Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Drogendealer soll elf Jahre ins Gefängnis
Die Richterin blieb beim Urteil deutlich unter den Forderungen der Staatsanwältin.
SOLINGEN/WUPPERTAL Ein 50-jähriger Albaner saß wegen Kokain-Handels und Körperverletzung auf der Anklagebank. Tatort: Solingen. Nun verkündete die Kammer das Urteil: elf Jahre Haft wegen Drogenhandels und Körperverletzung. Damit lag das Gericht deutlich unter den von der Staatsanwältin geforderten 14 Jahren und sechs Monaten. Die Verteidigung hatte diesbezüglich von einer „absurden Forderung“gesprochen und auf Freispruch plädiert. „Man kann nur für das verurteilt werden, was in der Anklage steht“, war dazu von Verteidiger Michael Rellmann zu hören. Seinem Mandanten sei für den dort aufgeführten Tatzeitraum nichts Konkretes nachzuweisen.
Die Kammer war nach dem Ende der Beweisaufnahme offenbar zu anderen Feststellungen gelangt: Sie verurteilte den 50-Jährigen wegen des Handels mit Betäubungsmitteln in acht Fällen und wegen einer Körperverletzung durch einen Messerangriff. Die Zeugenvernehmungen hatten sich teils zäh gestaltet, etliche Zeugen konnten oder wollten sich nicht mehr an das erinnern, was sie noch zuvor bei der Polizei berichtet hatten.
Ein Zeuge jedoch hatte „ausgepackt“, den Angeklagten in Sachen
„Kokain-Handel“schwer belastet und behauptet, er und seine Familie seien vor seiner Aussage massiv bedroht worden. Der Albaner habe Leute zu ihm geschickt, die hätten ihm Fotos seiner Frau und seiner Kinder auf den Tisch geknallt, die man töten werde, wenn er bei Gericht aussagen würde. Zwei Tage später habe sein Sohn angerufen und gesagt, dass er von einem Mann geschlagen worden sei.
Es sprudelte nur so heraus aus diesem Zeugen, der keine Hemmungen hatte, sich selbst zu belasten. Der Angeklagte habe ihn 2019 über Mittelsmänner als Kurier beauftragt, kiloweise habe er das Kokain nach Solingen gekarrt und dort in einem Café verkauft. Geld habe er dafür nicht bekommen, er habe seine Schulden abgearbeitet. Nach fünf Touren sei Schluss gewesen, bis einige der Mittäter in 2022 verhaftet worden seien. Danach habe der Angeklagte erneut gewollt, dass er Kokain verkaufe.
Der Zeuge erzählte, auch ungefragt. Er gestikulierte, lachte, schlug mit der Hand auf den Tisch. Irgendwann
wurde er gefragt, ob er Drogen konsumiert habe. Die Verteidigung stellte die Glaubwürdigkeit des Zeugen infrage und gab zu bedenken, der Mann sei selbst verstrickt in die Organisierte Kriminalität. Da er sich mit seiner Aussage selbst belastet hat, laufen nun Ermittlungen gegen ihn und er muss im Falle eines Schuldspruchs mit einer Haftstrafe rechnen.
Seine Aussage dürfte dennoch entscheidend zur Verurteilung des Angeklagten beigetragen haben. Die Anklage ging davon aus, dass der 50-Jährige die Kontakte nach Belgien und in die Niederlande hergestellt und die Aufträge zum Ankauf erteilt hat. Der Weiterverkauf sollte durch die bereits verurteilten Mittäter und durch Dritte erfolgen. Die Gewinnspanne für den Angeklagten lag bei 10.000 Euro pro Kilo.
Der Hinweis auf die Drogengeschäfte waren aus Frankreich gekommen. Dortige Ermittler waren auf kriminelle Machenschaften inmitten des ehemals europaweit tätigen IT-Anbieters EnchroChat gestoßen. Französischen Ermittlern war es gelungen, das verschlüsselte Netzwerk durch eine Schadsoftware zu infiltrieren. Dadurch war man an Chatverläufe und Daten von Kunden gekommen, die darüber unter anderem Waffen- und Drogengeschäfte abgewickelt hatten.