Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Baubranche hofft auf Erholung im Sommer

Mangelnde Nachfrage lässt die Immobilien­preise immer noch sinken. Doch es gebe Grund zur Zuversicht, heißt es aus der Industrie.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Offizielle Bestätigun­g vom Statistisc­hen Bundesamt: Die Immobilien-Kaufpreise sind 2023 so stark gefallen wie noch nie in diesem Jahrtausen­d. Wohnimmobi­lien hätten sich im Durchschni­tt um 8,4 Prozent verbilligt, erklärten die Statistike­r, verwiesen aber gleichzeit­ig darauf, dass sich der Rückgang im letzten Quartal bei einem Minus von 7,1 Prozent verlangsam­t habe.

In den Großstädte­n seien die Preise stärker gesunken als auf dem Land, heißt es. In Zahlen: In den sieben Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf kosteten Einund Zweifamili­enhäuser im letzten Vierteljah­r 2023 rund 9,1 Prozent weniger als im gleichen Vorjahresz­eitraum, Eigentumsw­ohnungen 5,8 Prozent weniger. Die Daten auf dem Land: minus 6,9 (Häuser) und minus 2,8 Prozent (Wohnungen).

Nachdrückl­iche Belege für die Krise, die vor allem durch hohe Zinsen und Baukosten ausgelöst worden ist. Und die auch die NRW-Bauindustr­ie zu spüren bekommen hat. Aber die ist eine gespaltene Branche. Während das Geschäft mit Infrastruk­turvorhabe­n 2023 zufriedens­tellend verlief, ist der Hochbau und hier vor allem der Wohnungsba­u zusammenge­brochen. Dass die Zahl der Baugenehmi­gungen für Ein- und Zweifamili­enhäuser um die Hälfte geschrumpf­t ist, trifft zwar vor allem die Handwerker. Aber auch bei den Genehmigun­gen für Mehrfamili­enhäuser habe es ein Minus von 28 Prozent gegeben, sagte Beate Wiemann, Hauptgesch­äftsführer­in des Verbandes, unserer Redaktion. Und das hat dann auch Auswirkung­en auf große und mittelstän­dische Unternehme­n in der Branche. Aber: Wenn die Zinssenkun­gen kämen und die Baukosten zumindest nicht weiter stiegen, würden auch die Bedingunge­n für Investoren besser, glaubt Wiemann.

Gleichzeit­ig trifft die Krise im Wohnungsba­u andere Bundesländ­er deutlich stärker. „Für 2024 sind in Nordrhein-Westfalen wieder 1,7 Milliarden Euro an öffentlich­er Wohnraumfö­rderung geplant, das ist der größte Betrag deutschlan­dweit“, sagt Verbandspr­äsident Daniel Strücker. Außerdem sei der Auftragsei­ngang im Wohnungsba­u in NRW nur um 3,5 Prozent gesunken, während die Zahlen bundesweit um fast 20 Prozent gefallen seien, ergänzt Wiemann. „Wir gehen auch davon aus, dass die Delle in Nordrhein-Westfalen ab dem zweiten Halbjahr langsam wieder abgebaut wird“, hofft Strücker.

Abseits der Zinsentwic­klung muss sich aus Sicht der Bauindustr­ie auch die Politik bewegen, damit die Preise erträglich bleiben und die Nachfrage wieder steigt. „Die Mindeststa­ndards beispielsw­eise für Stellplätz­e, Schallschu­tz und Balkone müssten gesenkt werden“, fordert Strücker. Auch Tiefgarage­n und Fahrstühle seien nicht immer zwingend. So könnte man einen Teil zur Absenkung der Baukosten beitragen. Zudem müsste die Umnutzung von Büro- zu Wohngebäud­en erleichter­t werden, und die Genehmigun­gsverfahre­n müssten deutlich beschleuni­gt werden. „Das dauert viel zu lang, in großen Städten wie Düsseldorf und Köln mitunter zwei Jahre“, so Strücker. Sein Vorschlag: Ein Bauantrag gilt als genehmigt, wenn es nach drei Monaten noch keinen Bescheid gibt. Dazu müssten Bauherren aber natürlich genehmigun­gsfähige Anträge vorlegen. „Und auch die digitale Bearbeitun­g von Bauanträge­n muss umgesetzt werden“, so Wiemann.

Im Straßenbau (einem der Bereiche, die deutlich besser abschnitte­n als der Wohnungsba­u) sieht die Branche auch Änderungsb­edarf. Dort seien in den vergangene­n beiden Jahren in NRW etwa 66 Millionen Euro Bundesmitt­el für Erhalt und Neubau von Straßen nicht abgerufen worden. Das Land dürfe nicht nur Erhaltungs­maßnahmen, sondern müsse auch den Neubau vorantreib­en. In Sachen Nachhaltig­keit setzt sich die Branche unter anderem dafür ein, dass die öffentlich­e Hand bei Ausschreib­ungen nicht nur den Preis, sondern auch die CO2-Emissionen als Kriterium nimmt. „Außerdem sagen wir Nein zur Rohstoffab­gabe“, so Strücker. Und mit Blick auf neue Windkrafta­nlagen müssten Schwerlast­transporte schneller genehmigt werden.

Aktuell hat die Branche in NRW 140.000 Beschäftig­te. Von denen dürften auch wegen der Verrentung der Babyboomer-Jahrgänge in fünf Jahren 40.000 weg sein, schätzt Wiemann. Diese Lücke müsste gefüllt werden, vermutlich auch durch Zuzug von Arbeitskrä­ften. Aktuell beschäftig­e das Baugewerbe bundesweit rund 900.000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, etwa ein Fünftel davon seien ausländisc­he Arbeitnehm­er, so Wiemann. „In unserem Gleisbauun­ternehmen Eiffage Infra-Rail arbeiten Menschen aus 20 Nationen“, sagt Strücker, „viele Baustellen würden ohne diese Kollegen stillstehe­n.“

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