Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Cannabis wird legal – zum Teil
Im harten Ringen um die Reform haben sich die Ampelkoalitionäre um Gesundheitsminister Karl Lauterbach durchgesetzt. Die Länder haben das Gesetz nicht gestoppt, damit gelten ab dem 1. April neue Regeln.
BERLIN Am Ende wurde es spannend, doch jetzt steht fest: Die Teillegalisierung von Cannabis wird kommen. Nach dem Bundestag hat am Freitag auch der Bundesrat den Weg für die weitreichende Reform frei gemacht. Damit sollen Erwachsene schon bald die ersten erlaubten Joints rauchen können: am Ostermontag, dem 1. April. Doch unter den Ländern bleiben viele Einwände gegen das Gesetz der Ampelkoalition.
Warum kommt überhaupt eine Lega
lisierung? Laut dem Gesetzentwurf steigt der Konsum trotz bestehenden Verbots von Erwerb und Besitz, besonders unter jungen Menschen. Cannabis vom Schwarzmarkt sei zudem häufig von Verunreinigungen und Beimengungen betroffen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) setzt darauf, Risiken zu begrenzen und den Schwarzmarkt zurückzudrängen. Er hebt aber auch hervor: „Es wird zwar legal, aber es gibt Probleme.“Bisher wüssten viele Eltern nicht, wie schädlich der Konsum sei. Vor allem junge Erwachsene sollten auf erhöhte Gefahren hingewiesen werden.
Wie soll die Legalisierung umgesetzt
werden? Cannabis wird im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Stoffe gestrichen. Der Umgang damit soll künftig zwar per Gesetz grundsätzlich verboten sein – aber mit drei Ausnahmen für Personen ab 18 Jahren. Diese betreffen den Besitz bestimmter Mengen, den privaten Eigenanbau sowie Anbau und Weitergabe in speziellen Vereinen. Generell nicht zu den verbotenen Tätigkeiten zählt laut Gesetzentwurf der Eigenkonsum. Tabu bleiben sollen der Umgang mit Cannabis und der Konsum in den militärischen Bereichen der Bundeswehr.
Was genau soll für Volljährige künf
tig möglich sein? Erlaubt werden soll der Besitz von bis zu 25 Gramm getrockneten Pflanzenmaterials zum Eigenkonsum, die man auch im öffentlichen Raum mit sich führen darf. In der privaten Wohnung soll man bis zu 50 Gramm aufbewahren können. Angebaut werden dürfen dort drei Pflanzen. Was darüber hinausgeht, muss sofort vernichtet werden. Geerntet werden darf nur zum Eigenkonsum, nicht zur Weitergabe an andere. Samen, Pflanzen und geerntetes Haschisch und Marihuana müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden – etwa mit abschließbaren Schränken und Räumen.
Wie sollen die Cannabis-Anbauverei
ne aussehen? Zum 1. Juli sollen „Anbauvereinigungen“erlaubt werden. In diesen Clubs für Volljährige können bis zu 500 Mitglieder Cannabis anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben – pro Tag höchstens 25 Gramm Cannabis je Mitglied und pro Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein, das ist der Stoff mit der Rauschwirkung. Die Clubs sind als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäude darf keine Wohnung sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Anbauflächen und Lager müssen gesichert werden, für Transporte sollen Regeln gelten.
Was ist mit Kindern und Jugendli
chen? Für Minderjährige bleiben der Erwerb, der Besitz und der Anbau von Cannabis komplett verboten, wie das Gesundheitsministerium betont. Auch Weitergaben an Kinder und Jugendliche sind strafbar. Der Konsum „in unmittelbarer Gegenwart“von unter 18-Jährigen soll verboten sein, ebenso in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr. Untersagt wird Kiffen auch auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und jeweils in Sichtweite davon – also in 100 Meter Luftlinie um den Eingangsbereich. Zunächst waren 200 Meter angedacht.
Was ist im Bundesrat passiert? In eindringlichen Reden haben Ministerpräsidenten und Landesminister für Gesundheit, Inneres und Justiz am Freitag im Bundesrat vor dem Gesetz gewarnt. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sieht mit der Reform die Büchse der Pandora geöffnet. Am Ende stimmte Kretschmer für einen Vermittlungsausschuss, seine Koalitionspartner SPD und Grünen dagegen. Das Votum Sachsens war damit ungültig. Viele andere Länder, in denen es Unstimmigkeiten gab, enthielten sich – so auch NRW. Damit wird kein Vermittlungsausschuss angerufen, und der Weg für die Teillegalisierung ist frei.
Wie fallen die Reaktionen aus? Die breite Kritik von Medizinverbänden, aus Polizei und Justiz bleibt bestehen. SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler kritisierte die Abstimmung im Bundesrat: „Es ist ein Trauerspiel, dass auch die Mehrheit des Bundesrates die parteiübergreifenden Warnungen und Beschlüsse der eigenen Ausschüsse ignoriert“, sagte Fiedler. Man habe damit der Praxis in Polizei und Justiz vor den Kopf gestoßen. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kündigte an, das Gesetz im Fall einer Regierungsübernahme 2025 „umgehend rückgängig zu machen“. Lauterbach bezeichnete den Beschluss zur Teillegalisierung dagegen als richtungsweisende Entscheidung. „Die Cannabis-Politik der letzten zehn Jahre ist gescheitert“, sagte der SPD-Politiker.
Wie geht es weiter? Jetzt fehlen nur noch die Unterschrift von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die amtliche Verkündung der Reform. Bis zum Inkrafttreten ist nicht mehr viel Zeit. Für den Aufbau von Cannabis-Clubs dürfte aber noch Vorlauf nötig sein. Vor dem 1. Juli muss die Regierung auch noch nachträgliche Gesetzesänderungen umsetzen.