Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Titelkusen“— wie ein Traum wahr wird
Meisterfeier, Korso, Rathausempfang? Darüber sprechen Verantwortliche nicht mal hinter vorgehaltener Hand. Zu groß wäre die Blamage im Fall einer Enttäuschung. Doch steht der Elefant im Raum. Was wäre, wenn ...
LEVERKUSEN Pssst! Nicht zu laut. Xabi Alonso, Fernando Carro und Simon Rolfes wollen es nicht, die Stadtspitze will es ebenso wenig. Bloß nicht zu früh über das Thema Meisterschaft reden. Denn noch hat die Werkself keine der drei Trophäen in der Hand. Wer denkt nicht an Schalke, den traurigen „Meister der Herzen“, oder zuletzt Borussia Dortmund, das die Meisterschale fast auf dem Schoß, im letzten Saisonspiel gegen Mainz 05 über ein Unentschieden nicht hinaus kam und den Abonnement-Meister Bayern München auf den letzen Metern vorbeiziehen lassen musste. Die kalt gestellten Champagnerflaschen wurden ungetrunken warm, die Meisterfeier auf dem Borsigplatz und der gigantische Meisterkorso wurden abgesagt. Also: daran denken, möglichst viel planen, aber nichts sagen. Das klingt dann so: „Bayer 04 Leverkusen konzentriert sich uneingeschränkt auf die noch sehr zahlreichen sportlichen Aufgaben in den unterschiedlichen Wettbewerben der laufenden Saison“, antwortet Bayer 04-Pressesprecher Dirk Mesch auf unsere Anfrage. „Zu Planungen im Hinblick auf das Ende der aktuellen Spielzeit wird der Verein zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellung beziehen. Dafür bitten wir um Verständnis.“
„Nun heißt es, noch ein wenig mitfiebern und Daumen drücken“, sagt Oberbürgermeister Uwe Richrath. „Sollte die Werkself die Meisterschale oder mehr nach Leverkusen holen, wird die Stadt gut vorbereitet sein und dem Team und den Fans einen würdigen Empfang ermöglichen.“Die Stadtverwaltung schreibt, sie sei im Austausch mit dem Verein. Im Fall eines Titelgewinns wolle man „gemeinsam in Leverkusen einen Rahmen schaffen, in dem Fans aus der ganzen Welt, Leverkusener und Leverkusenerinnen, Club, Werkself und Stadt gemeinsam feiern und genießen können.“Wie dieser Rahmen aussehen soll, sagt bisher niemand. Doch steht der Elefant im Raum. Eine Chance für Gedankenspiele.
Der Fahrplan Durchatmen in der Länderspielpause. Am 30. März geht es weiter mit dem 27. von 34 Spieltagen. Die Werkself empfängt Hoffenheim. Bleiben Leverkusen und die Bayern beide verlustpunktfrei, könnte am 31. Spieltag (27. April) die Entscheidung fallen. Holt Bayer 04 zu Hause gegen Stuttgart drei Punkte, blieben bei zehn Punkten Vorsprung nur noch neun zu holen. Die Werkself wäre Deutscher Meister. Stolpern die Bayer früher gegen weiter siegreiche Leverkusener könnte das Rennen auch früher beendet sein. Im Erfolgsfall gibt‘s die Schale natürlich erst am letzten Spieltag (18. Mai). Da spielt Leverkusen zu Hause gegen Augsburg. Erster Anlass für eine kleine Jubelparty im eigenen Stadion. Doch geht es ja um weitere Titel. Gewinnt das Team am 3.
April das Halbfinale gegen Fortuna Düsseldorf, steht es am 25. Mai im Pokalfinale in Berlin. Nur drei Tage vorher, am 22. Mai, ist das Finale in der Europa League in Dublin. Sollte die Werkself dieses Finale erreichen und den Titel holen, wäre also für die Berlin-Fahrer keine Zeit für große Feiern. Die Konzentration läge ganz auf dem deutschen Pokalfinale. Fazit: Bleibt die Werkself in allen Wettbewerben, ist mit einer großen
Titelfeier in Leverkusen vor dem 26. Mai wohl nicht zu rechnen.
Andere Vereine, die Bayern auf dem Marienplatz, die Frankfurter am Römer, machen es vor – stilvolles Feiern und Pokalrecken mit Massenpublikum geht am besten auf dem RathausBalkon. Doch hat Leverkusen kein historisches Rathaus. Also wohin? Das moderne Rathaus hat keinen Balkon, der Friedrich-Ebert-Platz dürfte zudem für eine Meisterfeier zu klein sein. Wir haben uns umgesehen. Balkone, auf die eine Mannschaft passte, gibt es am Bayer-Kasino und gleich gegenüber an der alten Konzernzentrale. Doch wäre das Umfeld für Massenaufläufe kaum geeignet. Das gilt umso mehr für andere historische Gebäude wie das der alten Landwirtschaftsschule in Opladen. Wahrscheinlich ist: Die Meisterfeier läuft im und um das Stadion. Dort gibt es übrigens auch einen Balkon. Etwas verdeckt gleich über dem Stadioneck. Und: Der
Die Balkonfrage
Rathausempfang der Mannschaft (Goldenes Buch) könnte wegen des stilvolleren Ambientes nach Schloss Morsbroich verlegt werden. Das war auch schon im Jahr 2000 so, wenngleich die Mannschaft damals nach ihrem Fehltritt in Unterhaching nur als Vizemeister geehrt wurde.
Historisches Zwei Titel hat die Mannschaft nach dem Bundesligaaufstieg bisher eingefahren. 1988 gewann sie den Uefa-Pokal, 1993 den DFB-Pokal. (Den Hallenpokalsieg 1994 lassen wir beiseite). Die Liste zweiter Plätze und erfolgloser Finalspiele auf nationaler und europäischer Bühne ist weit länger, was dem Verein den Namen „Vizekusen“eingebracht hat Den ließ sich der Bayerkonzern als geschütztes Markenzeichen eintragen. Er könnte bald schon hinfällig sein und durch „Titelkusen“abgelöst werden, im besten Fall durch „Triplekusen“.
Pssst! Das reicht jetzt aber wirklich. Es sind ja noch ein paar Spiele zu bestehen.