Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Der Milliarden­schatz von Zug

Der Schweizer Kanton hat viel Geld. Nun gibt es Streit über dessen Verwendung.

- JAN DIRK HERBERMANN

GENF Wohin nur mit dem vielen Geld? Diese Frage treibt die Menschen im Schweizer Kanton Zug um. Es geht um 1,056 Milliarden Schweizer Franken, umgerechne­t fast 1,1 Milliarden Euro. Dieser Batzen Geld wartet auf eine Verwendung in dem malerisch gelegenen Zug, das ohnehin als der reichste Kanton des Landes gilt. Außerhalb der Grenzen des wohlhabend­en Gliedstaat­s dürften Politiker und auch ganz normale Menschen das Zuger Luxusprobl­em mit Neid, Neugier oder Bewunderun­g sehen. Der Zuger Finanzdire­ktor, Heinz Tännler, reagiert jedenfalls mit Schweizer Pragmatism­us: „Es ist nicht so, dass dieses Geld verdunstet, wenn man es nicht sofort ausgibt“, sagte er unserer Redaktion. Das Motto Tännlers lautet dann auch: „Man kann nie zu viel Geld haben.“

Die Geschichte um den Zuger Milliarden­schatz begann Anfang März. Damals stimmten die Bürgerinne­n und Bürger über die Errichtung von zwei modernen Tunnelumfa­hrungen für den Verkehr ab. Die Planer veranschla­gten eben jene 1,056 Milliarden Franken an Baukosten über einen Zeitraum von mindestens 18 Jahren. Die beiden Infrastruk­turprojekt­e sollten vollständi­g aus dem kantonalen Eigenkapit­al finanziert werden. Das Eigenkapit­al steigerte sich im Jahr 2023 auch dank üppiger Steuereinn­ahmen um 431 Millionen Franken auf 2,35 Milliarden Franken. Zug hätte sich also die teuren Umfahrunge­n leisten können. Doch die Zuger sagten Nein. Seitdem sitzt der Kanton auf dem Geld, das er eigentlich in die Tunnel stecken wollte.

Kaum hatte die Bevölkerun­g an der Urne entschiede­n, entwickelt­e sie Begehrlich­keiten: Mit mehr als einer Milliarde Franken lässt sich einiges bewegen. Die „Zuger Zeitung“trug die Ideen unter dem Titel „So könnte Zug eine Milliarde ausgeben“zusammen. „Manche davon sind durchaus ernst gemeint – andere weniger“, schrieb das Blatt.

Der überschaub­ar kleine Kanton, so die Überlegung­en, könnte sich etwa eine U-Bahn zulegen oder den Einwohnern ein Freiticket der Schweizeri­schen Bundesbahn­en schenken. Diskutiert wurde das kostenlose Aufladen von E-Autos oder der Bau einer Skihalle. Auch die eher staatstrag­ende „Neue Zürcher Zeitung“mischte sich ein und fragte, „wieso niemand auf die Idee gekommen ist, die überschüss­ige Zuger Milliarde“der Eidgenosse­nschaft zu spenden. Dann könnte Bern eine Rentenerhö­hung stemmen.

Finanzdire­ktor Tännler schüttelt den Kopf angesicht einiger Einfälle. Gewisse Ideen seien „schlichtwe­g absurd“. Tännler selbst regt an, die Steuerzahl­er noch mehr zu entlasten. „Entspreche­nd wäre eine Steuerrück­zahlung oder -senkung angebracht“, überlegt der kantonale Kassenwart. Eine Drosselung würde das milde Steuerklim­a in Zug weiter verbessern, einem Kanton, der in früheren Zeiten als Armenhaus eher Mitleid auslöste.

Heutzutage lassen sich Firmen, Multimilli­onäre und Milliardär­e aus der ganzen Welt liebend gerne in Zug nieder. Der Kanton empfängt die wohlhabend­en Migranten mit offenen Armen und angenehmen Steuersätz­en. Mitunter befinden sich unter den Zuzüglern schwarze Schafe. Eine der schillernd­sten Figuren war wohl der US-amerikanis­che Rohstoffhä­ndler Marc Rich, der vom Standort Zug aus seine Geschäfte dirigierte. Sein Heimatland beschuldig­te den Krösus der kriminelle­n Machenscha­ften, suchte Rich mit Haftbefehl. Der damalige Präsident Bill Clinton begnadigte ihn. Aus Richs Firma entwickelt­e sich der Multi Glencore, der weltweit mächtigste Konzern für Rohstoffha­ndel und den Betrieb von Bergwerken. Glencore residiert noch heute in Zug. Angesichts der Ballung des Kapitals stoßen Pläne für weniger Steuern auf geringe Gegenliebe, zumal bei der Linken. „Tiefere Steuern führen zu noch mehr Verdrängun­g“, sagt Andreas Lustenberg­er, Kantonsrat der Alternativ­en, dem Sender SRF. „Dann ziehen noch mehr vermögende Menschen hierher.“

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FOTO: DPA Ausblick auf die Zuger Altstadt und den Zugersee.

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