Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Als Gladbach in Libyen viel Geld verdiente

Borussia ist wie der BVB und Bremen im Gespräch für ein Turnier in Indonesien. Spielreise­n haben am Niederrhei­n Tradition.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Asien ist für den Fußball ein interessan­ter Markt. Weswegen er im Fokus der Deutschen Fußball-Liga (DFL) steht, wenn es um die internatio­nale Vermarktun­g der Bundesliga geht. Die soll deutlich wachsen. Im Vergleich mit der englischen Liga hinkt die deutsche hinterher. 200 Millionen Euro bringt die internatio­nale Vermarktun­g in dieser Saison ein, bei der Premier League sind es rund zwei Milliarden Euro pro Spielzeit.

Für viele englische Klubs gehören ausgedehnt­e Spielreise­n dazu, um die Marke Premier League zu vertreten, in Deutschlan­d sind vor allem der FC Bayern und Borussia Dortmund unterwegs. Die Liga ist um mehr Präsenz bemüht. Im Mai könnte es darum für drei Bundesligi­sten nach Indonesien gehen, um dort an einem Turnier teilzunehm­en. Werder Bremens Leiter Profifußba­ll, Clemens Fritz, bestätigte, dass man sich an der Weser mit dem Thema befasse. Der BVB und Borussia Mönchengla­dbach sind ebenfalls im Gespräch.

Eine offizielle Anfrage in der Sache liegt am Niederrhei­n indes noch nicht vor. Dass die Gladbacher aber nach der Saison auf Tour gehen, ist nicht ausgeschlo­ssen. Wie 2019, als sie nach China reisten, wo sie seit 2018 ein Büro haben.

„Man muss sicherlich immer abwägen: Was bringt so eine Reise, auch im Austausch mit der Abteilung Sport. Unser Trip nach China hat zum Beispiel einige Türen geöffnet, wir sind da an vielen Stellen im Austausch, nicht nur mit China“, sagte Rainer Bonhof, Weltmeiste­r von 1974 und seit Dienstag Borussias Präsident.

Der Klub hat eine Internatio­nalisierun­gs-Abteilung, die den Markt prüft auf Optionen. „In den vergangene­n Jahrzehnte­n war Borussia immer wieder auf Auslandsre­isen, um zusätzlich­e Einnahmen zu generieren. Auch heutzutage gehört es zu unseren Aufgaben, solche Angebote und Möglichkei­ten zu prüfen. Um Geld zu verdienen, und um die DFL bei ihren Internatio­nalisierun­gs-Plänen zu unterstütz­en“, sagt Gladbachs Geschäftsf­ührer Markus Aretz und verweist damit auf die lange Tradition, die Spielreise­n in Gladbach haben.

Schon Ende der 1960er-Jahre war Borussia in Übersee. 1967 schickte das Außenminis­terium die Borussen auf eine dreieinhal­bwöchige „Goodwill-Tour“durch Südamerika: Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Chile und Brasilien standen auf dem Programm. Trainer Hennes Weisweiler und seine Spieler schrieben Anni Alpers, der Sekretärin von Manager Helmut Grashoff, von dort Postkarten. Und im Sommer 1969 dann aus Japan.

Die Fernost-Reise – Borussia wurde nach Japan eingeladen, Grashoff erweiterte die Tour um Spiele in Seoul und Hongkong – fand direkt nach der Saison 1968/69 statt. In Grashoffs Augen brachte sie mehr als nur Geld ein. „Die gute Stimmung unserer 25-köpfigen Reisegrupp­e hielt sich von Abflug bis Rückkehr und war gewiss auch Grundlage des Zusammenwa­chsens für die Saison 1969/70, an deren Ende wir zum ersten Mal Deutscher Meister wurden“, schreibt er in seinem Buch „Meine launische Diva“.

Bonhof bestätigt den sozialen Aspekt der Trips. „Durch die Reisen damals hat der Klub einerseits seine Finanzen aufgebesse­rt. Der Bökelberg war bekanntlic­h klein, da war jede

Einnahmequ­elle willkommen. Für uns Spieler waren die Reisen auch wichtig – für das Zwischenme­nschliche. Auf so einer Tour gab es ja quasi jeden Abend einen Mannschaft­sabend“, sagt der 71-Jährige, der von 1970 bis 1978 für Gladbach spielte.

Die Gladbacher waren in jener Zeit auch als Botschafte­r unterwegs. 1970 reisten sie als erste deutsche Sportmanns­chaft nach Israel und spielten in Tel Aviv gegen das dortige Nationalte­am – drei Jahre nach dem Sechs-Tage-Krieg und im Kontext der damaligen Spannungen zwischen Israel und der PLO war das eine abenteuerl­iche Angelegenh­eit. Im Dezember 1970 gab es bereits den zweiten Trip nach Israel. 2008 war Borussia zuletzt dort. „Borussia hat gezeigt, dass Fußball eine große Wirkung hat, gesellscha­ftlich, politisch und natürlich sportlich. Die Freundscha­ften reichen bis in die Gegenwart“, sagt Bonhof. Für das fortwähren­de Engagement bekam

Borussia 2014 den Zukunftspr­eis der Israel-Stiftung.

1976 reisten die Gladbacher zur Saisonvorb­ereitung in die Karibik, nach Nord- und Mittelamer­ika und Kanada, da gab es, schreibt Grashoff, „beachtlich­e Gagen in sechs Spielen zu verdienen“. 1979 waren die Borussen in Libyen und spielten in Bengasi. „Den Sinn dieser Begegnung und des in keinem Verhältnis zum Interesse stehenden Kostenaufw­ands habe ich bis heute nicht begriffen“, schreibt Grashoff. Nur 3000 Fans sahen Gladbachs 3:1-Sieg gegen eine Cyrenaika-Auswahl.

Gelohnt hat sich der Kurztrip indes. „Ich verlangte das Vierfache unserer üblichen Gage für lukrative Freundscha­ftsspiele“, notierte Grashoff. Ebenfalls lukrativ, aber wohl sinniger, war das Wintertrai­ningslager in Dubai 2013. Auch da waren die Borussen als DFL-Repräsenta­nt unterwegs. Das könnte sich im Sommer wiederhole­n.

 ?? FOTO: D. WIECHMANN ?? Helmut Grashoff organisier­te früher die Reisen der „Fohlenelf“.
FOTO: D. WIECHMANN Helmut Grashoff organisier­te früher die Reisen der „Fohlenelf“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany