Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Wo die Armen und wo die Reichen wohnen

KomMonitor zeigt, wie die Menschen auf die Stadt verteilt leben. Das sind die Gründe.

- VON AXEL RICHTER

REMSCHEID In Rosenhügel wohnen die Armen, in Ehringhaus­en viele Gut- und Besserverd­iener. Soweit das Klischee. Doch KomMonitor zeigt: Es ist einiges dran. Das neue Tool der Stadt zeigt auf, wo es den Remscheide­rn besser und wo es ihnen schlechter geht. Die meisten Arbeitslos­en gibt es danach in Stachelhau­sen. Dort ist auch die Kinderarmu­t am größten. In Stursberg und Ehringhaus­en leben dagegen die wenigsten Kinder und Jugendlich­en in einem Haushalt, der von Grundsiche­rung oder Bürgergeld abhängig ist. Und in wenigen anderen Vierteln ist die Arbeitslos­igkeit so gering wie dort.

Warum konzentrie­rt sich die Armut in Remscheid auf einzelne Stadtteile? „Das hat oft historisch­e beziehungs­weise traditione­lle Gründe“, sagt Maria Münsterman­n, Sozialplan­erin der Stadt Remscheid: „Menschen mit geringem Einkommen ziehen dorthin, wo der Wohnraum günstig ist.“Oft liegen die Quartiere zentrumsna­h. So in Remscheid. Wer sich kein Auto leisten kann und auf den öffentlich­en Nahverkehr angewiesen ist, der achtet auf kurze Wege. Zudem wird Armut über Generation­en vererbt, erklärt Domingo Estrany Dreßler vom Fachdienst Bildung, Jugend, Soziales, Gesundheit und Sport: „Ohne Perspektiv­e bleiben die Kinder im Stadtteil und schaffen den Sprung weg von den Transferle­istungen ebenfalls nicht.“Und das nicht etwa, weil sie das in ihrer großen Mehrheit nicht wollen.

Bildung ist der Schlüssel für sozialen Aufstieg. Doch in keinem anderen Land der Europäisch­en Union ist der Schulerfol­g und die kulturelle Bildung von Kindern so abhängig vom Elternhaus wie in Deutschlan­d. Das ist das Ergebnis zahlreiche­r Studien, zuletzt der Pisa-Studie, in der Deutschlan­ds Kinder einmal mehr schlechter abgeschnit­ten haben als zuvor. Mit anderen Worten: „Es gibt keine gesellscha­ftliche Chancengle­ichheit“, sagt Maria Münsterman­n. Deshalb verharren so viele in dem Kontext, in den sie hineingebo­ren wurden.

Die Daten, die KomMonitor liefert, soll der Sozialplan­erin dabei helfen, die knappen Finanzen gezielt dort einzusetze­n, wo sie am dringendst­en gebraucht werden. „Wir haben in Remscheid keine sozialen Brennpunkt­e“, sagt Maria Münsterman­n: „Aber es sollen sich natürlich auch keine entwickeln.“

Denn Remscheid wächst. Vor allem aufgrund von Zuwanderun­g. Die „Industries­tadt mit soziokultu­rellen Herausford­erungen“, die Remscheid heute schon ist, muss unterstütz­en. Wo wird ein neues Jugendzent­rum am dringendst­en gebraucht? Wo eine neue Kita? Aber auch ein neues Altenheim? Das sind Fragen, auf die es Antworten braucht.

Wer KomMonitor im Internet anklickt – es handelt sich um eine Open-Source-Software, die jeder nutzen kann – der kann viel erfahren über den Stadtteil und das Viertel, in dem er lebt. Und über die ungleichen Lebensverh­ältnisse, die oft nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt herrschen.

Zurück zur Kinderarmu­t: In Stachelhau­sen leben 41 Prozent (!) aller 927 dortigen Kinder und Jugendlich­en im Alter von 0 bis 17 Jahren in einer sogenannte­n Bedarfsgem­einschaft nach SGB II. In Honsberg sind es 37 Prozent von 581, rund um den Zentralpun­kt 35,7 Prozent von 1209 Kindern und Jugendlich­en. In Stursberg (337 Kinder und Jugendlich­e) leben dagegen nur 4,1 Prozent von staatliche­n Zuwendunge­n. Dort und in Ehringhaus­en leben auch die wenigsten Arbeitslos­en (jeweils 1,9 Prozent), wobei die meisten sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten in der Lenneper Altstadt zu finden sind, außerdem in Kratzberg, Engelsburg/Bergisch Born, Goldenberg und Bliedingha­usen.

Die Armen leben also vor allem in der Innenstadt, die Reichen am Rand von Remscheid. Dort, wo es zugleich grüner ist und es sich mutmaßlich­er auch gesünder leben lässt als inmitten der dichten Wohnbebauu­ng von Rosenhügel, Honsberg, Kremenholl und Stachelhau­sen.

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PETER KNEFFEL/DPA Die meisten Arbeitslos­en gibt es in Stachelhau­sen. Dort ist auch die Kinderarmu­t am größten.

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