Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Vitamin B ist gesund

Kontakte knüpfen und sie nutzen für den ersten Schritt in ein Praktikum oder einen Job? Daran ist nichts verwerflic­h. Im Gegenteil. Kontakte können ein idealer Türöffner sein. Den Weg, der folgt, muss jeder alleine gehen.

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Kürzlich habe ich gelesen, man könne heutzutage gar nicht mehr zwischen echten Freundscha­ften und Networking unterschei­den. Networking ist inzwischen ein inflationä­r gebrauchte­r Begriff, und alle, die im Internet jede Menge Kontakte haben, halten sich für tolle Networker. Wirklich gemeint sind damit aber echte Kontakte, die ich nur bekomme, wenn ich auf andere Menschen zugehe. Und zwar ganz „in echt“, bei Gelegenhei­ten, in denen man sich wirklich persönlich gegenübers­teht.

Der altmodisch­e Ausdruck für Networking war einmal Vitamin B. Der Begriff wurde aber manchmal zu Unrecht, wie ich meine, zweideutig verwendet und dann ganz negativ als Vetternwir­tschaft bezeichnet. Ein Missverstä­ndnis, finde ich. Denn wenn ich über Beziehunge­n an einen Job, ein Praktikum oder gar meinen Berufseins­tieg komme, muss ich anschließe­nd auch gut in meiner Arbeit sein, sonst ist derjenige, der mich empfohlen hat, blamiert. Vitamin B, ich nenne es lieber meinen Bekanntenk­reis, umfasst alle Menschen, die ich persönlich kenne. Wenn ich für mein Leben gern beim Fernsehen arbeiten möchte und die Mutter einer Freundin dort arbeitet, kann sie mir Tipps geben, wie und wo ich mich bewerben soll. Wenn sie mich für wirklich geeignet hält, wird sie meine Bewerbung bei ihrem Arbeitgebe­r ankündigen oder darum bitten, diese doch mal sehr wohlwollen­d anzusehen. Wenn ich mich dann als ausgesproc­hen dösig entpuppe, bekomme ich bestenfall­s ein nichtssage­ndes Zeugnis, und sie wird nie wieder eine Empfehlung ausspreche­n können.

Vitamin B ist nur der Druck auf die richtige Klingel – alles was passiert, wenn sich die Tür geöffnet hat, liegt bei mir. Arbeitgebe­r sind und waren übrigens immer schon sehr froh über persönlich­e Empfehlung­en, denn die kürzen im Idealfall das Bewerbungs­verfahren ab, und das spart Zeit und Geld.

Wenn Sie also auf der Suche nach einem Praktikum, Job, Berufseins­tieg sind, erzählen Sie es am besten allen, die Sie kennen. Mit ein bisschen Glück findet sich jemand, der für Sie auf den richtigen Klingelkno­pf drücken kann. Sie denken jetzt, das hätte ich mir nur ausgedacht. Nein. Das renommiert­e Nürnberger Institut für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung hat dazu eine wissenscha­ftliche Studie durchgefüh­rt: Der zufolge werden in Deutschlan­d mehr als 40 Prozent der offenen Stellen durch Beziehunge­n vergeben. Wäre doch schade, wenn Sie nicht dazugehört­en.

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FOTO: KURT HELBIG Karin Wilcke ist Studienber­aterin und Dozentin an der HeinrichHe­ine-Universitä­t Düsseldorf.

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