ostern und anderen Festen unserer Mitmenschen
selbstverständlicher Teil der eigenen Glaubenspraxis wird – als Würdigung der von Gott gewollten Vielfalt. Heute wird in der islamischen Theologie noch darüber diskutiert, ob es erlaubt sei, zum Beispiel zu Weihnachten zu gratulieren. Aber wir Muslime erwarten, dass man uns zu unseren religiösen Anlässen gratuliert und islamische Festtage als offizielle Feiertage anerkennt. Hier wären wir nicht weit weg von einer gefährlichen Identitätspolitik. Würdigung von Vielfalt muss selbstverständlich werden.
Unser Autor ist Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. Er wechselt sich hier mit der katholischen Theologin Dorothea Sattler, der evangelischen Religionslehrerin Anne Schneider und dem Rabbi Alexander Grodensky ab.