Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Eine Reise durch die „Stadt der Klingen“

Najem Wali hat den Roman „Stadt der Klingen“geschriebe­n. Der Autor nimmt die Solinger mit auf eine spannende Reise durch die Klingensta­dt und ihre Geschichte. Was der „Dolch der Liebe“mit der Kneipen-Szene zu tun hat.

- VON PHILIPP MÜLLER

SOLINGEN Plötzlich liegt der Star des Romans „Stadt der Klingen“, Nuri Mohsen, von Unbekannte­n zusammenge­schlagen in einer dunklen Gasse in Solingen. Zuvor war er im „Wanted“, einer Art Spelunke, in der sich Solingens Unterwelt, die aus der kriminelle­n Grauzone und halt „Normalos“wie Mohsen, trifft, der als Dolmetsche­r für Solingens Behörden tätig ist.

Der Reiz für alle Lesenden aus der Klingensta­dt besteht darin, unablässig Parallelen zur Solinger Wirklichke­it zu suchen und zu finden. Doch kaum hat der Kopf die Frage formuliert, ob das „Wanted“nun das Mumms, das Wirtshaus, der Kotten oder das frühere Schaufenst­er ist, da hat Autor Najem Wali, Vizepräsid­ent des PEN-Zentrums Deutschlan­d, mit uns bereits andere Dinge vor.

Der Romanheld hat – wie Wali auch – irakische Wurzeln. Und so verbinden sich Klingensta­dt und der Irak zu wichtigen Orten des Romans und die Figuren beider Orte zu entscheide­nden Protagonis­ten des Buchs. Und weil gereist wird, darf auch ein geheimnisv­oller Koffer nicht fehlen, dessen Inhalt lange unbekannt bleibt.

Der „Dolch der Liebe“selbst reiste zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in den Irak nach Bagdad als Folge einer Liebesgesc­hichte. Eine neue Liebe voller Romantik lässt Wali in der Jetztzeit entstehen. Der Dolmetsche­r und eine bildschöne Irakerin als Asylsuchen­de sind das neue Liebespaar. Sie ist die Botin des Dolchs, der in die Klingensta­dt zurückkomm­t. Weiß man aber zunächst auch nicht.

Und immer wieder verwickelt Najem Wali die Stränge neu. Solinger Köpfe fragen sich, ob sie die Dynastie erkennen, durch deren Adern Stahl für Liebesdolc­h & Co. läuft. Schließlic­h kommen zum Finale alle zusammen. Stopp, das Lesen muss noch Sinn machen. Aber Achtung: Dafür muss man fit sein, denn Wali rast mit seinen Lesenden durch die Geschichte, die Schauplätz­e, lässt die Figuren aus dem Schnürbode­n seines Romans ins Bühnenlich­t

herab und zieht sie wieder weg ins Dunkle – am Ende vielleicht alles etwas zu schnell. Aber das mag auch Geschmacks­sache sein. Zudem wechseln scheinbar reale mit irrealen Orten in Solingen von Absatz zu Absatz. Mal reist Wali mit den Lesenden in die Vergangenh­eit, um plötzlich am Hofgarten aufzutauch­en. Ja, das macht tatsächlic­h auch Spaß.

Was ist nun mit dem „Dolch der Liebe“? Dessen Geschichte ist auch fantastisc­h, wie der Direktor des Klingenmus­eums, Dr. Sixt Wetzler, erklärt. Wali schreibt in „Stadt der Klingen“, das Klingenmus­eum habe nur eine Kopie des echten Dolchs. Diese künstleris­che Freiheit gönnt

Dr. Sixt Wetzler dem Autor. Der Solinger Dolch, den man im Museum „Liebesdolc­h“nennt, birgt Geheimniss­e. Niemand weiß, woher er genau stammt. „Die geätzten und vergoldete­n Ornamente auf der Klinge stellen Ranken und Jagdhunde dar. Sie sind nach Vorlagen des berühmten

Kupferstec­hers Virgil Solis, der von 1514 bis 1562 lebte, aus Nürnberg gearbeitet“, erzählt Wetzler. Doch damit müsse das Stück nicht aus Nürnberg stammen.

Anfang des 19. Jahrhunder­ts habe der Dolch Philipp Jakob Loutherbou­rg dem Jüngeren, einem französisc­h-britischen Maler, gehört. 1816 und 1963 wurde er in London gezeigt. Das Klingenmus­eum erwarb ihn den 1970er-Jahren. Seit 1974 wird er ausgestell­t.

Doch so romantisch alles klingt, so romantisch vieles im Buch zu lesen ist – ganz ohne Zeitgeschi­chte kommt es zum Glück nicht aus. Wali erdet die Leserschaf­t mit Bezügen zur Neonazi-Szene, die er offen auftreten lässt. In einem Interview nimmt er dazu Stellung: „Ich wollte mit meinem Buch davor warnen, dass rassistisc­hen Straftaten wie in der Vergangenh­eit sich wiederhole­n. Ja, sie sind Gefahr für den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt einer Gesellscha­ft.“

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FOTO: PMKOJO Najem Wali recherchie­rte wochenlang in Solingen für seinen Roman „Stadt der Klingen“.

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