Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Eine Reise durch die „Stadt der Klingen“
Najem Wali hat den Roman „Stadt der Klingen“geschrieben. Der Autor nimmt die Solinger mit auf eine spannende Reise durch die Klingenstadt und ihre Geschichte. Was der „Dolch der Liebe“mit der Kneipen-Szene zu tun hat.
SOLINGEN Plötzlich liegt der Star des Romans „Stadt der Klingen“, Nuri Mohsen, von Unbekannten zusammengeschlagen in einer dunklen Gasse in Solingen. Zuvor war er im „Wanted“, einer Art Spelunke, in der sich Solingens Unterwelt, die aus der kriminellen Grauzone und halt „Normalos“wie Mohsen, trifft, der als Dolmetscher für Solingens Behörden tätig ist.
Der Reiz für alle Lesenden aus der Klingenstadt besteht darin, unablässig Parallelen zur Solinger Wirklichkeit zu suchen und zu finden. Doch kaum hat der Kopf die Frage formuliert, ob das „Wanted“nun das Mumms, das Wirtshaus, der Kotten oder das frühere Schaufenster ist, da hat Autor Najem Wali, Vizepräsident des PEN-Zentrums Deutschland, mit uns bereits andere Dinge vor.
Der Romanheld hat – wie Wali auch – irakische Wurzeln. Und so verbinden sich Klingenstadt und der Irak zu wichtigen Orten des Romans und die Figuren beider Orte zu entscheidenden Protagonisten des Buchs. Und weil gereist wird, darf auch ein geheimnisvoller Koffer nicht fehlen, dessen Inhalt lange unbekannt bleibt.
Der „Dolch der Liebe“selbst reiste zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in den Irak nach Bagdad als Folge einer Liebesgeschichte. Eine neue Liebe voller Romantik lässt Wali in der Jetztzeit entstehen. Der Dolmetscher und eine bildschöne Irakerin als Asylsuchende sind das neue Liebespaar. Sie ist die Botin des Dolchs, der in die Klingenstadt zurückkommt. Weiß man aber zunächst auch nicht.
Und immer wieder verwickelt Najem Wali die Stränge neu. Solinger Köpfe fragen sich, ob sie die Dynastie erkennen, durch deren Adern Stahl für Liebesdolch & Co. läuft. Schließlich kommen zum Finale alle zusammen. Stopp, das Lesen muss noch Sinn machen. Aber Achtung: Dafür muss man fit sein, denn Wali rast mit seinen Lesenden durch die Geschichte, die Schauplätze, lässt die Figuren aus dem Schnürboden seines Romans ins Bühnenlicht
herab und zieht sie wieder weg ins Dunkle – am Ende vielleicht alles etwas zu schnell. Aber das mag auch Geschmackssache sein. Zudem wechseln scheinbar reale mit irrealen Orten in Solingen von Absatz zu Absatz. Mal reist Wali mit den Lesenden in die Vergangenheit, um plötzlich am Hofgarten aufzutauchen. Ja, das macht tatsächlich auch Spaß.
Was ist nun mit dem „Dolch der Liebe“? Dessen Geschichte ist auch fantastisch, wie der Direktor des Klingenmuseums, Dr. Sixt Wetzler, erklärt. Wali schreibt in „Stadt der Klingen“, das Klingenmuseum habe nur eine Kopie des echten Dolchs. Diese künstlerische Freiheit gönnt
Dr. Sixt Wetzler dem Autor. Der Solinger Dolch, den man im Museum „Liebesdolch“nennt, birgt Geheimnisse. Niemand weiß, woher er genau stammt. „Die geätzten und vergoldeten Ornamente auf der Klinge stellen Ranken und Jagdhunde dar. Sie sind nach Vorlagen des berühmten
Kupferstechers Virgil Solis, der von 1514 bis 1562 lebte, aus Nürnberg gearbeitet“, erzählt Wetzler. Doch damit müsse das Stück nicht aus Nürnberg stammen.
Anfang des 19. Jahrhunderts habe der Dolch Philipp Jakob Loutherbourg dem Jüngeren, einem französisch-britischen Maler, gehört. 1816 und 1963 wurde er in London gezeigt. Das Klingenmuseum erwarb ihn den 1970er-Jahren. Seit 1974 wird er ausgestellt.
Doch so romantisch alles klingt, so romantisch vieles im Buch zu lesen ist – ganz ohne Zeitgeschichte kommt es zum Glück nicht aus. Wali erdet die Leserschaft mit Bezügen zur Neonazi-Szene, die er offen auftreten lässt. In einem Interview nimmt er dazu Stellung: „Ich wollte mit meinem Buch davor warnen, dass rassistischen Straftaten wie in der Vergangenheit sich wiederholen. Ja, sie sind Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einer Gesellschaft.“